Was bei der idiopathischen Lungenfibrose für und gegen die Soforttherapie spricht

Manuela Arand

Wann sollte bei der idiopathischen Lungenfibrose mit der Therapie begonnen werden? Wann sollte bei der idiopathischen Lungenfibrose mit der Therapie begonnen werden? © Wikimedia/IPFeditor (CC BY-SA 3.0)

Seit es effektive Medikamente gegen die idiopathische Lungenfibrose gibt, wird diskutiert, wann man die Therapie mit ihnen beginnen sollte: gleich nach der Diagnose oder erst bei Progress?

Die idiopathische Pulmonalfibrose (IPF) ist eine sehr heterogene Erkrankung, deren klinischer Verlauf sich im Einzelfall nicht vorhersagen lässt. Mit Nintedanib und Pirfenidon stehen zwei Wirkstoffe zur Verfügung, die den Abfall der forcierten Vitalkapazität als wichtigsten Surrogatparameter für das Überleben in etwa halbieren, erklärte Professor Dr. Andreas Günther, Chef der Pneumologie am Agaplesion Evangelisches Krankenhaus Mittelhessen in Gießen. Tatsächlich spiegelte sich das in den Zulassungsstudien in einem Rückgang der Gesamtmortalität um 48 % (Pirfenidon) respektive 30 % (Nintedanib) wider.1,2

Eine retrospektive Analyse australischer Registerdaten ergab, dass IPF-Patienten ohne antifibrotische Therapie einen wesentlich schlechteren Verlauf haben gemessen am transplantationsfreien Überleben. Die Resultate im europäischen IPF-Register sind nicht ganz so eindrucksvoll, was möglicherweise auch eine Frage der Compliance ist. Sie bestätigen aber ebenfalls den Überlebensvorteil unter Antifibrotika versus symptomatische Therapie.

In den Nintedanib-Studien gingen zudem akute Exazerbationen um etwa zwei Drittel zurück – für Prof. Günther ein Zeichen, dass die antifibrotische Therapie wahrscheinlich in der Lage ist, den Krankheitsverlauf zu modifizieren. In der Pirfenidon-Studie waren Exazerba­tionen nicht als Endpunkt aufgeführt. Die deutsche Leitlinie verleiht beiden Antifibrotika eine IA-Empfehlung, während alle anderen Medikamente und Kombinationen, die früher als Kandidaten gehandelt wurden, nicht empfohlen werden.3

Es gibt keine Nonresponder-Kriterien

Subgruppenanalysen der Zulassungsstudien zeigen, dass es kein Kriterium gibt, das Nonresponder kennzeichnet. Prof. Günther: „Patienten, die noch eine sehr gute Lungenfunktion mit einer FVC über 90 % vom Soll haben, profitieren in gleichem Maße, haben also einen Behandlungsvorteil von der frühen Therapie.“

Ein weiteres Argument dafür, nicht den Progress abzuwarten, ist in seinen Augen, dass „schwere Ex­azerbationen kein Privileg des schwer kranken IPF-Patienten sind“. Sie können jederzeit im Verlauf der IPF auftreten und bestimmen die Prognose. Exazerbationen durch eine medikamentöse Therapie zu verhindern, könnte den Betroffenen einen katastrophalen Verlauf mit raschem Abfall der Lungenfunktion und frühem Tod ersparen. „Auch Patienten mit erhaltener Lungenfunktion sterben an der IPF“, betonte Prof. Günther.

Ob man tatsächlich alle IPF-Patienten über einen Kamm scheren und früh therapieren sollte, stellte Professor Dr. Michael Kreuter von der Thoraxklinik der Universität Heidelberg infrage. Schließlich verlaufen Patientenkarrieren völlig unterschiedlich. Mancher fällt mit seiner Lungenfunktion schnell ab, bei anderen wird sie im Verlauf wieder besser. „Wollen wir diese Patienten tatsächlich direkt therapieren?“, fragte der Pneumologe. Hinzu kommt, dass es auch sehr leichte Formen der IPF gibt, die keine oder kaum Symptome machen. Zurzeit kann niemand sagen, ob es diesen Patienten schadet, wenn man den Krankheitsverlauf abwartet, bevor man therapiert, gab Prof. Kreuter zu bedenken.

Eine aktuelle, noch nicht veröffentlichte Umfrage unter europäi­schen und kanadischen Kollegen zeigt, dass es Gründe gibt, warum Patienten keine frühe Therapie bekommen. Dazu zählen zum Beispiel fortgeschrittenes Alter, Unsicherheit bezüglich der korrekten Diagnose, schwere Begleiterkrankungen und die Furcht, es könnten schwere Nebenwirkungen drohen.

Lösungsansätze für die Zukunft bieten – neben der unbedingt erforderlichen frühen Diagnose – womöglich Biomarker, mit denen sich der Krankheitsverlauf besser abschätzen lässt. Die beiden Tumormarker CA 125 und CA 19-9, die jedes Labor einfach bestimmen kann, korrelieren recht gut mit der Prognose. Stabile oder sinkende Spiegel zeigen einen günstigen Verlauf an. Noch einfacher geht es mit einem handlichen Heimspirometer, mit dem der Patient selbst seine FVC täglich messen und dokumentieren kann.

Schweizer Konzept als gangbarer Weg?

Die Kollegen in der Schweiz haben eine pragmatische Empfehlung parat, wie man sich dem Problem „immer früh therapieren oder nicht“ nähern kann.4 Bei milder Erkrankung mit wenig Symptomen, aber Begleiterkrankungen könne eine abwartende Beobachtung angebracht sein, heißt es dort. Dann aber sollte der Patient alle drei bis sechs Monate wieder einbestellt und geprüft werden, ob inzwischen die Indikation zur Therapie besteht. 

Quellen:
1. King TE et al. NEJM 2014; 370: 2083-2092
2. Richeldi L et al. NEJM 2014; 370: 2071-2082
3. Behr J et al. Pneumologie 2017; 71: 460-474
4. Funke-Chambour M et al. Respiration 2017; 93: 363-378

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