Vermaledeites Gluten: Zöliakie oder Sensitivität?

Dr. Barbara Kreutzkamp

Mehr als ein Darmleiden: dünner Zahnschmelz, Eisenmangel, Hautprobleme und Denkstörungen. Mehr als ein Darmleiden: dünner Zahnschmelz, Eisenmangel, Hautprobleme und Denkstörungen. © fotolia/Daniela Stärk

Aktuell gibt es in der Therapie glutenbedingter Symptome nur eine Option: eine Diät. Im Falle einer Zöliakie lebenslang, bei Glutensensitivität zeitlich limitiert. Beide Erkrankungen unterscheiden sich jedoch in ihrer Manifestation und Diagnose.

Überreaktionen gegen das Klebereiweiß aus Roggen, Gerste und Weizen nehmen immer mehr zu. Um Patienten mit diesen Leiden gezielter betreuen zu können, bietet sich die Unterscheidung in drei Diagnose­entitäten an: die Zöliakie, die Nichtzöliakie-Glutensensitivität und die überwiegend bei Kindern auftretende Weizenallergie. Ein Expertenteam unter Federführung von Dr. Maureen­ M. Leonard vom Center for Celiac Research & Treatment am MassGeneral Hospital for Children in Boston nahm die klinisch nur schwer unterscheidbaren Krankheitsbilder Zöliakie und Glutensensitivität unter die Lupe.

Unter Zöliakie versteht man eine durch Glutenpolypeptide induzierte, immunvermittelte Enteropathie. Betroffen sind Personen mit einem HLA-DQ2- und -DQ8-­Genotyp. Der zugrunde liegende Pathomechanismus der Glutensensitivität ist noch nicht geklärt, vermutlich spielen aber auch hier Immunvorgänge eine Rolle.

Klinisch manifestiert sich die Zöliakie in jedem Lebensalter. Typisch für Kinder unter drei Jahren sind Durchfälle und Gedeihstörungen, bei Älteren kommen außerdem potenziell Bauchschmerzen, Blähungen, Obstipation, abdominelle Schmerzen und Gewichtsverlust dazu. Neben den Lokalschäden an der Darmmukosa induzieren die chronischen intestinalen Entzündungsvorgänge im Laufe der Zeit auch Systemschäden: Kinder leiden oftmals unter gestörter Zahnschmelzbildung, ein Eisenmangel lässt sich bei 9 % der kleinen Patienten und 32 % der Erwachsenen nachweisen. Auch eine trockene oder ekzematöse Haut bzw. Psoriasis sind häufige Begleiterscheinungen. Ebenfalls kann es zu neurologischen und psychiatrischen Beschwerden kommen.

Bei Zöliakie-Verdacht anti-tTG messen und ggf. biopsieren

Die abdominelle Symptomatik und klinische Manifestation der Glutensensitivität ähnelt der einer Zöliakie. Viele Patienten berichten darüber hinaus während der Akut­phasen u.a. über ein Nachlassen ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit mit verlangsam-tem Denken und Gedächtnisproblemen, zusätzlich können Kopf-, Gelenk- sowie Muskelschmerzen, Fatigue, Depressionen, Dermatitiden oder eine Anämie auftreten.

Diagnostikum der Wahl bei Zöliakieverdacht ist die Bestimmung der Serum-IgA-Antikörper gegen die Gewebe-Transglutaminase (anti-tTG), erläutern die Experten. Die Abklärung des HLA-DQ-Genotyp erfolgt nur in Ausnahmefällen. Eine Dünndarmbiopsie mit Histologie sichert die Diagnose, kann bei Kindern mit sehr hohen anti-tTG-Titern aber entfallen.

Spezifische Biomarker zum Screening auf eine Glutensensitivität exis- tieren nicht. Berichtet der Patient über glutenassoziierte (extra-)gastrointestinale Symptome, kann man nach serologischer bzw. histologischer Abklärung eine einfachblinde Provokation anbieten: Der Patient muss sich dazu über drei Wochen glutenfrei ernähren und erhält in dieser Zeit vom Arzt verblindet eine Woche täglich etwa 8 g Gluten – das entspricht zwei Scheiben Brot –, gefolgt von einer Woche Pause und dann Placebo oder umgekehrt.

Lebenslang oder ein paar Jahre auf Bewährung

Therapie der Wahl beider Erkrankungen ist die strikte glutenfreie Ernährung – allerdings mit unterschiedlichen Zeitvorgaben. Während Zöliakiekranke um eine lebenslange, am besten vom Gastroenterologen überwachte Diät nicht herumkommen, kann bei Glutensensitivität nach ein bis zwei Jahren die Toleranz erneut getestet werden. In vielen Fällen ist der Spuk dann bereits vorbei.

In der Langzeitversorgung von Zöliakiepatienten sollten u.a. der Eisen-, Folat-, Vitamin-B12- und Vitamin-D-Status in einjährigen Abständen überprüft und das Auftreten von Komorbiditäten bzw. bei Kindern zusätzlich das Wachstum überwacht werden.

Die Autoren raten, alle sechs bis zwölf Monate die Autoantikörper zu messen, bis sie ein normales Level erreicht haben. Mithilfe der Serologie lassen sich Rückschlüsse auf die mukosale Heilung ziehen, eventuell ergänzt – vor allem bei Diät-refraktärer Symptomatik – durch eine intestinale Biopsie. Ergibt die Histologie dann eine trotz Kostumstellung weiter andauernde Mukosaschädigung, steht neben einer noch strikteren Obst-Gemüse-Fleisch-Diät die medikamentöse Behandlung mit Kortikosteroiden wie Budensonid zur Verfügung.

Quelle: Leonard MM et al. JAMA 2017; 318: 647-656

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