Verwirrspiel um Desorientierung

Maria Weiß

Neurologische Symptome können unter einer immunsuppressiven CAR-T-Zell-Therapie verwirrend und komplex sein. Neurologische Symptome können unter einer immunsuppressiven CAR-T-Zell-Therapie verwirrend und komplex sein. © iStock/koto_feja

Beim rezidivierenden B-Zell-Lymphom bietet die CAR-T-Zell-Therapie eine vielversprechende Option. Doch sie ist häufig mit schweren Nebenwirkungen verknüpft. Wie im Fall einer 49-Jährigen, bei der es bereits kurz nach der Behandlung zu ersten Auffälligkeiten kam.

Während der Morgenvisite zeigte sich eine zuvor kognitiv völlig unauffällige 49-Jährige plötzlich zeitlich und örtlich desorientiert. Sie sprach extrem langsam und hatte Schwierigkeiten, rückwärts zu zählen und zu schreiben. Andere neurologische Auffälligkeiten wie fokale Zeichen, Sehstörungen, Halluzinationen oder Krampfanfälle ließen sich nicht feststellen. Auch die Frage nach Kopfschmerzen, Übelkeit, Schmerzen, Husten oder Atemnot verneinte die Frau. Die weitere neurologische und körperliche Untersuchung blieb unauffällig, ihre Temperatur normal. Seit zwei Jahren litt die Patientin an einem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom, das trotz intensiver Immunchemotherapie bereits zweimal rezidivierte. Eine ZNS-Beteiligung war bisher nicht aufgetreten. Die Ärzte vermuteten eine akute Enzephalopathie als Reaktion auf eine CAR*-T-Zell-Therapie, die sie fünf Tage zuvor erhalten hatte. Weitere Differenzialdiagnosen konnten ausgeschlossen werden.

Neurologische Symptome sind komplex

24 Stunden nach der CAR-T-Zell-Infusion hatte die Patientin unter reduzierter Neutrophilenzahl Fieber entwickelt – ohne weitere Symptome. Die Ärzte tippten auf ein Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS), das gut auf Paracetamol und Tocilizumab ansprach. Der Verlauf legte ein therapiebedingtes Neurotoxizitätssyndrom nahe, da dieses sich häufig durch ein CRS ankündigt, schreiben Dr. Anne Spanjaart von der Hämatologie am Cancer Center Amsterdam. Nach 48 Stunden war das Fieber abgeklungen und die Frau bis zur Entwicklung der akuten Enzephalopathiesymptome stabil gewesen.

Sofort erhielt die Patientin 10 mg Dexamethason. Rasch bildeten sich die Symptome zurück. Zwölf Stunden später traten sie allerdings erneut aufzuzüglich Bewusstseinstrübung. Das zerebrale MRT blieb unauffällig. Auf eine höhere Dexamethason-Dosis (4 x 10 mg über 2,5 Tage) sprach die Patientin erneut prompt an und ihr mentaler Zustand normalisierte sich.

Nachdem auch eine im Verlauf aufgetretene glukokortikoidassoziierte Psychose mit akustischen Halluzinationen und Agitiertheit erfolgreich behandelt worden war, konnte die Patientin 27 Tage nach der CAR-T-Infusion entlassen werden. Ihr Leidensweg war damit aber nicht zu Ende: Zwei Wochen später kehrte sie wegen erneuter Desorientierung mit Gedächtnisstörungen zurück.

Wegen HHV-Infektion für drei weitere Monate auf Station

Durch den großen zeitlichen Abstand zur Infusion erschien eine weitere Enzephalopathie-Episode eher unwahrscheinlich. Basierend auf den neuen MRT-Befunden vermuteten die Kollegen jetzt eine Enzephalitis des limbischen Systems. Als Ursache erwiesen sich humane Herpesviren 6, die mittels PCR im Liquor nachgewiesen werden konnten. Nach dreiwöchiger antiviraler Therapie und drei Monaten auf Station war die Patientin wieder orientiert, zeigte aber immer noch Gedächtnisstörungen und wurde in die Reha entlassen.

Der Fall mache deutlich, wie verwirrend und komplex neurologische Symptome unter einer immunsuppressiven CAR-T-Zell-Therapie sein können. Dies gelte vor allem, wenn verschiedene Ursachen zusammenkommen, die alle eine andere Therapiestrategie erfordern, schließen die Autoren.

* chimeric antigen receptor

Quelle: Spanjaart AM et al. N Engl J Med 2022; 386: 80-87; DOI: 10.1056/NEJMcps2114818

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