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Von Chemotherapie, Checkpoint-Inhibitoren und Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten

Auch heute noch sei die cisplatinbasierte Kombinationstherapie der Standard für Erkrankte mit metastasiertem Urothelkarzinom, erinnerte Prof. Dr. Günter Niegisch, Universitätsklinikum Düsseldorf. Für cisplatinungeeignete Betroffene gäbe es alternativ die Möglichkeit einer carboplatinbasierten Kombination, „die allerdings in Bezug auf die Effektivität einem cisplatinbasierten Regime unterlegen ist“. Bis vor Kurzem erhielten diejenigen Personen, die unter der Therapie nicht progredient wurden, eine Nachsorge und im Fall eines Progresses ein Zweitlinienregime. „Das Problem bei diesem Konzept ist, dass wir auf dem Weg viele Patient:innen verlieren“, betonte der Referent.
Das Vorgehen änderte sich dank der JAVELIN-Bladder-100-Studie, in der die Wirksamkeit einer Avelumab-Erhaltung nach Ansprechen auf eine platinbasierte Erstlinienchemotherapie geprüft wurde. Das mediane Überleben verbesserte sich im Prüfarm auf 23,8 Monate vs. 15 Monate in der Kontrolle. Die Immunerhaltungstherapie ist nun für die entsprechenden Patient:innen ein fester Bestandteil. Man müsse aber beachten, dass in die Studie nur Erkrankte eingeschlossen waren, die auf eine platinbasierte Kombination ansprachen.
Für gänzlich platin-ungeeignete Betroffene mit positivem PD-L1-Status kommt eine andere Strategie zum Zuge: „Hier haben wir die Möglichkeit, in der Erstlinie einen Checkpoint-Inhibitor einzusetzen“, sagte der Referent. Zugelassen seien Atezolizumab und Pembrolizumab, die in Studien zumindest keine schlechteren Ergebnisse erzielten als ein carboplatinbasiertes Regime. Phase-3-Daten mit einem direkten Vergleich deuten darauf hin, dass eine Mono-Immuntherapie einer Chemotherapie nicht überlegen ist.
Studien zur Erstlinientherapie
- CheckMate 901: Nivolumab + Ipilimumab vs. Nivolumab + GemCis vs. Chemotherapie; der primäre Endpunkt wurde nicht erreicht
- EV-302: Enfortumab-Vedotin + Pembrolizumab vs. Chemotherapie
- EV-103: Enfortumab-Vedotin + Pembrolizumab vs. alleiniges Enfortumab-Vedotin; die Ansprechraten betrugen 64,5 % vs. 45,2 %
- Imvigor130: verbessertes PFS durch Atezolizumab + Chemotherapie vs. alleiniges Atezolizumab; die Ergebnisse zum OS sind noch ausstehend. Der sekundäre Endpunkt – Atezolizumab-Mono vs. Chemotherapie – war negativ
- NILE-Studie: Durvalumab + Chemotherapie und Durvalumab + Tremelimumab vs. Chemotherapie
Es gäbe aber eine Subgruppenanalyse, in der ein Trend zu einem verbesserten OS bei PD-L1-positiven Erkrankten durch Atezolizumab beobachtet wurde. „Das war jedoch keine präspezifizierte Analyse“, hob der Referent hervor. Platin-ungeeigneten Personen mit negativem PD-L1-Status könne man nach Label keinen Checkpoint-Inhibitor anbieten.
Allerdings sei die Nicht-Überlegenheit der Substanzen gegen eine Chemotherapie gezeigt worden, mit der man diese Patient:innen nicht behandeln könne. „Man müsste meines Erachtens diskutieren, ob man hier nicht doch einen Checkpoint-Inhibitor verwenden kann.“ Standardmäßig komme in diesem Setting Gemcitabin-Mono zum Einsatz. Mit aktuellen Studien, die zur Erstlinie laufen, könne sich das Vorgehen ändern, so Prof. Niegisch (siehe Kasten).
In der Zweitlinie sei die Sache noch komplexer, da man hier mehr Kategorien betrachten müsse, als das früher der Fall war. Werden die Patient:innen nach einer platinbasierten Chemotherapie progredient, sei der Einsatz eines Checkpoint-Inhibitors sinnvoll, so der Referent. Für Personen, die mit einer platinbasierten Chemo und einer Immunerhaltung behandelt wurden, stehen seit diesem Jahr Antikörper-Wirkstoff-Konjugate zur Verfügung.
Mit Enfortumab-Vedotin lebten die Betroffenen median 12,9 Monate vs. 8,9 Monate unter Chemotherapie (HR 0,7). Bei Erkrankten mit einer vorangegangenen Mono-Immun- oder Mono-Chemotherapie sei die Entscheidung zum weiteren Vorgehen sehr individuell. Die Chemotherapie sei nach Immun-Mono prinzipiell wirksam, der Benefit aber unklar. Gleiches gelte für die Immuntherapie nach Mono-Chemo. Es handele sich hier um sehr kranke Patient:innen, deren Tumoren nur selten ansprechen, betonte Prof. Niegisch. Weitere Optionen für die Rezidivbehandlung umfassen Vinflunin, Taxane, Docetaxel und FGFR-Inhibitoren.
Unterscheidung metastasierter Urothelkarzinome
Noch komplexer wird das Ganze, wenn man bedenkt, dass beim metastasierten Urothelkarzinom zwischen synchron und metachron unterschieden werden muss. Gerade die zweite Gruppe sei sehr uneinheitlich und umfasse Personen
- ohne Vorbehandlung
- mit neoadjuvanter Chemo
- mit neoadjuvanter Chemo + adjuvanter Immuntherapie
- mit adjuvanter Chemo
Synchron metastasierte Urothelkarzinome und metachron metastasierte Patient:innen ohne Vorbehandlung könne man in das oben beschriebene Vorgehen von Erst- und Zweitlinienstrategie überführen. Für die drei anderen Gruppen werde es komplizierter.
Beispielhaft beschrieb der Referent Erkrankte mit neoadjuvanter Chemo, radikaler Zystektomie und adjuvanter Immuntherapie. Falle solch ein Betroffener, der in diesem Setting kurativ ist, mit einer Metastasierung auf, stellten sich die Fragen nach dem Rezidivzeitpunkt bzw. der Art der Refraktärität und dem Ansprechen auf die Neoadjuvanz. Im Leitlinien-Update soll dies schematisch dargestellt werden. Die Autor:innen wollen eine Handlungsanweisung liefern, wie diese Patient:innen behandelt werden können.
Quellen:
Niegisch G. DKK 2022; Keynote-Lecture: Systemtherapie des metastasierten Urothelkarzinoms – es wird komplexer!
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