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Lohnt sich die adjuvante CPI-Gabe?

Die adjuvante Therapie mit einem Tyrosinkinaseinhibitor stellt in Deutschland für Erkrankte mit Nierenzellkarzinom keinen Standard dar, da sich mit Ausnahme von S-TRAC in keiner Studie eine Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) ergeben hatte. Die immuntherapeutischen Untersuchungen der vergangenen Jahre und insbesondere die Zulassung von Pembrolizumab aufgrund der Daten der KEYNOTE(KN)-564-Studie führten jedoch zu einem Paradigmenwechsel, berichtete Prof. Dr. Viktor Grünewald, Universitätsklinikum Essen.1 Forschende evaluierten in vier Studien die adjuvante Immuntherapie:
- KN-564 mit Pembrolizumab
- CheckMate 914 mit Nivolumab und Ipilimumab
- IMmotion010 mit Atezolizumab
- PROSPER mit neoadjuvantem und adjuvantem Nivolumab
In der KN-564-Studie verlängerte die adjuvante Gabe von Pembrolizumab das DFS signifikant (HR 0,68). Die Risikoreduktion fiel mit 40 % (HR 0,60) in der Gruppe von Erkrankten mit hohem Risiko besonders deutlich aus.2 Eine hohe Effektstärke (HR 0,28) ergab sich für M1-Patient:innen mit vorangegangener Metastasektomie und Primärtumorresektion sowie NED-Status (no evidence of disease). Dieses Ergebnis könnte auch auf die höhere Ereignisrate in der kleinen Personengruppe (n = 58) zurückzuführen sein, so Prof. Grünwald. Wichtig sei, sich zu vergegenwärtigen, dass das Studienkollektiv durch T3-Tumore dominiert wurde. Zwar sei die Verbesserung des DFS nicht in allen Subgruppen gleich stark ausgeprägt, aber der Effekt stets vorhanden, betonte der Referent.
„Aber die Frage ist: Generieren wir damit ein besseres Überleben? Die Antwort ist: Wahrscheinlich schon.“ In der frühen, noch unreifen Analyse des Gesamtüberlebens ließ sich ein Trend für ein besseres OS unter Pembrolizumab in der ITT-Population-Analyse nach 30,1 Monaten erkennen (HR 0,52, p = 0,0048), wobei die statistische Signifikanz verfehlt wurde. „Auf die reifen OS-Daten müssen wir noch etwas warten. Aber dass die OS-Kurven überhaupt so aussehen, ist bemerkenswert“, bilanzierte Prof. Grünwald.
Die anderen Studien zur adjuvanten oder perioperativen Behandlung mit CPI waren zwar ähnlich aufgebaut wie KN-564, aber nicht gleich. Die Heterogenität insbesondere hinsichtlich der Designs – so untersuchten die Autor:innen von CheckMate-914 eine deutlich kürzere, duale Immuntherapie, die der PROSPER-Studie eine perioperative Gabe von Nivolumab – und der Einschlusskriterien schränkt Vergleichbarkeit und Interpretation ein. „Aber die anderen adjuvanten IO-Studien zeigten durchgehend keine Verlängerung des DFS“, betonte Prof. Grünwald.
„Eine Lücke, die wir noch füllen müssen“
Eine wichtige Frage im Zuge der Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Therapie sei die der Toxizität, vor allem der Langzeittoxizitäten bei Patient:innen, „die man heilen oder zumindest in die jahrelange Tumorfreiheit entlassen will“, so der Experte. Onkolog:innen sollten in der Beratung nicht nur die Effektstärke vermitteln, sondern auch die Risiken einer adjuvanten Behandlung. Die KN-564-Studie lieferte keine neuen Sicherheitssignale für adjuvantes Pembrolizumab. Prof. Grünwald gab hier zwei Punkte zu bedenken: Zum einen den Cut-off beim Inzidenzwert von mindestens 5 %, mit dem die unerwünschten Ereignisse berichtet wurden, zum anderen die zeitliche Limitierung der Toxizitäten. „Die Langzeittoxizität spielt eine ganz große Rolle in der Adjuvanz. Das sind Dinge, die wir noch nicht genau wissen, weil wir die Nachbeobachtungszeit der Studie noch nicht haben. Das ist eine Lücke, die wir noch füllen müssen.“
Risikoberechnung
Zur Bestimmung des individuellen Risikos stehen diverse Kalkulatoren und prognostische Modelle zur Verfügung, wobei verschiedene Parameter und Ergebnisse zu unterschiedlichen Endpunkten erzeugt würden, erläuterte Prof. Grünwald. So erhalte man mit dem UCLA Integrated Staging System for Renal Cell Carcinoma eine Prognose zum Fünf-Jahres-DFS.
Verschiedene Perspektiven betrachten
Grundsätzlich sei die Bewertung eines Rezidivs aus der Patient:innenperspektive eine andere als die der Behandelnden, so Prof. Grünwald. Die Angst vor dem Rezidiv bleibe lange nach Therapieende bestehen. Untersuchungen hätten außerdem demonstriert, dass das onkologische Ergebnis, also die Verlängerung des Überlebens, für die Betroffenen wichtiger sei als die Toxizität. „Wir müssen uns bewusst sein, dass wir verschiedene Perspektiven haben. Ist eine 30%ige Reduktion des Rezidivrisikos viel oder wenig?“ Besonders wichtig sei das shared decision making. Ähnliches raten auch die Leitlinien der EAU hinsichtlich der adjuvanten Therapie: Die Betroffenen sollten über das potenzielle Risiko einer Übertherapie und der immunvermittelten Nebenwirkungen sowie die teils widersprüchlichen Studienergebnisse informiert werden, um die gemeinsame Entscheidungsfindung zu erleichtern.
Möglichkeiten der Patient:innenselektion
Wie lassen sich nun diejenigen Erkrankten herausfiltern, die eine adjuvante Behandlung benötigen und die außerdem voraussichtlich auf eine adjuvante Immuntherapie ansprechen werden? Als „klinischer Classifier“ spiele die TNM-Einteilung eine große Rolle, so Prof. Grünwald. Zur Frage, wer besonders von der adjuvanten CPI-Gabe profitiert, kristallisierten sich zwei Faktoren heraus. Zum einen die PD-L1-Positivität und zum anderen die histopathologische Diagnose: Betroffene mit sarkomatoidem klarzelligem Nierenzellkarzinom wiesen in den Studien eine besonders starke Risikoreduktion auf – in KN-564 um fast 50 % (HR 0,54). Auch in der insgesamt negativen CheckMate-914-Studie wurde bei sarkomatoidem Nierenkrebs ein DFS-Vorteil beobachtet. Außerdem beobachteten die Autor:innen ein Signal für die prinzipielle Wirksamkeit von Nivolumab plus Ipilimumab in der Gruppe der Grad-4-Tumoren und bei Nachweis einer PD-L1-Expression ≥ 1 %.
Sein Fazit: „Unsere Aufgabe ist es, über das Rezidivrisiko, die Risikoreduktion und eine potenzielle Übertherapie aufzuklären. Bei relevantem Risiko sollte die Empfehlung zur adjuvanten Therapie erfolgen.“ Biomarker zur Risikoabschätzung seien dabei dringend erforderlich.
Quelle:
Grünwald V. 75. Kongress der DGU; Vortrag „Adjuvante Therapie beim fortgeschrittenen NZK: Wer profitiert wirklich?“
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