Umdenken beim milden Asthma

ERS 2023 Manuela Arand

Drei Studien dienten als Basis für den Vergleich. Drei Studien dienten als Basis für den Vergleich. © Science Photo Library/PHANIE/BURGER

Mit ihrer Kurzleitlinie beziehen europäische Experten klar Stellung: Erwachsene mit leichtem Asthma sollen bevorzugt ICS/Formoterol bei Bedarf bekommen statt einer niedrig dosierten ICS-Dauertherapie.

Eine internationale Taskforce hat im Auftrag der European­ Respiratory Society (ERS) eine evidenzbasierte Empfehlung zur Bedarfstherapie beim leichten Asthma mit ICS**/Formoterol entwickelt. Prof. Dr. Richard Beasley, Medical Institute of New Zealand, Wellington, und Prof. Dr. Ioana­ Agache­, Transylvania University Brasov, die an der Leitlinie1 mitgewirkt haben, stellten die Details vor. 

Die Rationale hinter der Therapie mit der dualen Fixkombination: Der Broncho­dilatator bringt das Glukokortikoid huckepack mit, wann immer eine zunehmende Symptomatik Inflammation und ICS-Bedarf signalisiert. Dadurch wird verhindert, dass Patienten mit geringer ICS-Adhärenz eine SABA***-Monotherapie nutzen, was ein „beträchtliches Problem bei leichtem Asthma darstellt“, erklärte Prof. Beasley­. Zugleich reduziere man die ICS-Exposition. 

Für die Leitlinie hatten die Experten zwei Punkte zu klären: Erstens: Wie schlägt sich ICS/Formoterol bei Patienten mit leichtem Asthma im Vergleich zur ICS-Dauertherapie plus SABA bei Bedarf? Und zweitens: Wie sieht es beim Vergleich mit der reinen SABA-Bedarfstherapie aus? Im Fokus waren dabei kritische und klinisch relevante Endpunkte.

ICS/Formoterol bei Bedarf versus ICS-Dauertherapie plus SABA bei Bedarf

Für den Vergleich der beiden Behandlungskonzepte zogen die Autoren vier Studien mit mehr als 8.000 Teilnehmern heran. Die bei Bedarf inhalierte Fixkombination schnitt in allen kritischen Endpunkten mindestens ebenso gut, im Trend oft sogar besser ab als die Vergleichstherapie. Ein Beispiel: Bei schweren Exazerbationen betrug das relative Risiko 0,82 bei einem Konfidenzintervall von 0,64 bis 1,04. „Das schließt jeden möglichen Nutzen der ICS-Dauertherapie aus, lässt aber die Möglichkeit offen, dass ICS/Formoterol schwere Exazerbationen um ein Drittel reduziert“, kommentierte Prof. Beasley­. Ähnliche Resultate fanden sich im Hinblick auf Hospitalisierungen und Notfallvisiten

Hinsichtlich der Asthmakontrolle, Lungenfunktion, Lebensqualität und Nebenwirkungen gab es keine klinisch relevanten Unterschiede. Wohl aber bei der Steroid­exposition: Bei rein bedarfsgesteuerter Therapie lag die mittlere tägliche ICS-Dosis um 154 μg und damit um mehr als die Hälfte niedriger. „Wir sehen also eine mögliche Reduktion schwerer Exazerbationen, obwohl die Patienten eine um mehr als 50 % geringere ICS-Dosis nahmen“, so Prof. Beasley­. 

Im Konsens mit GINA

Die ERS-Empfehlung steht im Einklang mit dem GINA-Report. Dieser sieht schon seit einigen Jahren ICS/Formoterol als bevorzugte Bedarfsmedikation auf allen Stufen vor und möchte SABA so weit wie möglich verbannt sehen.

www.ginasthma.org

Neun von zehn Patienten wollten bei Fixkombi bleiben

Dies lege nahe, dass bei mildem Asthma das Timing der ICS-Applikation wichtiger ist als die Tagesdosis. Der Kollege wies außerdem darauf hin, dass es eine starke Patientenpräferenz für die Bedarfsstrategie gibt – in Studien wollten neun von zehn Patienten, die sie probiert hatten, so weiterbehandelt werden. 
Die ERS-Experten leiteten daraus die Empfehlung ab, Erwachsenen mit leichtem Asthma bevorzugt die Bedarfstherapie als Fixkombination in einem einzigen Inhalator anzubieten. Die geringere ICS-Dosis und der mögliche klinische Nutzen fallen dabei stärker ins Gewicht als die geringen, klinisch nicht relevanten Verbesserungen bei Lebensqualität und Asthmakontrolle unter ICS plus SABA.

ICS/Formoterol versus SABA mono bei Bedarf

Drei Studien dienten als Basis für den Vergleich, berichtete Prof. Agache­. In ihnen schneidet – wenig überraschend – die Fixkombi durchweg besser ab als der kurz wirksame Bronchodilatator: Sie halbierte die Zahl schwerer Exazerbationen, verringerte Notaufnahmebesuche auf ein Viertel und verbesserte Asthma­kontrolle und Lebensqualität. Außerdem brauchten die Patienten im Jahr durchschnittlich 10 mg orale Steroide weniger, bedingt wohl durch die geringere Exazerbationslast. „Das Nebenwirkungsrisiko unter der Kombination ist als trivial einzuschätzen und die höheren Arzneimittelkosten werden durch die vermiedenen Exazerbationen mehr als aufgewogen“, betonte die rumänische Pneumologin. Sie empfahl, den Patienten, die von SABA mono auf die ICS/Formoterol-Bedarfstherapie umgestellt werden sollen, genau zu erklären, was sie bekommen und warum. Dies könne Irritationen und Adhärenzprobleme vermeiden. SABA in Monotherapie hat viele unerwünschte Effekte und steigert bei Übergebrauch sogar das Sterberisiko, erinnerte Prof. Beasley­. „Die Mechanismen dahinter sind gut untersucht und plausibel.“ 

Empfehlungen in manchen Ländern nicht umsetzbar

Ein Kollege aus dem Auditorium wollte wissen, wann es Zeit wird, von ICS/Formoterol bei Bedarf auf eine Dauertherapie umzustellen. Dies hängt von der Zulassung im jeweiligen Land ab, meinte Prof. Beasley­. Grundsätzlich empfahl er aber, die Indikation zur Dauertherapie genauso zu stellen wie bisher, nämlich von der benötigten Anzahl Hübe pro Tag abhängig zu machen.

„Der Taskforce ist klar, dass die Empfehlung schwer umzusetzen sein wird in Ländern, in denen ICS/Formoterol als Bedarfstherapie für leichtes Asthma keine Zulassung hat“, so der neuseeländische Kollege abschließend. In mehr als 40 Ländern besteht die Zulassung bereits, nicht aber in Deutschland und einigen anderen EU-Ländern. Ein Regress scheint zwar unwahrscheinlich, da sogar die Nationale VersorgungsLeitlinie ICS/Formoterol­ bei Bedarf empfiehlt. Für Prof. Dr. Guy Brusselle­, Universität Rotterdam, ist die Situation trotzdem unhaltbar: Es mache keinen Sinn, „exzellente“ Leitlinien zu schreiben, die nicht propagiert werden dürfen, weil sie zum Off-Label-Gebrauch auffordern. Er appellierte an nationale und internationale Fachgesellschaften, sich für die Zulassung starkzu­machen.

Quellen:
1. Papi A et al. Eur Respir J 2023; DOI: 10.1183/13993003.00047-2023
ERS* 2023

* European Respiratory Society
** inhaled corticosteroids
*** short acting beta2-agonists

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Drei Studien dienten als Basis für den Vergleich. Drei Studien dienten als Basis für den Vergleich. © Science Photo Library/PHANIE/BURGER