Cartoon Fortbildung

Weg mit der Gießkanne: Typ-2-Diabetes besser individuell angehen

Dr. Elisabeth Nolde

Die Diabetes-Erkrankung ist aus vielen Wassern gewaschen. Da reicht eine Behandlungsweise für alle nicht aus! Die Diabetes-Erkrankung ist aus vielen Wassern gewaschen. Da reicht eine Behandlungsweise für alle nicht aus! © fotolia/nerthuz; fotolia/chones

Auch beim Diabetes-Management raten Experten dazu, bei der Behandlung mehr auf Unterschiede zwischen den Betroffenen zu achten. Denn manche Patienten würden bereits früh von einer Insulintherapie profitieren. Maßgeblich dafür ist eine schwache Betazellfunktion.

Typ-2-Diabetes ist nicht gleich Typ-2-Diabetes, man sollte differenzieren, da es mehrere Typen mit unterschiedlicher Betazellfunktion gibt. Bereits zum Zeitpunkt der Diagnose kann sie um 50 % reduziert sein, wie Studiendaten belegen. „Noch glauben wir aber, alle Patienten gleich behandeln zu müssen“, gab Dr. Stephan Kress, Diabetes Zentrum Medizinische Klinik I, Vinzentius-Krankenhaus Landau, zu bedenken.

Frühzeitig und risikoarm in den Zielbereich titrieren

Hinzu kommt, dass die Kranken ihre Betazellfunktion mit unterschiedlicher Geschwindigkeit verlieren, wie Kollegen in der „Belfast Diet Study“ unter Diät-Voraussetzungen zeigten. Demnach erlosch bei einer Patientengruppe die Sekretionsleistung der Betazellen schon etwa vier Jahre nach der Diagnose, während sie bei anderen auch nach rund zehnjähriger Erkrankungsdauer stabil blieb – ein typisches Bild im Praxisalltag, kommentierte Dr. Kress. Die Folge: Manche lassen sich gut und lange mit Tabletten einstellen, bevor sie Insulin benötigen, andere hingegen überhaupt nicht. Erfahrungsgemäß muss aber im Schnitt nach vier bis fünf Jahren damit gerechnet werden, dass eine Kombination mit einem niedrig dosierten Basalinsulin erforderlich ist, weil die Bauchspeicheldrüse versagt, erinnerte der Diabetologe.

Um einem raschen Verlust der Betazellen entgegenzuwirken, werde inzwischen weitgehend die Sichtweise vertreten, möglichst frühzeitig und sicher „in den Zielbereich zu titrieren“, um die gestressten Betazellen zu unterstützen. Denn zahlreiche Studien demonstrierten, dass Patienten von einer frühen, sehr guten und stabilen Einstellung profitierten und vor einer Progression, d.h. dem weiteren Nachlassen der Betazellfunktion, geschützt wurden. Darüber hinaus reduzierte die frühe Therapieintensivierung nach Erstdiagnose eines Typ-2-Diabetes im Vergleich zum verzögerten Vorgehen das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bzw. Myokardinfarkte (u.a.).

Der Diabetologe nannte Faktoren, welche die orale antidiabetische Therapie limitieren können:

  • vorhandene Insulinsekretion/-wirkung
  • Glukosetoxizität, d.h. sehr hohe Blutzucker-Werte können die Betazelle zerstören
  • gefordertes Stoffwechselziel per se (z.B. HbA1c < 7 %)
  • geringer additiver Effekt: Außer SGLT2-Inhibitoren benötigen alle oralen Antidiabetika eine Insulinrestproduktion, weil sie direkt oder indirekt auf Insulin wirken – ist keines vorhanden, schwächt dies die Tablettentherapie.
  • Kontraindikationen und Einschränkungen durch Neben-wirkungen
  • Adhärenz und Persistenz (Tablettenzahl)

Aus diesen Limitationen lassen sich letztlich die Kriterien für eine effektive Behandlung ableiten. Als Schlüsselkriterium für die Therapieauswahl gilt die Glukotoxizität. „Bei sehr hohen Blutzuckerwerten sollte Insulin primär dazugegeben werden, auch wenn es langfristig nicht benötigt wird und wieder abgesetzt werden kann“, verdeutlichte Dr. Kress. Bedeutsam sind darüber hinaus die Betazellrestfunktion und die Vermeidung von Hypoglykämien (s. Kasten).

Hauptkriterien für die Auswahl der Therapie

  • Glukotoxizität: Wieviel Effektivität wird benötigt?
  • glomeruläre Filtrationsrate bzw. Kontraindikationen
  • Betazellrestfunktion: Sind die Behandlungsoptionen noch wirksam?
  • Begleiterkrankungen berücksichtigen
  • Hypoglykämien vermeiden
  • Gewichtszunahme minimieren

Hoher Nüchternblutzucker ist Marker für müde Betazellen

Zudem konnten durch fortlaufende Weiterentwicklungen der Basalinsuline, z.B. von der ersten Generation (NPH-Insulin) zur zweiten Generation (Insulin glargin U100), deutliche Fortschritte erzielt werden: Hinsichtlich schwerer nächtlicher Hypoglykämien fand sich eine relative Risikoreduktion von 34 %. Diesbezüglich führten die Verbesserungen der Formulierung bei der nächsten Generation (Insulin glargin U300) zu weiteren 31 % weniger. Für den Praxisalltag gilt somit, jene Patienten zu identifizieren, die von einer frühen Basalinsulintherapie profitieren. Eine lange Dia­betesdauer und eine Vorbehandlung mit Sulfonylharnstoff weisen darauf hin dass die müde Betazelle nach Insulin ruft. Als Marker einer schwachen Betazellfunktion gilt ein hoher Nüchternblutzucker (NBZ) von über 170 mg/dl. Ausschließen sollte man allerdings nächtliche Essstörungen, Hypoglykämien während der Nacht, ein unbehandeltes Schlafapnoe-Syndrom und hohe Blutzuckerwerte beim Zubettgehen. Besteht bei Typ-2-Diabetespatienten eine Indikation zur BOT* (z.B. mit Insulin glargin U300), sollte die Titration in den Zielbereich, NBZ 100 mg/dl, rasch erfolgen, riet der Experte.

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* basal unterstützte orale Therapie

Quelle: Vortrag „Rechtzeitige Insulintherapie – wann und wie?“, Medical Tribune Forum CME unterstützt von Sanofi-Aventis Deutschland GmbH

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Die Diabetes-Erkrankung ist aus vielen Wassern gewaschen. Da reicht eine Behandlungsweise für alle nicht aus! Die Diabetes-Erkrankung ist aus vielen Wassern gewaschen. Da reicht eine Behandlungsweise für alle nicht aus! © fotolia/nerthuz; fotolia/chones