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Verzichtbares Schlaflabor: ambulante Polygraphie müsste finanziell aufgewertet werden

Die Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin sieht den Schwellenwert des Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) für eine moderate obstruktive Schlafapnoe (OSA) bei 15/h. Der Schweizer Populationsstudie HypnoLaus zufolge erfüllt jede vierte Frau und jeder zweiten Mann zwischen 45 und 85 Jahren dieses Kriterium.¹
AHI-Werte individuell interpretieren
„Haben wir mit dem AHI-Grenzwert von 15 jahrelang viel zu viele Menschen krank gemacht?“, fragte sich Privatdozent Dr. Georg Nilius. Er plädierte dafür, differenziert vorzugehen, Patientencharakteristika und Prätestwahrscheinlichkeit zu berücksichtigen. „Ein AHI von 17 hat bei einem Patienten, der schon zwei Schlaganfälle hinter sich hat, eine ganz andere Bedeutung als bei einem Gesunden ohne Tagesschläfrigkeit“, betonte der Chef der Pneumologie an den Kliniken Essen-Mitte.
Ein strukturiertes Prozedere könnte so aussehen: An erster Stelle sollte wie immer eine gründliche Anamnese stehen, um die Prätestwahrscheinlichkeit einer OSA auszuloten. Dazu gehört nicht nur die Frage nach Schnarchen, nächtlichen Atemaussetzern und Müdigkeit am Tag, sondern auch nach Symptomen, die durch die OSA ausgelöst werden können: nächtliches Herzrasen, Kopfschmerzen am Morgen, unerklärlicher Nachtschweiß oder Gedächtnisstörungen.
Eine CPAP-Therapie lässt sich nicht mal nebenbei einleiten
Bei Risikogruppen sollte dann eine Polysomnographie (PSG) folgen. Zu diesen zählen Hypertoniker, bei denen das nächtliche Dipping ausbleibt, Typ-2-Diabetiker sowie Patienten mit tachykarden Rhythmusstörungen oder solche nach Schlaganfall. Menschen, für deren Berufsausübung die OSA ein besonderes Risiko darstellt wie etwa bei Busfahrern oder Piloten, sind Kandidaten für ein OSA-Screening.
Seit gut einem Jahr ist klar, dass beileibe nicht jeder Patient mit Verdacht auf eine obstruktive Schlafapnoe zur Abklärung ins Schlaflabor gehört. Es geht auch weniger aufwendig, wie spanische Kollegen in einer randomisierten kontrollierten Studie mit 430 Patienten zeigen konnten.² Ob die Patienten eine CPAP-Maske brauchten oder nicht und wie diese gegebenenfalls einzustellen war, ließ sich gemessen an Blutdruckeffekten, Lebensqualität und Tagesschläfrigkeit bei Studienende mit respiratorischer Polygraphie (PG) zu Hause ebenso gut ermitteln wie mit der viel aufwendigeren PSG. Nur kostete die Heimtestung nicht einmal halb so viel wie die Polysomnograpie.
Ambulante Polygraphie als Zuschussgeschäft
Im begleitenden Editorial hieß es lapidar, die Diskussion sei nun beendet, die Polygraphie als zuverlässige kostensparende Diagnostikoption für die OSA bestätigt – wenn auch mit Einschränkungen.³ Die Aussage gilt für Patienten ohne gravierende Begleiterkrankungen der Lunge, des Herzens oder des neuromuskulären Apparates, heißt es. Sind solche Krankheiten vorhanden, benötigt man weiterhin die Polysomnographie. Gleiches gilt, wenn ein Patient ausgeprägte Symptome zeigt und die PG keine Erklärung dafür liefert.
„Es wird schwer sein, diese Ergebnisse auf deutsche Verhältnisse zu übertragen“, räumte Dr. Nilius ein. „Die ambulante Polygraphie ist in unserem System überhaupt nicht abgebildet.“
Ohne intensive Betreuung kein Therapieerfolg
Das bedeutet: Die Patienten müssen ins Schlaflabor, weil nur da suffiziente Erlöse zu erzielen sind, um den Behandlungsaufwand zu finanzieren. Eine CPAP-Therapie lässt sich nun einmal nicht nebenbei im Praxisalltag einleiten, betonte der Kollege.
Damit die Behandlung fruchtet, ist aus seiner Sicht eine intensive Betreuung erforderlich. Sonst resultieren Ergebnisse wie in der SAVE-Studie. Darin zeigte die CPAP keinen Effekt auf die Mortalität, weil die Patienten die Maske im Schnitt nur etwas mehr als drei Stunden pro Nacht trugen.
Quellen: 8. Kongress der Westdeutschen Gesellschaft für Pneumologie (WDGP) und der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Schlafmedizin (NRW-GSM)
¹ Heinzer R et al. Lancet Respir Med 2015; 3: 310-318
² Corral J et al. AJRCCM 2017; 196: 1181-1190
³ Chai-Coetzer CL et al. AJRCCM 2017; 196: 1096-1097
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