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Unterzuckert ohne Diabetes

Eine eindeutige Hypoglykämie besteht, wenn der Plasmaglukosespiegel unter 54 mg/dl sinkt. Bei Verdacht auf eine nicht-diabetische Hypoglykämie ist zunächst zu klären, ob der Betreffende womöglich Medikamente einnimmt, die eine Unterzuckerung fördern (s. Kasten), oder ob er zu viel Alkohol trinkt. Außerdem sind ein Nährstoffmangel und größere viszerale Operationen an Magen oder Darm anamnestisch auszuschließen.
Liefern Befragung und körperliche Untersuchung keine plausible Erklärung für die Hypoglykämie, ist ein mehrtägiger stationärer Fastentest indiziert. Mit ihm lässt sich klären, ob ein endo- oder aber ein exogener Hyperinsulinismus vorliegt, erläutert das Autorenteam um Carolina Rueda Romeroa von der Uniklinik Lausanne.
Stationäre Aufnahme für bis zu 72 h erforderlich
Für diesen Test kommt der Patient nüchtern ins Krankenhaus, die letzte Mahlzeit sollte er am Vorabend zu sich genommen haben. Die Beobachtung wird beendet, sobald starke Hypoglykämiesymptome auftreten, spätestens aber nach 72 Stunden. Mithilfe des Fastentests lässt sich ein Bruch der hormonellen Gegenregulation mit nachfolgender Unterzuckerung feststellen, erklären die Autoren.
Häufigste Ursache eines endogenen Hyperinsulinismus ist ein Insulinom. Bei diesem Tumor proliferieren Betazellen, was zur erhöhten Freisetzung von Insulin führt. In 90 % der Fälle ist die Geschwulst gutartig. Therapie der Wahl ist die Resektion, alternativ und in Abhängigkeit von der Größe des Tumors kommt zunehmend die Radiofrequenzablation zum Einsatz. Ist eine Operation nicht möglich, kann man mit Diazoxid oder Octreotid behandeln.
Sind’s vielleicht die Medikamente?
Bei Verdacht auf eine nicht-diabetische Hypoglykämie sollte stets die Einnahme von Medikamenten durch den Patienten oder Familienmitglieder abgefragt werden. Eine Hypoglykämie auslösen können beispielsweise:
- ACE-Hemmer und Betablocker
- Chinin und Pentamidin
- Cotrimoxazol
- Indometacin
- Insulin und Insulinsekretagoga (z.B. Sulfonylharnstoffe, Glinide)
Erhöhte Insulin- und C-Peptid-Spiegel lassen sich mitunter durch die eigenmächtige und heimliche Einnahme von Sulfonylharnstoffen erklären, weshalb zusätzlich deren Blutkonzentration ermittelt werden sollte. Hyperinsulinismus in Verbindung mit nicht-messbarem C-Peptid kann auf exogene Insulinzufuhr hinweisen. Auch eine autoimmune Ursache kommt in Betracht. Dabei lösen Antikörper gegen Insulin oder dessen Rezeptor abwechselnd Über- und Unterzuckerungen aus. Häufig treten dann nächtliche Hypoglykämien auf.
Vermag die Fastenprüfung die Hypoglykämie nicht zu erklären, kann ein Mahlzeitentoleranztest Klarheit bringen. Vor dem Verzehr eines standardisierten Gerichts sowie alle 30 Minuten über insgesamt fünf Stunden wird venöses Blut zur Kontrolle von Glukose-, Insulin- und C-Peptid-Wert genommen. So lässt sich eine übermäßige Insulinantwort erkennen.
Die Bedeutung der nicht-diabetischen Hypoglykämie erläutern die Autoren anhand einer Kasuistik: Ein 30-jähriger, gesund erscheinender Mann kommt zur Kontrolle in die Hausarztpraxis. Am zurückliegenden Wochenende hatte er daheim einen akuten Verwirrtheitszustand mit Sprachstörungen, Agitiertheit und aggressivem Verhalten. Seine Lebensgefährtin vermutete eine Unterzuckerung und gab ihm etwas zu essen. Bei Ankunft der Sanitäter hatte sich der Zustand des jungen Mannes bereits normalisiert, der Wert für den Kapillarblutzucker betrug 70 mg/dl.
Ein halbes Jahr zuvor war bereits Ähnliches passiert
Die hausärztliche Untersuchung ergab mit 74 mg/dl einen Nüchternblutzucker im Normbereich, auch der HbA1c-Wert war mit 4,6 % unauffällig. Wie der Patient seinem Arzt berichtete, hatte er bereits ein halbes Jahr zuvor wegen einer ähnlichen Episode mit Zittern und Sprachstörungen den Notdienst aufgesucht. Damals hatte der Kapillarblutzucker bei 34 mg/dl gelegen. Vorgeschichte und aktuelle Werte weckten den Verdacht auf eine nicht-diabetische Ursache der Symptome, der Fastentest bestätigte eine übermäßige Insulinsekretion. Die bildgebende Diagnostik förderte eine 2,2 cm große hypervaskuläre Läsion im Pankreaskörper zutage. Der Patient wurde mit einer laparoskopischen Enukleation des Insulinoms kurativ behandelt. In der endokrinologischen Nachbeobachtung ergaben sich keine Hinweise auf weitere Hypoglykämien.
Quelle: Romeroa CR et al. Swiss Med Forum 2022; 22: 630-633; DOI: 10.4414/smf.2022.08996
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