
Thromboembolie: Rezidive und Blutungen durch Sekundärprophylaxe verhindern

Zu den schwierigsten Punkten in der Rezidivprophylaxe nach venöser Thromboembolie (VTE) gehört die Wahl der optimalen Antikoagulationsdauer, betonte Professor Dr. Rupert Bauersachs von der Klink für Gefäßmedizin am Klinikum Darmstadt. In den ersten drei Monaten besteht ein hohes Rezidivrisiko. Deshalb spricht man auch von einer Erhaltungstherapie – sie bewahrt den Erfolg der Akutbehandlung. Jenseits des sechsten Monats ist die Gefährdung – je nach Risikofaktoren – sehr unterschiedlich. Ein Teil der Patienten profitiert von einer verlängerten Gerinnungshemmung (s. Kasten) trotz der vermehrten Blutungsbereitschaft.
Drei Phasen der VTE-Therapie
- Akutbehandlung (max. zehn Tage): Entweder bereits initial mit NOAK (Apixaban, Rivaroxaban) oder erst parenteral (Heparin, Fondaparinux) mit Umstellung auf NOAK (Dabigatran, Edoxaban) bzw. Vitamin-K-Antagonisten.
- Erhaltungstherapie (maximal drei bis sechs Monate): Entweder NOAK oder Vitamin-K-Antagonisten
- Verlängerte Erhaltungstherapie (drei Monate bis unbefristet): NOAK oder Vitamin-K-Antagonisten. Die europäischen Leitlinien bevorzugen initial und in der Erhaltungstherapie NOAK, wenn diese indiziert sind.
VTE-BLEED-Score in der Praxis unbrauchbar
Bei der Entscheidung pro oder kontra Prolongierung könnte ein Punktesystem helfen. Doch der eigens für diesen Zweck entwickelte VTE-BLEED-Score scheiterte im Praxistest. Seine Trefferquote lag nicht höher als bei einem Münzwurf und der positive Vorhersagewert erreichte aufgrund der Seltenheit schwerer Hämorrhagien gerade einmal 7 %. Ein weiteres Hindernis: 90 % der Blutungen traten mehr als drei Monate nach der Thromboembolie auf. Sie werden durch spätere Veränderungen (z.B. Komorbiditäten) ausgelöst, die der Score nicht erfasst. Umso mehr Bedeutung hat es, bestehende Gefahrenquellen wie eine Begleitbehandlung mit NSAR auszuschalten.Blutungsgefahr entweder im Kopf oder im Bauch
Antikoagulationsbedingte Hämorrhagien gehen nach wie vor mit einer hohen (Früh-)Mortalität einher. Aber unter NOAK liegt die blutungsbedingte Sterblichkeit signifikant niedriger als unter Vitamin-K-Antagonisten (VKA), wie eine aktuelle Auswertung des deutschen RADOA-Registers ergab. Ein Grund dafür: Mit Cumarin-Derivaten behandelte Patienten bluten häufiger intrakraniell (bzw. intraspinal), mit NOAK therapierte dagegen eher gastrointestinal.Zwei spezifische Antidote gegen NOAK verfügbar
Mehr als ein Viertel der schweren bzw. tödlichen Hämorrhagien ereignete sich nach einem Sturz, was den Nutzen einer gezielten Prophylaxe unterstreicht. Durch eine Reversierungs-Therapie mit Prothrombinkonzentrat (PPSB) lässt sich die Blutungsdauer verkürzen. Wegen vermehrter Thromboembolien sollte die Antikoagulation aber möglichst früh wieder aufgenommen werden. Inzwischen stehen mit Idarucizumab (gegen Dabigatran) und Andexanet alfa (gegen Faktor-Xa-Inhibitoren) spezifische Antidote gegen die NOAK zur Verfügung. Zur Wirksamkeit laufen derzeit Vergleichsstudien mit PPSB. Um die Rezidivgefahr besser einschätzen zu können, analysierten dänische Forscher sämtliche venösen Thromboembolien, die sich in dem skandinavischen Land zwischen 2012 und 2017 ereigneten. Mit einem interessanten Ergebnis: Die bisher praktizierte scharfe Trennung zwischen provozierter VTE (drei Monate Antikoagulation) und unprovoziertem Ereignis (Langzeit-Prophylaxe) wird der Realität nicht gerecht. Auch viele Patienten mit klarem VTE-Auslöser trugen ein deutlich erhöhtes Rezidivrisiko und solche ohne Provokationsfaktor ein niedriges. Entsprechend haben sich die Autoren der neuen europäischen Leitlinien (ESC, ESVS*) bereits zu einer differenzierteren Betrachtung entschlossen (s. Tabelle).Sekundärprävention der Thromboembolie | |
---|---|
unbefristete Antikoagulation (empfohlen) | Persistierende Risikofaktoren: aktives Malignom, schwere Thrombophilie, Rezidiv ohne Risikofaktoren, Antiphospholipidsyndrom etc. |
verlängerte Antikoagulation (erwägen) | Kein oder schwacher Risikofaktor: z.B. Langstreckenflug, akute Bettlägerigkeit, Beinverletzung ohne Fraktur, kleine Operation (< 30 min), stationärer Aufenthalt (< drei Tage) |
absetzen nach 3(–6) Monaten | Harter, vorübergehender Risikofaktor: Operation, stationärer Aufenthalt, Hormontherapie, Verletzung |
nach ESC-Leitlinie Lungenembolie, Konstantinides SV et al. Eur Heart J 2020; 41: 543-603; DOI: 10.1093/eurheartj/ehz405 |
Quelle: 12. Interdisziplinäres Update Gefäßmedizin**
* ESC: European Society of Cardiology, ESVS: European Society for Vascular Surgery
** Online-Veranstaltung
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).