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Wann switchen, wann eskalieren und wann loslassen?

Im Progress können wir massive Schwierigkeiten haben, die Patienten mit pulmonaler Hypertonie richtig zu managen“, sagte Prof. Dr. Horst Olschewski, Chef der Pneumologie am Universitätsklinikum Graz. Als Beispiel führte er eine 39-jährige Patientin an, die seit zwei Jahren wegen einer idiopathischen pulmonalarteriellen Hypertonie (IPAH) behandelt wurde. Anfangs lief es bei ihr unter der oralen Kombitherapie mit Tadalafil und Ambrisentan recht gut: Binnen sechs Monaten stieg die 6-Minuten-Gehstrecke (6MWD) von 319 auf 480 m, die WHO-Funktionsklasse verbesserte sich von III auf II, das NT-proBNP sank von 2800 ng/l auf 800 ng/l.
Cardiac Index unter der Therapie abgesunken
Doch dann vergingen zwei Jahre, bis sich die Patientin erneut bei ihren Ärzten vorstellte – mit deutlich verschlechterten Befunden. Die 6MWD lag nur noch bei 360 m, die WHO-Funktionsklasse war wieder auf III, das NT-proBNP auf 1300 ng/l angestiegen. Pulmonalarterieller und rechtsatrialer Druck hatten sich zwar vermindert und der pulmonale Gefäßwiderstand betrug unverändert 11 Wood Units. Der Cardiac Index hatte sich jedoch weiter reduziert und lag bei 1,3 statt zuvor 1,5 l/min/m2. Die Frau berichtete, sie habe in den letzten Monaten 4 kg an Gewicht zugenommen und sei schneller müde und erschöpft.
Was nun? Weitermachen wie bisher? Eskalieren oder switchen auf den Stimulator der löslichen Guanylatzyklase Riociguat? Folgt man den Ergebnissen der Studie REPLACE hätte sich ein frühzeitiger Switch vom PDE5-Hemmer auf Riociguat klinisch sehr günstig auswirken können. Bei der Patientin wurde diese Chance jedoch vertan, da sie sich dem strukturierten Follow-up entzogen hatte. „Strukturiertes Follow-up ist ein Punkt, den man nicht genug betonen kann, darauf müssen wir achten“, mahnte Prof. Olschewski.
Im beschriebenen Fall half ein kurzer Blick auf die Prognose für die anstehende Therapieentscheidung weiter. Egal ob man das COMPERA-Register heranzog oder die Leitlinie der europäischen Kardiologen1 – das Ergebnis fiel eindeutig aus: Die Frau war gefährdet, innerhalb weniger Jahre zu sterben, wenn ihre Medikation unverändert blieb. Gemäß der aktuellen PAH-Leitlinie der European Society of Cardiology2 erschien bei ihr die zusätzliche Gabe eines Prostazyklin-Rezeptoragonisten dringend indiziert.
Bei der Prostanoidtherapie hat sich in den letzten Jahren einiges bewegt, aber sie bleibt oft aufwendig erklärte Prof. Olschewski. Entweder muss die Applikation i.v. oder s.c. über einen Hickman-Katheter oder eine Pumpe erfolgen (Epoprostenol und Treprostinil) oder der Patient hat sechs- bis neunmal täglich zu inhalieren (Iloprost). Nur Selexipag ist oral verfügbar, die Applikation erfolgt zweimal täglich. Jede dieser Optionen hat ihre Knackpunkte, sagte der Arzt, z.B. das aufwendige Handling, Schmerzen, Infektionen und Entzündungen am Injektionsort oder systemische Nebenwirkungen. Orales oder inhalatives Treprostinil, das mit der INCREASE-Studie kürzlich von sich reden gemacht hat, ist in Europa noch nicht verfügbar.
Mortalitätsrisiko nach COMPERA und ESC
Laut COMPERA-Register besteht ein niedriges Mortalitätsrisiko nur dann, wenn die folgenden drei Kriterien erfüllt sind:
- > 440 m im 6-Minuten-Gehtest
- WHO-Funktionsklasse I-II
- NT-proBNP < 300 ng/l
Mit jedem nicht erfüllten Kriterium steigt das Risiko. Patienten, die alle drei Kriterien reißen, sterben zu 50 % binnen vier Jahren.
Die European Society of Cardiology differenziert noch feiner. Sie zieht weitere Parameter heran – klinische Symptome, Bildgebung, Hämodynamik, kardiopulmonaler Belastungstest – und gibt als Ergebnis das Einjahressterberisiko in den drei Kategorien niedrig (< 5 %), intermediär (5–10 %) und hoch (> 10 %) aus.
Nur wenige Patienten erreichen Niedrigrisikostatus
Wer unter Zugabe eines Prostanoids den Niedrigrisikostatus erreicht, kann mit einer exzellenten Prognose rechnen. Doch leider schafft das nur eine Minderheit der Patienten, vor allem jene, die schon initial eine relativ günstige Prognose hatten.
Lehnt ein Patient die Therapieeskalation ab, kommt der Switch auf den Stimulator der löslichen Guanylatzyklase (sGC) Riociguat infrage oder der Einschluss in eine klinische Studie beispielsweise mit Sotatercept, das als vielversprechende neue Option gehandelt wird. Das Fusionsprotein wirkt als Ligandenfalle für Zytokine der TGF-beta-Superfamilie und soll die gestörte Balance zwischen pro- und antiproliferativen Signalwegen wieder ins Lot bringen. Die Phase-2-Studie PULSAR ist erfolgreich abgeschlossen, die Phase-3-Studie läuft und rekrutiert noch. Weitere Studien in Europa prüfen inhalative PDGF-Blocker, inhalatives Treprostinil und einen weiteren oralen Stimulator der sGC.
Natürlich gibt es Patienten, bei denen eine Eskalation keinen Sinn (mehr) ergibt, zum Beispiel weil hohes Lebensalter, Begleiterkrankungen oder Dominanz von Symptomen wie Schmerz und Luftnot dagegensprechen. Das muss man den Kranken und ihren Angehörigen klar kommunizieren und ihnen aufzeigen, welche Alternativen bleiben, so Prof. Olschewski – u.a. Rehabilitation, intensive psychosoziale und ggf. palliative Unterstützung. Auf jeden Fall entscheiden Patienten und Angehörige über den künftigen Weg mit – ihre Prioritäten machen den Unterschied.
1. Galiè N et al. Eur Heart J 2016: 37: 67-119; DOI: 10.1093/eurheartj/ehv317
2. Galiè N et al. Eur Heart J 2019; 53: 1801889; DOI: 10.1183/13993003.01889-2018.
Quelle: 62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
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