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Wenn IgG4-Antikörper in die Gänge kommen

Meist manifestiert sich die IgG4-assoziierte Cholangitis (IAC) mit Verschlussikterus, Gewichtsabnahme und abdominellen Beschwerden. Der typische IAC-Patient ist über 60 Jahre alt, Männer trifft die chronisch-entzündliche, fibrosierende Erkrankung der Gallenwege achtmal häufiger als Frauen. Auch Umweltfaktoren scheinen eine Rolle zu spielen: In Kohorten fiel eine vermehrte berufliche Exposition gegenüber Lösungsmitteln, Industriestaub und -ölen sowie Pestiziden auf, heißt es in der aktuellen S2k-Leitlinie „Autoimmune Lebererkrankungen“, die unter Federführung der DGVS* entstand.
Nicht allein auf den IgG4-Titer verlassen
In 50–80 % der Fälle tritt die IAC in Kombination mit der ebenfalls IgG4-assoziierten Autoimmunpankreatitis Typ 1 auf. Auch andere Erkrankungen im Zusammenhang mit IgG4 wie retroperitoneale Fibrose und Sialadenitis finden sich vermehrt. Im Gegensatz zur primär sklerosierenden Cholangitis besteht aber keine Verbindung zu chronisch- entzündlichen Darmerkrankungen.
Laborchemisch zeigen 80 % der IAC-Patienten eine Erhöhung von Bilirubin und anderen Cholestasemarkern. Weniger Verlass ist auf das namensgebende Serum-IgG4, es ist zwar in den meisten Fällen vermehrt, bleibt aber bei mindestens 10 % der Patienten im Normbereich. Außerdem finden sich erhöhte IgG4-Titer auch bei anderen Erkrankungen wie primär sklerosierender Cholangitis, Pankreaskarzinom und Cholangiokarzinom. Ein isolierter IgG4-Anstieg hat also keine differenzialdiagnostische Bedeutung. Auch antinukleäre Antikörper und Rheumafaktoren spielen mangels Sensitivität und Spezifität keine Rolle.
Einen festen Platz in der bildgebenden Initialdiagnostik hat der abdominelle Ultraschall. Mit seiner Hilfe lassen sich z.B. andere Ursachen einer Leberschädigung wie Gallenwegserweiterungen, Tumoren und Thrombosen ausschließen. Die Endosonographie erlaubt zudem die Entnahme von Gewebeproben (DD Malignom).
Probatorische Steroidtherapie kann für Klarheit sorgen
In der Cholangiographie (MRCP bzw. ERCP) zeigen sich bei der IAC eher langstreckige Stenosen mit geringer prästenotischer Dilatation, typisch für die primär sklerosierende Cholangitis sind dagegen perlschnurartige Läsionen oder das Bild eines entlaubten Baumes. An erster Stelle der Diagnostik steht der Nachweis typischer Gallenwegsveränderungen: Finden sich zusätzlich erhöhte IgG4-Titer und eine klassische autoimmune Pankreatitis Typ 1 (AIP), besteht definitiv eine IAC. Auch wenn im Resektat einer Pankreas- oder Gallengangsoperation eine typische Histologie nachweisbar war, ist die IAC gesichert. Ansonsten müssen mindestens zwei der folgenden vier Punkte zutreffen:
- Serum-IgG4 > 135 mg/dl
- Pankreasbefunde vereinbar mit AIP
- andere IgG4-assoziierte Erkrankungen
- Nachweis von > 10 IgG4-positiven Plasmazellen pro Hauptgesichtsfeld in der Histologie bzw. weitere typische histologische Veränderungen.
Falls nur einer diese Befunde vorliegt, kann eine probatorische Steroid-Therapie über vier Wochen für Klarheit sorgen: Von einer definitiven IAC wird ausgegangen, wenn sich die Gallengangsläsionen deutlich bessern, die Cholestaseparameter unter das Zweifache der oberen Norm absinken und sich der IgG4-Titer ebenfalls signifikant verringert.
Grundsätzlich plädieren die Leitlinienautoren für eine großzügige Indikationsstellung bei der Therapie: Symptomatische Patienten ohne Kontraindikation für systemische Steroide sollten eine Induktionstherapie mit Prednison bzw. Prednisolon erhalten (z.B. initial 20–40 mg/Tag). Ziel ist die dauerhafte Remission.
Erfahrungsgemäß sprechen mehr als 90 % der IAC-Patienten auf Steroide an. So kann die Rezidivrate deutlich gesenkt werden, dennoch kommt es nicht selten zu Rückfällen, die den Einsatz anderer Immunsuppressiva (z.B. Azathioprin, Rituximab) erfordern können. Unklar ist derzeit noch der protektive Effekt einer Steroiderhaltungstherapie (z.B. über ein Jahr). Studiendaten sprechen für geringere Rezidivraten. Allerdings muss der Nutzen der Steroide gegen mögliche Schäden abgewogen werden.
Alle zwei Wochen zur Nachkontrolle
Vier bis sechs Wochen nach dem Beginn einer immunsuppressiven Therapie sollte der Erfolg klinisch, bildgebend und laborchemisch kontrolliert werden. Empfohlen wird eine zweiwöchentliche Kontrolle von Cholestase und Entzündungsparametern. Die Mehrzahl der Patienten zeigt bereits nach zwei Wochen einen Abfall des IgG4-Spiegels. Bei mangelndem Ansprechen ist die Diagnose zu überprüfen (DD primär sklerosierende Cholangitis, Cholangiokarzinom).
Eine spontane Remission der IAC ist dagegen eher selten, außerdem persistieren die Gallenwegsstenosen mitunter trotz Rückbildung des Ikterus. Engmaschige Nachkontrollen sorgen dafür, dass eine subklinische Progression nicht übersehen wird.
* Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
Quelle: S2k-Leitlinie Autoimmune Lebererkrankungen, AWMF-Register Nr. 021/027, www.awmf.org
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