Thrombo­embolische Ereignisse und Krebs – Prophylaxe mit direkten oralen Antikoagulanzien geprüft

ASCO 2021 Mascha Pömmerl

Bei der Prophylaxe venöser Thromboembolien ist eine Balance mit der Blutungsneigung zu meistern. In zwei Studien wurden NOAK und niedermolekulare Heparine zu diesem Zweck direkt miteinander verglichen. Bei der Prophylaxe venöser Thromboembolien ist eine Balance mit der Blutungsneigung zu meistern. In zwei Studien wurden NOAK und niedermolekulare Heparine zu diesem Zweck direkt miteinander verglichen. © Tatiana Shepeleva – stock.adobe.com

Eine medikamentöse Prophylaxe mit direkten oralen Antikoagulanzien reduziert das Risiko für thromboembolische Ereignisse bei Tumorpatienten, sie erhöht aber das Blutungsrisiko. Die Autoren zweier Studien geben neue Einblicke in Wirksamkeit und Sicherheit der Substanzen im klinischen Alltag – dennoch bleiben einige Fragen offen.

Krebspatienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse, einschließlich venöser Thromboembolien (VTE). Diese beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen und sind ein häufiger Grund für die Verschiebung notwendiger Therapien. Außerdem verursachen VTE-assoziierte Krankenhauseinweisungen hohe Kosten, beschrieb Dr. Nicole Kuderer von der Universität Washington, Seattle, die Belastungen durch die Komplikation im klinischen Alltag.1 Nach der tumorbedingten Sterblichkeit sind thromboembolische Ereignisse die zweithäufigste Todesursache bei Krebserkrankten.2

Für die Primärprophylaxe stehen niedermolekulare Heparine zur Verfügung. Die Daten eines systematischen Reviews deuten darauf hin, dass nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOAK) hinsichtlich der Vorbeugung rezidivierender VTE effektiver sind als niedermolekulare Heparine – sie gehen aber unter anderem mit einem signifikant erhöhten Risiko für größere Blutungen einher.3

NOAK sind niedermolekularen Heparinen nicht unterlegen

Mit dem Einsatz von NOAK im klinischen Alltag zur VTE-Prophylaxe beschäftigten sich zwei neue Publikationen. Bei der ersten handelt es sich um CANVAS, die Professor Dr. Deborah Schrag, Dana-Farber Cancer Institute, Boston, vorstellte. Die Forscher prüften darin die Effektivität von niedermolekularem Heparin und NOAK zur Prävention rezidivierender VTE bei Patienten mit verschiedenen soliden Tumoren und hämatologischen Neoplasien, die in den letzten 30 Tagen eine VTE erlitten hatten.4 Das Ziel war es, die Nicht-Unterlegenheit von NOAK gegenüber niedermolekularem Heparin in zwei Gruppen zu demonstrieren. Die 638 Personen der Randomisierungskohorte wurden 1:1 aufgeteilt und erhielten jeweils eine der beiden Substanzen. Weitere 137 Erkrankte waren in der Präferenzkohorte eingeschlossen und bekamen ihr bevorzugtes Antikoagulans. Die Teilnehmer wurden über sechs Monate nachbeobachtet.

Insgesamt zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen niedermolekularem Heparin und NOAK – und zwar weder hinsichtlich des Auftretens erneuter VTE oder von Blutungen noch bezüglich der Mortalität. „Diese Studie gibt uns etwas Sicherheit beim Einsatz von NOAK im klinischen Alltag“, kommentierte Dr. Kuderer.1

Hohe Blutungsrate mit VTE-Prophylaxe beobachtet

In der zweiten multizentrischen prospektiven Beobachtungsstudie Rising-VTE prüften japanische Forscher um Dr. Dr. Y­ukari Tsubata, Shimane University Faculty of Medicine, Izumo, NOAK bei Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom, die für eine radikale Resektion oder eine Bestrahlung nicht infrage kamen.5 Die Wissenschaftler schlossen 1021 Personen mit einem ECOG-Performance Status zwischen 0 und 3 für insgesamt zwei Jahre in die Studie ein. 1008 Teilnehmer wurden ausgewertet. Patienten, die zum Zeitpunkt der Diagnose ihres Lungenkarzinoms eine VTE aufwiesen, begannen eine Therapie mit dem NOAK Edoxaban. Primärer Endpunkt war das Auftreten der Komplikation im Beobachtungszeitraum bzw. eine rezidivierte VTE unter der Prophylaxe innerhalb von sechs Monaten.

62 Teilnehmer (6,2 %) hatten zum Diagnosezeitpunkt und 38 (3,8%) während der zweijährigen Nachbeobachtung eine VTE entwickelt. Bei den Personen unter Edoxaban trat diese nicht wieder auf. Die Blutungsrate unter dem NOAK war mit 23 % nach sechs Monaten und 34 % nach zwei Jahren relativ hoch – in der reinen Beobachtungsgruppe betrug sie nach zwei Jahren nur 10 %. Kein Patient aus der Edoxabangruppe starb aufgrund einer Blutung.

Die Studie liefere dringend benötigte Real-World-Daten für NOAK und Lungenkrebs, schlussfolgerte die Kommentatorin Dr. Kuderer­. Es sei jedoch weiterhin unklar, wie man mit Erkrankten, die ein hohes Blutungsrisiko aufweisen, umgehen solle. Weiterhin sei es notwendig, den Einfluss von Medikamenteninteraktionen zu untersuchen.

Quellen:
1. Kuderer NM. 2021 ASCO Annual Meeting (virtuell); Poster Discussion Session
2. Onkopedia Leitlinie „Thromboembolien bei Tumorpatienten“; Stand November 2020
3. Li A et al. Thromb Res 2019; 173: 158-163; DOI: 10.1016/j.thromres.2018.02.144
4. Schrag D et al. 2021 ASCO Annual Meeting (virtuell); Abstract 12020; DOI: 10.1200/JCO.2021.39.15_suppl.12020
5. Tsubata Y et al. 2021 ASCO Annual Meeting (virtuell); Abstract 12021 & Poster Discussion Session; DOI: 10.1200/JCO.2021.39.15_suppl.12021

Kongressbericht: 2021 ASCO Annual Meeting (virtuell)

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Bei der Prophylaxe venöser Thromboembolien ist eine Balance mit der Blutungsneigung zu meistern. In zwei Studien wurden NOAK und niedermolekulare Heparine zu diesem Zweck direkt miteinander verglichen. Bei der Prophylaxe venöser Thromboembolien ist eine Balance mit der Blutungsneigung zu meistern. In zwei Studien wurden NOAK und niedermolekulare Heparine zu diesem Zweck direkt miteinander verglichen. © Tatiana Shepeleva – stock.adobe.com