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Doch nicht so fix?

Die antihypertensive Therapie sollte mit einer Zweifachkombination begonnen werden, bevorzugt als single pill combination: So steht es in der aktuellen Leitlinie zum Management der arteriellen Hypertonie. Ob initial wirklich eine (Fix-)Kombination erforderlich ist, stellt Dr. Michael Zieschang vom Alicepark Nierenzentrum, Darmstadt, infrage. Der Kollege ist Hypertensiologe DHL (Deutsche Hochdruckliga) und Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Ihm zufolge ließ sich der erhoffte Adhärenz-Vorteil durch Fixkombis bislang nicht anhand klinisch bedeutsamer Endpunkte belegen.
Unstrittig ist: Patienten mit Hypertonie Grad II–IV brauchen i.d.R. mehr als ein Antihypertensivum. Und die Kombination blutdrucksenkender Wirkstoffe bringt mehr als die Dosissteigerung einzelner. Eine Metaanalyse von 42 Studien zeigte bereits im Jahr 2009, dass der Effekt auf den Blutdruck fünfmal größer ist, wenn man eine weitere Substanz hinzufügt, anstatt die Dosis eines Medikaments zu verdoppeln. Laut Dr. Zieschang spielt es allerdings keine Rolle, ob man sofort mit einer Mischung startet oder die einzelnen Präparate schrittweise ansetzt, z.B. mit vier- bis sechswöchigen Abständen. Eine derartige Intensivierung reiche für die gewünschte rasche Einstellung aus.
Studien halten der Betrachtung nicht stand
Die meisten Studien, die als Nachweis für den Erfolg einer initialen Kombinationstherapie herangezogen werden, halten einer genaueren Betrachtung offenbar nicht stand. Zwar ergab eine Auswertung von über 106.000 elektronischen Patientenakten einen Vorteil für fixe und freie Dosiskombinationen gegenüber einer Neueinstellung mit Monotherapie, was die Blutdruckkontrolle nach einem Jahr betraf. Dieser Analyse lagen aber weder randomisierte Gruppen noch standardisierte Untersuchungsprotokolle zugrunde.
Den Effekt einer rascheren RR-Senkung durch Medikamentenkombis auf harte Endpunkte soll u.a. die nachträgliche Auswertung der VALUE-Studie belegen: Ein schnelles Therapieansprechen nach einem Monat bzw. ein gut kontrollierter Blutdruck nach sechs Monaten ging mit weniger kardiovaskulären Ereignissen einher. Allerdings nahmen viele Vorbehandelte an der Studie teil und es wurde primär Valsartan mit Amlodipin (plus weiterer Medikation) verglichen. „Kann das initial gute Ansprechen nicht einfach diejenigen Patienten mit einer guten Prognose selektiert haben, die einfacher einzustellen waren?“, fragt sich Dr. Zieschang.
Mortalitätsvorteil durch Single Pill
Kommentar von Prof. Dr. Oliver Dörr, Universitätsklinikum Gießen, Nukleus-Mitglied der Arbeitsgruppe Arterielle Hypertonie der DGK
Der Einfluss einer effektiven Blutdruckkontrolle auf das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse – bereits in frühen Stadien der arteriellen Hypertonie – ist unbestritten. Hierbei wird der Erfolg der Blutdruckkontrolle durch die medikamentöse Adhärenz maßgeblich beeinflusst. Der Effekt der Adhärenz auf das Outcome hypertensiver Patienten konnte durch eine Vielzahl an Studien bestätigt werden.
Dr. Zieschang führt an, dass eine initiale Fixkombination einem stufenweise Auftitrieren zu einer Kombinationstherapie nicht überlegen ist und dieses Vorgehen nicht durch klinische Daten gegründet sei bzw. keine randomisierten Studien vorliegen, die einen Vorteil zeigen.
In dem Artikel fand allerdings z.B. eine verblindete, randomisierte Studie aus dem PATHWAY-Programm keine Berücksichtigung. In dieser Untersuchung konnte u.a. bestätigt werden, dass der Zielblutdruck durch eine initiale antihypertensive Fixkombination im Vergleich zu einer initialen Monotherapie (mit sequentieller Aufdosierung) früher und effektiver erreicht werden kann. Zusätzlich konnte in weiteren prospektiven Studien der Einfluss einer hohen Anzahl an unterschiedlichen Tabletten wie auch eines komplexen Therapieschemas auf die medikamentöse Adhärenz bestätigt werden.
Weiterhin fanden die Ergebnisse der START-Studie keine Beachtung, in der Real-World-Daten von insgesamt 1,38 Millionen Patienten aus dem Zeitraum 2013–2017 analysiert wurden. Für 29.668 Patienten mit initialer Single-Pill-Kombinationstherapie fand sich eine gematchte Kohorte von Patienten mit loser antihypertensiver Kombinationstherapie. Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen den Vorteil einer initialen Fixkombination hinsichtlich der medikamentösen Adhärenz, kardiovaskulärer Ereignisse und Hospitalisierung. Inbesondere ergab sich eine signifikante Reduktion der Gesamtmortalität gegenüber einer freien Kombinationstherapie.
Somit kann die aktuell geltende Leitlinienempfehlung einer initialen antihypertensiven Single-Pill-Fixkombination durchaus durch eine breite Datengrundlage gestützt werden. Obwohl es sicherlich unter dem Aspekt der Medikamentenunverträglichkeit Patienten gibt, bei denen ein „Austesten“ von antihypertensiven Substanzklassen sinnvoll ist, sollte (ausgenommen Patienten mit Grad-I Hypertonie und Patienten > 80 Jahre oder gebrechliche Patienten) die Bluthochdruckbehandlung mit einer Fixkombination begonnen werden.
Quellen beim Autor
Gegenwind bekommen die Befürworter einer sofortigen Wirkstoffkombi auch von der Cochrane Collaboration. In einem ihrer Reviews hielten die Experten fest, dass die Evidenz für ein solches Vorgehen nicht ausreicht. Keine herangezogene Untersuchung beschäftigte sich ausschließlich mit der Art des Therapiestarts (ein Präparat vs. mehrere) und dem daraus resultierenden Outcome, weshalb Subgruppen analysiert werden mussten. Letztlich zeigten sich keine signifikanten Unterschiede bei den relevanten klinischen Endpunkten.
Die Leitlinienempfehlung scheint insgesamt nicht gut begründet, lautet das Fazit von Dr. Zieschang. Zudem kann der Darmstädter Arzt den meist deutlich teureren Antihypertensiva-Fixkombinationen wenig abgewinnen.
Kosten antihypertensiver Kombi-Therapien (Auswahl) | ||
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Wirkstoffkombination | Kosten pro Tag für Fixkombination* | Kosten pro Tag für Monopräparate* |
Amlodipin 5 mg / Candesartan 8 mg | 0,26 | 0,13 + 0,19 = 0,32 |
Amlodipin 5 mg / Ramipril 5 mg | 0,29 | 0,13 + 0,14 = 0,27 |
Amlodipin 5 mg / Olmesartan 20 mg | 0,36 | 0,13 +0,22 = 0,35 |
Amlodipin 5 mg / Olmesartan 20 mg / HCT 12,5 mg | 0,40 | 0,13 + 0,22 + 0,15 = 0,50 |
Amlodipin 5 mg / Valsartan 80 mg | 0,48 | 0,13 + 0,19 = 0,32 |
Amlodipin 5 mg / Valsartan 160 mg / HCT 12,5 mg | 0,86 | 0,13 + 0,21 + 0,15 = 0,49 |
Enalapril 10 mg / Lercanidipin 10 mg | 0,39 | 0,12 + 0,14 = 0,26 |
* Kosten in Euro, Packungsgröße N3, Stand 15.04.2022 |
Diese sollten Sonderfällen vorbehalten bleiben. „Was spricht dagegen, frei zu kombinieren und wenn man die richtige Kombination gefunden hat, eine Fixkombination dieser Einzelmedikamente zu verwenden, falls die Tablettenlast zu groß wird?“, schreibt er. Schließlich entschieden auch Einnahmeschemata, Therapiekontrollen und die Begleitung der Patienten über die Adhärenz.
Quelle: Zienschang M. AVP 2022; online first 9.5.2022
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