
Welche Psychopharmaka Sie während der Schwangerschaft weiter geben können

US-Kollegen haben die publizierten Studiendaten gesichtet. Etwa 15 % der Schwangeren leiden aktuell oder anamnestisch an einer psychischen Erkrankung. Bei der Therapieentscheidung wird oft zu wenig berücksichtigt, dass das Leiden der Mutter den Fetus evtl. stärker schädigt als die intrauterine Exposition gegenüber psychotropen Substanzen, kritisieren US-Psychiater.
Bei Depressionen muss man z.B. vermehrt mit Frühgeburt, Präeklampsie und Gestationsdiabetes, aber auch mit einer postpartalen Depression rechnen. Bei unbehandelten Psychose-Rezidiven drohen Suizide und Kindstötungen.
Substanzen mit bekannten Nebenwirkungen bevorzugen
Am besten sollte eine psychisch kranke Patientin mindestens drei Monate vor einer geplanten Konzeption stabil sein. Um die Belastung für das Ungeborene möglichst gering zu halten, wird die Medikation bereits vor Beginn der Gravidität umgestellt, wobei „ältere“ Substanzen mit bekanntem Nebenwirkungspotenzial zu bevorzugen sind.
In der Schwangerschaft besonders gut untersucht sind die Antidepressiva, auch wenn die Daten nicht ganz einheitlich sind: Für selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) geht man davon aus, dass das Risiko für Malformationen (inkl. Herzfehler) – wenn überhaupt – nur geringfügig erhöht ist. Unter der antidepressiven Behandlung müssen die Patientinnen aber mit einer leicht vermehrten Fehl- und Frühgeburtsrate rechnen. Was die Angst vor einem persistierend offenen Ductus arteriosus betrifft, raten die Autoren zu Beruhigung: 99 % der Frauen, die in der Schwangerschaft SSRI einnehmen, gebären ein gesundes Baby ohne persistierende fetale Zirkulation.
Die US-Psychiater sehen auch keinen Grund, Antidepressiva im letzten Trimenon abzusetzen. Zwar entwickelt etwa ein Drittel der intrauterin exponierten Kinder ein neonatales Anpassungssyndrom, es ist jedoch meist nur leicht ausgeprägt und selbstlimitierend. Auch der immer wieder postulierte Zusammenhang zwischen mütterlicher SSRI-Einnahme und kindlichem Autismus konnte nicht gesichert werden. Die Ergebnisse einer großen dänischen Kohortenstudie sprechen vielmehr dafür, dass die depressive Erkrankung selbst der Autismus-Spektrum-Störung den Weg bahnt.
Antikonvulsiva erhöhen Risiko für Malformationen
Unterschätzte Gefahr |
Das Absetzen von Psychopharmaka in der Schwangerschaft hat sich als riskant erwiesen: Zwei Drittel der Frauen mit Major Depression erleiden dann einen Rückfall. Bipolare Erkrankungen rezidivieren in > 80 % der Fälle und Patientinnen mit Schizophrenie entwickeln zu 50 % ein Rezidiv. |
Die Fortführung einer Lithium-Prophylaxe hängt vom Schweregrad der Erkrankung ab. Bei Patientinnen mit ausgeprägter bipolarer Psychose kann die mit dem Absetzen verbundene Rezidivgefahr das teratogene Risiko überwiegen (Ebstein-Anomalie bei 1/1000 Neugeborenen). Ansonsten sollte die Lithium-Prophylaxe vor der Konzeption beendet (langsam ausschleichen) und erst nach dem 1. Trimenon wieder begonnen werden (Prophylaxe postpartaler Rückfälle).
Bei der bisher beobachteten, relativ kleinen Gruppe lithiumexponierter Kinder konnten keine kognitiven Defizite gefunden werden. Das ebenfalls als Stimmungsstabilisierer genutzte Lamotrigin führt nicht zu vermehrten kongenitalen Fehlbildungen (inkl. Gesichtsspalten). Carbamazepin und Valproinsäure dagegen erhöhen nachweislich das Risiko für Malformationen (ca. 3 % bzw. ≤ 10 %), darunter Neuralrohrdefekte (Spina bifida), faziale Anomalien, Herzfehler, Hypospadien.
Patientinnen, die die Einnahme unbedingt fortsetzen wollen, sollten hoch dosierte Folsäure (4 mg/d) einnehmen, die theoretisch das Risiko für Neuralrohrdefekte reduziert, und sich einem sonographischen Fehlbildungsscreening unterziehen.
Als relativ sicher gilt inzwischen die Einnahme von Antipsychotika in der Schwangerschaft. Neuroleptika der 1. Generation (z.B. Chlorpromazin, Haloperidol, Perphenazin) haben keinen teratogenen Effekt. Auch Olanzapin beeinflusst den Schwangerschaftsverlauf nicht negativ, steigert aber möglicherweise das Makrosomie-Risiko. Nach intrauteriner Exposition mit Clozapin muss man vermehrt mit einer Muskelhypotonie (floppy infant syndrome) rechnen.
Benzodiazepine nicht mit SSRI kombinieren
Angesichts der Risiken von unbehandelten Insomnien und Angststörungen kann auch die Verordnung von Benzodiazepinen sinnvoll sein. Bezüglich Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten geben neuere Studien Entwarnung, aber in Kombination mit SSRI kann es evtl. vermehrt zu Herzfehlern kommen. Als sichere Alternative bieten sich ggf. Gabapentin und Pregabalin an, so die Autoren. Beide Präparate lindern nachweislich die Angstsymptome, ohne das Risiko für Malformationen zu erhöhen.
Quelle: Margaret S. Chisolm et al., BMJ 2016;352: h5918
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