Nierenkrebs: Neuartiger HIF-Inhibitor mit hohem halbjährigen Ansprechen

Dr. Moyo Grebbin

In den meisten Nierenzellkarzinomen herrscht ein pseudo-hypoxischer Zustand, der die Tumorprogression begünstigt. Ein neuer Inhibitor blockt diese Pseudo-Hypoxie, was knapp 70 % der Tumoren schrumpfen lässt. In den meisten Nierenzellkarzinomen herrscht ein pseudo-hypoxischer Zustand, der die Tumorprogression begünstigt. Ein neuer Inhibitor blockt diese Pseudo-Hypoxie, was knapp 70 % der Tumoren schrumpfen lässt. © iStock/Mohammed Haneefa Nizamudeen

Der HIF-2α-Inhibitor MK-6482 hat ein neuartiges Wirkungsprinzip, er wurde erst kürzlich zum ersten Mal beim Menschen erprobt. ccRCC-Patienten tolerierten die Behandlung gut und sie demonstrierte eine aussichtsreiche klinische Wirksamkeit – eine Phase-3-Studie startet gerade.

Die HIF-Transkriptionsfaktoren (Hypoxia Inducible Factor) sind wichtige onkogene Treiber des klarzelligen Nierenzellkarzinoms (ccRCC). Der neue HIF-2a-Inhibitor MK-6482 blockiert als erster seiner Art die Heterodimerisierung mit HIF-1b. Dr. Toni K. Choueiri vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston berichtete nun von den Ergebnissen einer Dosisexpansionskohorte zur ersten Phase-1/2-Studie des Inhibitors.

Zunächst bestimmten die Wissenschaftler über einen 21-tägigen Zeitraum die dosislimitierende Toxi­zität des neuen Medikaments. Nach Abschluss der Dosis­eskalation wählten sie eine Menge von 120 mg täglich für die Expansionskohorte. Daran nahmen 55 Betroffene mit fortgeschrittenem ccRCC teil.

Wieso HIF-Inhibition im Nierenzellkarzinom?

Die meisten ccRCC-Patienten haben eine Mutation im VHL-Gen (Von Hippel-Lindau Tumor Suppressor). Das VHL-Protein reguliert den Abbau von HIF-Faktoren, sein funktioneller Verlust führt in den Zellen zu einem pseudo-hypoxischen Zustand. Dabei akkumuliert HIF-2a und dimerisiert mit dem Faktor HIF-1b, der ständig exprimiert wird. Gemeinsam aktivieren die Transkriptionsfaktoren Hypoxie-induzierte Gene, die unter anderem in Angiogenese und Glykolyse involviert sind – also wichtige Prozesse bei der Progression von Tumoren.

Die meisten Nebenwirkungen nur mild bis moderat

„Die Kohorte bestand aus stark vorbehandelten Patienten: 62 % von ihnen hatten bereits drei oder mehr Behandlungslinien hinter sich – zwei Drittel sowohl eine Anti-PD1/PD-L1- als auch eine Anti-VEGF-Therapie“, betonte Dr. Choueiri. IMDC*-Kriterien zufolge hatten die meisten von ihnen eine mittlere Prognose (40/55), fünf fielen in eine gute und zehn in eine schlechte Risikogruppe. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 13 Monaten waren die häufigsten Nebenwirkungen:
  • Anämie (75 %)
  • Fatigue (67 %)
  • Atemnot (47 %)
  • Übelkeit (33 %)
  • Husten (31 %)
Die meisten davon waren Grad-1/2-Ereignisse; häufigste Grad-3-Vorfälle waren Anämie und Hypoxie.

Keine kardiovaskulären Toxizitäten mit MK-6482

„Die vorherrschende Nebenwirkung, Anämie, ist ein On-target-Effekt“, erklärte der Referent. „Er wird durch niedrigere EPO-Spiegel bedingt, ausgelöst durch die HIF-2-Inhibition.“ Auch die Hypoxie könnte Dr. Choueiri zufolge mit dem Wirkmechanismus von MK-6482 in Verbindung stehen. „In unserer Studie wurde diese allerdings durch andere akute Vorfälle ausgelöst und sprach gut auf Sauerstoff-Gabe an“, sagte der Sprecher. Im Gegensatz zu VEGF-Tyrosinkinase-Inhibitoren seien mit dem neuen Inhibitor keine kardiovaskulären Toxizitäten aufgetreten, auch keine extreme Fatigue oder Hautreaktionen an Händen und Füßen. Die Gesamtansprechrate betrug 24 % (40 % bei guter, 25 % bei mittlerer und 10 % bei schlechter Prognose). Die Gesamtkrankheitskontrolle lag bei 80 %. Ein Schrumpfen des Tumors wurde bei fast 70 % der Teilnehmer erreicht. Ein mindes­tens halbjähriges Ansprechen trat bei 81 % der Teilnehmer auf und knapp 30 % der Patienten konnten die Behandlung mehr als ein Jahr fortsetzen. Die mediane Dauer wurde noch nicht erreicht. Das progressionsfreie Überleben betrug median elf Monate. Zusammenfassend erklärte der Sprecher, der neuartige Inhibitor MK-6482 werde gut toleriert, habe ein vorteilhaftes Sicherheitsprofil und eine vielversprechende klinische Wirksamkeit. Auf Basis dieser Ergebnisse haben die Forscher jetzt eine Phase-3-Studie gestartet. Rekrutiert werden Teilnehmer mit metastasiertem ccRCC nach vorheriger Behandlung mit Checkpoint- und/oder VEGF-Inhibitoren – jedoch mit nicht mehr als drei Vorbehandlungen. 736 Patienten sollen in zwei randomisierten Studienarmen entweder 120 mg MK-6482 oder 10 mg des mTOR-Inhibitors Everolimus täglich erhalten. Primäre Endpunkte der Studie werden das progressionsfreie und das Gesamtüberleben sein.

* International Metastatic Renal Cell Carcinoma Database

Quelle: Choueiri TK et al. J Clin Oncol 2020; 38 (suppl 6; abstr 611)

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In den meisten Nierenzellkarzinomen herrscht ein pseudo-hypoxischer Zustand, der die Tumorprogression begünstigt. Ein neuer Inhibitor blockt diese Pseudo-Hypoxie, was knapp 70 % der Tumoren schrumpfen lässt. In den meisten Nierenzellkarzinomen herrscht ein pseudo-hypoxischer Zustand, der die Tumorprogression begünstigt. Ein neuer Inhibitor blockt diese Pseudo-Hypoxie, was knapp 70 % der Tumoren schrumpfen lässt. © iStock/Mohammed Haneefa Nizamudeen