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Empfehlungen für die CAR-T-Zell-Therapie

Bislang wurden drei CAR-T-Zell-Produkte für das refraktäre rezidivierte Multiple Myelom zugelassen, die auf das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) abzielen: Idecaptagen-Vicleucel und Ciltacaptagen-Autoleucel durch die FDA, EMA und ANVISA (Brasilien, nur Cilta-Cel) sowie Equecaptagen-Autoleucel (China). Prof. Dr. Dr. Yi Lin, Mayo Clinic, Rochester, hat mit ihren Kolleg:innen eine Konsensus-Guideline ausgearbeitet, um das Management der Therapie bei dieser Entität zu optimieren und zu harmonisieren.
Patient:innenselektion
Beide in Europa zugelassenen Präparate sind ab der Viertlinie einsetzbar (in den USA ab der fünften). Patient:innen hierzulande sollten daher idealerweise während der Zweitlinie evaluiert werden, um mögliche Wartezeiten zu vermeiden. Faktoren, die die Eignung gefährden, sind beispielsweise:
- rascher Progress
- anhaltende schwere Zytopenie
- Vorbehandlung mit hoch dosierten Alkylanzien, die die T-Zell-Fitness reduzieren
- aktive virale Infektionen
- kardiopulmonale Komorbiditäten
- allgemeine Gebrechlichkeit
Hochrisikopatient:innen im fortgeschrittenen Stadium, mit ungünstiger Zytogenetik oder extramedullärer Erkrankung sollten jedoch nicht per se von der Therapie ausgeschlossen werden. Personen, für die sowohl CAR-T-Zellen als auch bispezifische T-Zell-Engager infrage kommen, sollten zunächst CAR-T-Zellen erhalten.
Vortherapien, die ebenfalls auf BCMA abzielen, könnten allerdings das Ansprechen reduzieren, erläutern die Autor:innen. Da es noch keinen Test gibt, der einen Verlust von BCMA oder dessen Funktion erkennt, sollte man beim ersten Rezidiv möglichst ein anderes Antigen ins Visier nehmen. Zudem raten sie derzeit bei einem Rückfall von einer wiederholten Behandlung mit demselben CAR-T-Zell-Präparat ab.
Vor Apherese und Bridging
Mindestens ein bis zwei Monate vor der Apherese sind lymphotoxische Substanzen wie Bendamustin oder hoch dosiertes Cyclophosphamid zu vermeiden. Diese Substanzen sollten möglichst auch nicht zum Bridging genutzt werden, falls die Apherese aufgrund von Problemen bei der Herstellung der CAR-T-Zellen wiederholt werden muss. Für andere Myelomtherapeutika empfehlen die Autor:innen eine Washout-Phase von 14 Tagen, für niedig dosierte Kortikosteroide und Immunmodulatoren mit kurzer Halbwertszeit sieben Tage.
Das Bridging sollte bei niedriger Krankheitslast so minimal wie möglich sein, um Toxizitäten und daraus resultierende Verzögerungen zu vermeiden. Präklinische Daten legen nahe, dass CD38-Antikörper und Immunmodulatoren die T-Zell-Funktion und CAR-T-Zell-Aktivität verbessern. Da das Zellprodukt frühestmöglich gegeben werden sollte, müssen Ärzt:innen beim Bridging nicht auf ein optimales Ansprechen warten.
Out-of-Specification-Produkte
Selten befinden sich CAR-T-Zell-Produkte außerhalb der Spezifikation der Zulassungsbehörde, aber noch innerhalb der in Zulassungsstudien definierten Grenzen. Die Expert:innen raten dazu, die entsprechenden Parameter und die Wahrscheinlichkeit des erneuten Auftretens bei wiederholter Produktion mit dem Anbieter zu besprechen. Kommt der Erkrankte für eine weitere Leukapherese nicht infrage, z. B. weil sich die zusätzliche Wartezeit nicht verantworten lässt, sei es vertretbar, OOS-Produkte im Rahmen eines Expanded- bzw. Managed-
Access-Protocol zu verabreichen. Das klinische Ansprechen sei laut den Expert:innen voraussichtlich vergleichbar.
Management von Toxizitäten
Ärzt:innen sollen grundsätzlich den Risk Management Plan der EMA für jedes einzelne CAR-T-Zell-Produkt beachten. Erste Maßnahmen zur Behandlung des Zytokinfreisetzungs-Syndroms (CRS) sind Antipyretika und Volumengabe. Ab Grad 2 kommen Tocilizumab und ggf. Dexamethason zum Einsatz, bei anhaltendem oder schnell einsetzendem CRS schon ab Grad 1. Versagen zwei oder mehr Dosen des Antikörpers, können weitere Immunsuppressiva hinzugenommen werden. Wichtig ist, auf Infektionen zu testen, da immunsuppressive und antientzündliche Wirkstoffe Fieber maskieren. Eine prophylaktische Zytokinblockade wird zurzeit aber nicht empfohlen.
Das immuneffektorzellassoziierte Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) entwickelt sich häufig während oder nach einem CRS und bildet sich im Allgemeinen vollständig zurück. Ein neurologisches Basis-Assessment empfiehlt sich, um das ICANS früh etwa an einer Mikrographie oder anhand von Wortfindungsstörungen zu erkennen. Die Akuttherapie startet meist mit Dexamethason, das abgesetzt werden kann, wenn sich ein ICANS Grad 1 nicht verschlechtert und keinen Einfluss auf Alltag und Sicherheit der Betroffenen hat. Andererseits sollte man bei einem ICANS vom Grad 3 oder 4 rasch mit hoch dosiertem Methylprednisolon oder IL-1-Blockern wie Anakinra eskalieren. Zudem ist es wichtig, die Patient:innen auf Anfälle und ein Hirnödem zu überwachen und ggf. prophylaktisch anfallssupprimierende Medikamente zu geben.
Eine weitere zwar seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Komplikation der CAR-T-Zell-Therapie ist das hämophagozytische Lymphohistiozytose-Syndrom (IEC-HS), welches sich zudem schlecht von einem schweren CRS abgrenzen lässt. Hat der Betroffene bereits eine Sequenz von IL-6-Hemmern und Steroiden erhalten und bessert sich die Situation nicht, kann nach Expert:innenmeinung mit Anakinra und dem JAK-Inhibitor Ruxolitinib eskaliert werden.
Impfungen und das Risiko sekundärer Tumoren
Es sei noch nicht gut untersucht, wie sich eine BCMA-gerichtete CAR-T-Zell-Therapie auf die humorale Immunantwort auswirkt, schreiben die Autor:innen. Eine Hypogammaglobulinämie werde jedoch häufig beobachtet und könne sechs bis zwölf Monate oder länger andauern. Lebendvakzinen empfehlen sie daher nicht. Impfungen gegen Influenza und RSV können individuell vor und nach der CAR-T-Zell-Therapie erfolgen.
Des Weiteren sollte ein altersgemäßes Krebsscreening durchgeführt werden. Bislang traten sehr wenige sekundäre Tumoren auf. Die Anzahl von T-Zell-Lymphomen mit positivem Transgen-Befund ist dabei noch nicht bekannt, die FDA und die EMA untersuchen dies jedoch aktuell.
Quelle:
Lin Y et al. Lancet Oncol 2024; DOI: 10.1016/S1470-2045(24)00094-9
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