Vielfalt statt Qual der Wahl

Dr. Susanne Gallus

Bei Arzneimitteln auch den therapeutischen Nutzen im Blick haben. Bei Arzneimitteln auch den therapeutischen Nutzen im Blick haben. © sakai2132000 – stock.adobe.com

Antikörper gegen verschiedene Th2-Interleukine und JAK-Inhibitoren, die eine oder gleich mehrere Januskinasen hemmen: Das therapeutische Spektrum bei atopischer Dermatitis wird zunehmend größer. Wie findet man sich darin zurecht?

Je besser man die atopische Dermatitis auf zellulärer Ebene zu verstehen lernt, desto mehr Ansatzpunkte ergeben sich für neue Therapien mit Biologika und Small Molecules. „Es gibt Zytokine, die ganz besonders assoziiert sind zu der Entzündung beim atopischen Ekzem“, erklärt Prof. Dr. Tilo Biedermann von der Hautklinik Campus Biederstein, Ludwig-Maximilians-Universität München. Dazu gehören z.B. Il-13, IL-4 und das „Juckreizzytokin“ IL-31­. „Die kann man blockieren und dann passiert in der Zelle sozusagen nichts Weiteres.“

Ziel der Therapeutika sind entweder die Zytokine selbst oder ihre Rezeptoren, was dem Wirkmechanismus der AD-Biologika entspricht, oder die Signalweitergabe von den Interleukin-Rezeptoren innerhalb der Zelle – der Ansatzpunkt der JAK-Inhibitoren. Insbesondere Letztere haben dadurch den deutlichen Vorteil, dass ein blockiertes Molekül gleich mehrere Signalwege unterbrechen kann. „Aber es kann auch ein Nachteil sein, weil man Wirkungen erzielt, die man vielleicht gar nicht unbedingt erzielen möchte“, gibt Prof. Biedermann zu bedenken. „Haben wir jetzt eine ‚Qual der Wahl‘ oder ist es eine Chance? Was bedeutet das für die Umsetzung? Können wir uns das leisten? Dürfen wir alles (einsetzen)?“

Eignungskriterien einfacher definiert als bei Psoriasis

„Es sind zugelassene Medikamente“, betonte sein Kollege Dr. Ralph von Kiedrowski. Eigentlich sei die Therapie nichts Besonderes, sondern mittlerweile Standard. „Wir sind ein immunologisches Fach, die Haut ist ein immunologisches Organ und das gehört entsprechend behandelt“, lautete das Statement des niedergelassenen Dermatologen aus Selters.

Bei atopischer Dermatitis sei eine solche Therapie sogar fast einfacher als bei Psoriasis, dank der Einstiegskriterien aus der Checkliste, die es mittlerweile auch in die Leitlinie geschafft hat. Unter Punkt 2 „Klinische Eignungskriterien für eine Systemtherapie“ muss jeweils einem der Kriterien zu Schweregrad, subjektiver Belastung und fehlendem lokalen Ansprechen zugestimmt werden können. „Damit haben Sie Indikationsstellung und Dokumentation“, so Dr. von Kiedrowski. Es fehlen dann noch Nebenwirkungs- und Labormanagement und die Dokumentation der Therapieziele (z.B. über den Atopic Dermatitis Control Test oder NETT). So kann das Ansprechen im Verlauf einer Behandlung festgehalten werden und damit sowohl Wirkung bzw. Rechtfertigung der Verordnung.

Versorgung wird verträglicher

Zum besseren Management der AD-Patienten tragen auch die Kassenverträge bei, die es derzeit mit elf großen Anbietern gibt. „Das hört sich wenig an, aber über diese elf Krankenkassen sind 32,9 Mio. Patienten versichert, also 45 % aller GKV-Versicherten“, so Dr. von Kiedrowski. Der neu ausgehandelte Vertrag mit dem Namen DermaOne bedeute eine echte Versorgungsverbesserung: Sowohl Patienten mit atopischer Dermatitis als auch mit Psoriasis können in diesen eingeschlossen werden. „Und zwar alle. Nicht nur die, die in irgendeiner Einstellungs- oder Umstellungsphase sind“, sagte der BVDD Präsident. Natürlich spiele dort auch das Management von Arzneimitteln eine Rolle, aber es gebe keine Dokumentationsabgabe mehr an die Kasse, keine Begrenzung des Vertrages auf eine bestimmte Anzahl von Quartalen und nach wie vor habe man mit Verordnungen innerhalb dieses Vertrages eine Regressprophylaxe. „Wenn sie mit einem Medikament aus dem Bereich der Fokusarzneimittel versorgen, dann wird ihnen dort ein 50 % erniedrigter Lauer-Taxe-Preis auf ihre Arzneimittelbudgets angerechnet. Wenn man dann sieht, dass manche KV-Bereiche sogar Arzneimittelbudgets haben, die nach ATC-Code einige tausend Euro für Biologika oder JAK-Inhibitoren haben, dann würden Sie mit einer solchen Therapie sogar ihr Budget aufstocken.“

Natürlich spielen Kosten eine Rolle“, betonte Dr. von Kiedrowski, und Arzneimittel sind diesbezüglich ohne Frage ein großer Faktor. „Aber es ist immer zu kurz geschaut, wenn wir Arzneimittel nur mit den Kosten berücksichtigten und nicht den therapeutischen Nutzen, die Beeinflussung von Komorbidität oder auch die Weiterentwicklung dieser chronischen Entzündungskaskade sehen.“ Außerdem sollte man Arbeitslosigkeit, Frühberentung, weitere Komorbiditäten und deren teure Behandlung in diesem Zusammenhang nicht vergessen, schloss der Experte. Komorbiditäten können gleichzeitig bei der Wahl der Systemtherapie entscheidend sein, fügte Prof. Biedermann hinzu. Durch die verschiedenen Therapeutika biete sich die Chance, für jeden Patienten das Passende herauszusuchen. Bei der AD unterscheidet man u.a. zwischen atopischen und den nicht-atopischen Begleiterkrankungen. Auf die Atopischen (allergische Rhinokonjunktivitis, Asthma bronchiale, chronische Sinusitis mit Nasenpolypen etc.) hätte z.B. ein Biologikum wie Dupilumab zusätzlich positive Effekte. Dabei darf man nur nicht vergessen, dass diese bei Absetzen oder einem Auslassversuch verloren gehen und sich evtl. derZustand des Patienten diesbezüglich verschlechtert.

Indikation Systemtherapie

Indiziert ist die Systemtherapie generell nur bei moderater bis schwerer Erkrankung. Substituieren lässt sich laut Prof. Biedermann u.U. bei besonders stark belasteter Lebensqualität, „wenn man es entsprechend erfasst“. Ein echtes Upgrading wie bei der Psoriasis hinsichtlich bestimmter Problemlokalisationen gibt es für die AD aber (noch) nicht.

Bei nicht-atopischen Komorbiditäten kommt es ganz auf die Entität an: JAK-Inhibitoren punkten z.B. durch den schnellen Wirkeintritt bei Patienten mit neuropsychia­trischer Komorbidität aufgrund des Juckreizes. Außerdem riskiert man bei Patienten mit zusätzlicher Autoimmunerkrankung wie Crohn oder Colitis keine Krankheitsverschlechterung (Absprache mit dem Gastroenterologen!). Ähnlich sieht die Situation für eine parallel vorhandene Psoriasis oder ein seborrhoisches Ekzem aus, oder wenn die Situation vielleicht nicht ganz zu klären ist. „Dann ist auch ein JAK-Inhibitor sicher die bessere Wahl, weil wir wissen, dass sich diese Erkrankungen unter Dupilumab verschlechtern“, so Prof. Biedermann.

Vorsicht, JAK-Inhibitoren erhöhen das Infektionsrisiko!

Neigt der Patient dagegen zu Infektionen, sollte die Wahl lieber auf ein Biologikum fallen, da eine JAK-Inhibition das Infektionsrisiko generell erhöht. Auch bei pädiatrischen AD-Patienten scheint genaues Abwägen empfehlenswert, da die Erfahrung hinsichtlich der JAK-Inhibitoren in diesem Alter bisher noch relativ gering ist.

Kongressbericht: Dermatologie kompakt & praxisnah

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Bei Arzneimitteln auch den therapeutischen Nutzen im Blick haben. Bei Arzneimitteln auch den therapeutischen Nutzen im Blick haben. © sakai2132000 – stock.adobe.com