Was lässt sich gegen die Barrieredysfunktion tun?

Dr. Anja Braunwarth

Wer schon früh mit der Therapie der atopischen Dermatitis anfängt (links), kann mögliche Folgesensibilisierungen durch die gestörte Hautbarriere verhindern. Dabei scheint weiße Vaseline (rechts) eines der wenigen Topika zu sein, das laut Prof. Brehler, sicher die Hautbarriere unterstützt. Wer schon früh mit der Therapie der atopischen Dermatitis anfängt (links), kann mögliche Folgesensibilisierungen durch die gestörte Hautbarriere verhindern. Dabei scheint weiße Vaseline (rechts) eines der wenigen Topika zu sein, das laut Prof. Brehler, sicher die Hautbarriere unterstützt. © iStock/Kwangmoozaa, Kameleon007

Die gestörte Hautbarriere ist der entscheidende Faktor bei Neurodermitis. Auf sie konzentrieren sich daher sowohl topische als auch systemische Ansätze. Und je früher man mit der Therapie beginnt, umso besser.

Erste Hinweise auf eine gestörte Barrierefunktion bei Patienten mit Neurodermitis fanden sich Ende der 1980er Jahre, allerdings nicht in der Dermatologie, sondern im Zuge der Ursachenforschung zu Zöliakie und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Heute weiß man, dass viele Erkrankungen mit einer gestörten Barrierefunktion einhergehen. Neben der Neurodermitis nannte Professor Dr. Randolf­ Brehler von der Klinik für Hautkrankheiten am Universitäts­klinikum Münster die eosinophile Ösophagitis, das Asthma, die allergische Rhinokonjunktivitis und die chronische Rhinosinusitis.

Pathophysiologisch spielt sich an der Haut Folgendes ab: Die durchlässige Barriere führt zur mikrobiellen Dysbiose, es kommt zur Translokation von Bakterien in intra- und sub­epitheliale Schichten und dadurch zur Mikroinflammation. Es handelt sich dabei um eine Typ-2-Inflammation, charakterisiert durch Typ-2-Zytokine (Interleukin 4, 5, 13) und eine IgE-bedingte Mediatorfreisetzung. IL-4 und IL-13 spielen unter den Zytokinen die größte Rolle.

Klinisch spiegelt das Ekzem den kutanen Barriereschaden wider. Durch die lädierte Haut können dann zudem Allergene eindringen und zu einer kutanen Sensibilisierung führen. „Das lässt sich allerdings durch orale Exposition mit den Allergenen verhindern“, betonte Prof. Brehler.

Auf der ersten Behandlungsstufe steht neben dem Meiden von Triggerfaktoren die topische Basistherapie. Die frühe Behandlung zielt darauf ab, die Barriere wiederherzustellen und damit Sensibilisierung und Entzündung zu verhindern.

Welche Externa könnten die Barrierestörung verhindern?

Prophylaktisch kann man dagegen wohl wenig ausrichten, wie zwei Studien zeigten. In BEEP wurden 1.394 Risikokinder randomisiert, im ersten Lebensjahr nur mit einer Standardhautpflege oder Diprobase-Creme bzw. Double Base Gel on top behandelt. In der Häufigkeit einer atopischen Dermatitis (AD) im zweiten Lebensjahr fand sich kein Unterschied.

In PreventALL teilte man 2.397 Neugeborene aus der Allgemeinbevölkerung in vier Behandlungsarme ein: eine Kontrollgruppe ohne besondere Maßnahmen, ein Kollektiv, dem man ab der zweiten Lebenswoche Emollienzien applizierte, eine Gruppe, die zwischen der 12. und 16. Lebenswoche bereits Erdnuss, Kuhmilch, Weizen und Hühnerei zugefüttert bekam und eine, die beide Interventionen erhielt. Im 12. Lebensmonat zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit einer AD.

Trotzdem will man den Gedanken einer präventiven Basistherapie nicht ganz verlassen. „Wir wissen aber noch nicht, welche Externa die Hautbarriere regulieren, wo das ‚Window of Opportunity‘ liegt, ob sich anti-inflammatorische Substanzen womöglich auszahlen und welche Fettbestandteile – pflanzlich oder erdölbasiert – die besseren sind“, erklärte Prof. Brehler. Leider existiert auch kein Marker, der Auskunft über den genauen Zustand der Hautbarriere gibt. Vaselinum album scheint auf jeden Fall günstige Effekte zu haben. Es erhöhte in einer Untersuchung die Dicke des Stratum corneums und steigerte die Expression von Filaggrin und Loricrin. Darüber hinaus normalisierte es die epitheliale Zelldifferenzierung und besserte die Hautbarriere.

Auf Topika mit potenziellen Allergenen verzichten

Vermeiden sollte man generell Nahrungsmittelproteine in Externa, z.B. aus Weizen oder der Erdnuss. Vom früher beliebten Kleopatrabad aus Milch und Olivenöl riet der Dermatologe ebenfalls dringend ab: „Das scheint eine gute Idee, um Kinder allergisch gegen Milch zu machen.“

In späteren Stadien der AD steht das Ausbremsen der Entzündung im Vordergrund. Bei leichten Ekzemen (SCORing Atopic Dermatitis, SCORAD < 25) kommen in Stufe zwei des Therapieschemas zusätzlich niedrig potente topische Steroide (TCS) und/oder topische Calcineurininhibitoren (TCI) ins Spiel.

Stufe 3 für moderate Ekzeme (SCORAD 25–50) sieht höher potente TCS und/oder TCI vor. Prof. Brehler unterstrich noch einmal die Bedeutung der proaktiven Therapie mit Topika. Auf Dauer reduziert sie den Salbenverbrauch der Patienten bei besserer Ekzemkontrolle.

Persistierende Ekzeme und solche, die nicht ausreichend auf Externa ansprechen mit einem SCORAD über 50, verlangen in Stufe 4 zusätzlich eine systemische Therapie. Dafür infrage kommen z.B. Ciclosporin, die Antikörper Dupilumab und Tralokinumab sowie die Januskinaseinhibitoren Baricitinib und Upadacitinib, die eine Signalweiterleitung von Schlüsselzytokinen blockieren.

Dupilumab, das die IL-4-/IL-13-Signalwege ins Visier nimmt, steigert in geschädigter Haut die Hydratation und vermindert den transepidermalen Wasserverlust, dadurch normalisiert sich das Hautmikrobiom. Unter Tralokinumab, das sich selektiv gegen IL-13 richtet, normalisiert sich die Expression hautbarriereassoziierter Gene. In den Zulassungsstudien besserte der Antikörper die Ekzemschwere in den EASI-Scores nach 16 Wochen signifikant.

Was die Gruppe der Januskinase-Inhibitoren angeht, vermutete Prof. Brehler, dass sie in absehbarer Zukunft auch als Topika zur Verfügung stehen werden. Außerdem erwartet er über kurz oder lang die Einführung von Antikörpern gegen Thymic Stromal Lymphopoietin (TSLP), ein Zytokin, das eine Rolle in der Entwicklung der Typ-2-Inflammation spielt.

Kongressbericht: Allergologie im Kloster 2021

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Wer schon früh mit der Therapie der atopischen Dermatitis anfängt (links), kann mögliche Folgesensibilisierungen durch die gestörte Hautbarriere verhindern. Dabei scheint weiße Vaseline (rechts) eines der wenigen Topika zu sein, das laut Prof. Brehler, sicher die Hautbarriere unterstützt. Wer schon früh mit der Therapie der atopischen Dermatitis anfängt (links), kann mögliche Folgesensibilisierungen durch die gestörte Hautbarriere verhindern. Dabei scheint weiße Vaseline (rechts) eines der wenigen Topika zu sein, das laut Prof. Brehler, sicher die Hautbarriere unterstützt. © iStock/Kwangmoozaa, Kameleon007