Tricks der Tumoren gegen CAR-T-Zellen und Bispezifika

DGHO 2024 Dr. Miriam Sonnet

Jede Therapielinie hinterlässt „Fußspuren“ im Genom der Tumorzelle. Jede Therapielinie hinterlässt „Fußspuren“ im Genom der Tumorzelle. © Catalin - stock.adobe.com

Antigenverlust stellt einen wichtigen Resistenzmechanismus gegenüber CAR-T-Zellen und Bispezifika dar. Aber auch eine Erschöpfung der T-Zellen könnte extramedullär eine Rolle spielen. Entscheidend ist letztendlich eine günstige Effektor-Target-Ratio.

Wenn man die Response von Personen mit Multiplem Myelom auf gegen BCMA gerichtete bispezifische Antikörper betrachtet, so stellt man fest: „Knapp 40 % der Erkrankten sprechen primär nicht auf Bispecifics an“, sagte Prof. Dr. ­Leo ­Rasche, Universitätsklinikum Würzburg. Und: „Beim Myelom ist keine der bislang eingeführten Immuntherapien kurativ. Alle Patient:innen werden früher oder später relabieren.“ Im Fall der Lymphome sei die Lage nicht ganz so prekär, aber auch hier erleiden viele Betroffene ein Rezidiv. Für die Resistenzentwicklung gegen CAR-T-Zellen und Bispecifics spielten drei „Player“ eine Rolle: die Dysfunktion und Erschöpfung der Zellen, die Tumormikroumgebung und der Immunescape aufgrund des Verlusts des Antigens.

Prof. ­Rasche präsentierte den Fall einer 55-jährigen Patientin mit Hochrisiko-MM, die in der vierten Therapielinie mit dem BCMA-Bi­specific Teclistamab behandelt wurde. Das Ansprechen fiel zunächst sehr gut aus. Nach vier Monaten klagte die Frau über neue Schmerzen, die LDH erhöhte sich und im PET fanden die Ärzt:innen eine extramedulläre Läsion in der Nähe des Beckens. Das Whole-Genome-Sequencing einer Biopsieprobe ergab einen biallelischen BCMA-Verlust. „Das ist etwas, was wir praktisch für alle der neuen Immuntherapien sehen: Der Selektionsdruck ist so stark, dass man einen evolutionären Flaschenhals bekommt“, so Prof. ­Rasche. Und der genetische Verlust des Antigens lasse sich nicht mehr umkehren.

An einem weiteren Beispiel eines Mannes mit zehn Therapielinien verdeutlichte der Kollege, dass die einzelnen Behandlungen ihre „Fußspuren“ im Genom hinterlassen und nach und nach Resistenzen gegen unterschiedliche Strategien entstehen. Es gebe bei sequenzieller Immuntherapie nicht nur einen, sondern zwei evolutionäre Flaschenhälse, die in manchen Fällen zu einem BCMA- und einem GPRC5D-Verlust führen. Das „heptarefraktäre“ Multiple Myelom sei eine neue Realität, erläuterte Prof. Rasche. Die Tumormikroumgebung spiele für diese Patient:innen aber keine Rolle. 

Auch beim DLBCL stehen mit CD20 und CD19 zwei Targets zur Verfügung, die sich mit T-Zell-basierten Immuntherapien adressieren lassen. Und auch hier gibt es Fälle, die zum Zeitpunkt des Rezidivs sowohl CD20- als auch CD19-negativ sind. Gerade der CD20-Verlust sei gut untersucht; er reiche von Punktmutationen bis hin zu biallelischen Deletionen. Zudem könne selektives Splicing dazu führen, dass CD20 verloren geht. Die Mehrzahl der Erkrankten, die mit CD20-gerichteten bispezifischen Antikörpern behandelt werden, verliert das Antigen auf die eine oder andere Art. 

BCMA auf Abwegen

Ein weiteres Phänomen, das bei BCMA beobachtet wurde: Es gibt eine Gamma-Sekretase, die BCMA an der Zelle abschneidet und es somit in eine lösliche Form überführt. „Dieses lösliche BCMA kann die bi­spezifischen Antikörper einfach wegbinden“, erklärte Prof. ­Rasche. Das führe dazu, dass sie nicht mehr an die Tumorzelle herankommen.

Das ideale Target für eine Immuntherapie weise folgende Eigenschaften auf:

  • spezifische und konsistente Expression auf den Tumorzellen
  • niedrige/keine Expression auf gesunden Zellen
  • biologische Signifikanz/Expression bietet einen „Fitness-Vorteil“

Dies sei von den bisher verfügbaren Antigenen mehr oder weniger gut erfüllt (s. Tabelle). Es wird deutlich: Hat der Rezeptor keine physio­logische Bedeutung, so kann die Tumorzelle diesen relativ leicht „loswerden“. 

Prof. ­­Rasche präsentierte ein weiteres Fallbeispiel eines Patienten mit DLBCL, der nach einer Anti-CD19-CAR-T-Zell-Therapie und nach einer Behandlung mit einem CD20-gerichteten bispezifischen Antikörper ein Rezidiv erlitten hatte. Die Sequenzierung zeigte einen CD19/CD20-Doppelverlust auf. Die Ärzt:innen behandelten den Betroffenen für einige Wochen weiter mit Bendamustin, woraufhin er erneut rezidivierte. In der Einzelzellanalyse fanden die Kolleg:innen schließlich einen kleinen Subklon mit CD20-Expression. „Es scheint eine Branching-Evolution zu geben“, erläuterte der Kollege. Das heißt, dass Tumorzellen überlebt haben, die nicht detektiert werden konnten. „Das zeigt, wie notwendig es ist, während des klinischen Verlaufs immer wieder das Antigenexpressionsprofil zu messen.“

Antigene BCMAGPRC5DCD19CD20
Spezifische und konsistente Expression auf den TumorzellenJaJaJaJa
Niedrige/keine Expression auf gesunden ZellenAuf gesunden Plasmazellen exprimiertGeringe Expression auf gesunden (Plasma-)ZellenExprimiert auf gesunden B-Zellen und auf GehirnzellenExprimiert auf gesunden B-Zellen
Biologische Signifikanz/Expression bietet einen „Fitness-Vorteil“Ja, Rezeptor für ­APRIL, NF-κB-AktivitätFunktion unbekanntJa, moduliert Si­gnale über den BCRFunktion unbekannt
Frequenz des AntigenverlustesSelten (10 %)häufigSelten (10–20 %)häufig

Um Resistenzen zu verstehen, müsse man auch die Effektor-Target-Ratio ins Auge fassen: Wie viele Lymphozyten braucht es, damit es zu einem Ansprechen kommt? Denn umso mehr Effektorzellen im Verhältnis zu den Tumorzellen, desto besser funktioniert die Therapie. Letztendlich müsse der T-Lymphozyt die Tumorzelle finden. „Auch wenn man mit CAR-T-Zellen, Vakzinierungen usw. die Frequenz der tumorreaktiven T-Zellen massiv steigern kann, wird das unter Umständen immer noch nicht ausreichen, um eine sich im Hintergrund befindende Low-grade-Infiltration irgendwo im Knochenmark wegzuräumen“, hob Prof. ­­Rasche hervor. 

Er verdeutlichte das am Beispiel der extramedullären Erkrankung (EMD), bei der CAR-T-Zellen und bispezifische Antikörper längst nicht so gut wirken wie im Falle der intramedullären Erkrankung. Um zu verstehen, ob die EMD-Läsionen ein immunsuppressives Mikroenvironment aufweisen, wandten die Forschenden um Prof. ­­Rasche räumliche Transkriptomik an. „Der Großteil der Läsionen bestand wie erwartet aus Plasmazellen“, so der Experte. „Es gibt aber Areale, in denen sich keine Plasmazellen, sondern vielmehr fitte, CD8+ T-Zellen und M1-Makrophagen befanden.“ Aber: In den Bereichen, in denen die T-Zellen mit den Tumorzellen kolokalisieren, waren z. B. TIM3 oder PD1 exprimiert. „Wir müssen die räumlichen Untersuchungen machen, um die exhausted T-Zellen zu finden“, resümierte Prof. ­­Rasche. 

Er stellte in diesem Zusammenhang zwei Patient:innen vor, von denen eine:r gut auf Talquetamab (gegen GPRC5D gerichtet) ansprach, die bzw. der andere wiederum aus Teclistamab (gegen BCMA gerichtet) keinen Nutzen zog. Die Person mit einem Ansprechen zeigte keine räumliche Entfernung zwischen den erschöpften und den fitten T-Zellen; M1-Makrophagen und CD8+ Zellen waren im Tumor lokalisiert. Das Gegenteil war bei der nicht ansprechenden Person der Fall: Hier wiesen die Zellen im Tumor vermehrt eine TIM3-Expression auf, während sich die CD8+ T-Zellen mehr am Rand befanden. 

Zur optimalen Sequenz von Immuntherapien beim Multiplen Myelom sagte Prof. ­Rasche: „Als Erstes CAR-T-Zellen, auch deshalb, weil wir hier eine besonders gute Effektor-zu-Target-Ratio hinbekommen. Und weil der BCMA-Verlust danach relativ selten ist.“ Anschließend könne man mit bispezifischen Antikörpern behandeln, danach mit einer Chemotherapie, um die Tumorlast zu senken. Dann käme eine weitere Therapie mit einem bispezifischen Antikörper infrage, der sich allerdings gegen ein anderes Target richtet als der erste. Ob eine BCMA-gerichtete Behandlung effektiv ist, nachdem die betroffene Person zuvor bereits eine solche erhalten hatte, lasse sich durch Whole-Genome-Sequencing beantworten.

Quelle: Rasche L. DGHO-Jahrestagung 2024; Vortrag V79
 

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