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Wie Sie in einer Minute den richtigen Inhalator für Ihre Patienten finden

„Wir Ärzte sind unfähig, unseren Patienten den Umgang mit Inhalatoren beizubringen. Ein Grund ist, dass wir es selbst nicht können“, meinte Professor Dr. Omar S. Usmani, Imperial College London. Er bezog sich damit auf ein kürzlich erschienenes Review, in dem für mehr als 6000 in Gesundheitsberufen Beschäftigte untersucht wurde, wie gut sie mit unterschiedlichen Devices umgehen können.1 Egal ob Dosierspray oder Trockenpulverinhalator, nur etwa jeder Siebte war in der Lage, die Devices korrekt zu bedienen.
Inhalationsfehler kosten Hunderte Mio. Euro pro Jahr
Dabei machten die Teilnehmer genau die Fehler, vor denen Patienten immer gewarnt werden: vor der Inhalation nicht vollständig ausatmen, nicht auf die Atemkoordination achten, anschließendes Luftanhalten vergessen. Hinzu kommt, dass die Ergebnisse bei den neueren Studien (1996–2014) noch schlechter ausfielen als in der frühen Periode (1975–1995).
Ärzte, Apotheker und medizinisches Personal zeigen also über die Jahre keine positive Lernkurve. „Ärzte kennen sich nicht mit den Inhalatoren aus, wissen nicht, wie sie im Einzelfall das richtige Device auswählen sollen, und sind unfähig, die Patienten zu schulen“, so das harsche Urteil von Prof. Usmani.
Die Mängel im Umgang mit den Devices kommen Patienten teuer zu stehen, weil sie die Krankheitskontrolle bei Asthma und COPD verschlechtern und Exazerbationen begünstigen. Sie kosten aber auch das Gesundheitssystem eine Menge Geld, wie eine Analyse schwedischer, britischer und spanischer Daten ergab.2 Allein bei zwei häufig verordneten Trockenpulverinhalatoren summierten sich direkte und indirekte Kosten durch Inhalationsfehler für jedes der drei Länder auf stolze 782 Mio. Euro pro Jahr. „Maßnahmen, um das Wissen von Ärzten, die Schulung von Patienten und die Adhärenz zu verbessern, würden sich durch eine bessere Krankheitskontrolle und niedrigere Kosten auszahlen“, so Prof. Usmani.
Beim Dosierspray an den Nikolaus denken
In der CRITIKAL Study haben Professor Dr. David Price, Observational and Pragmatic Research Institute Singapur und Kollegen untersucht, welche Anwendungsfehler besonders häufig zu schlechten Outcomes bei Asthma führen.3 Patienten mit Trockenpulverinhalator mangelte es oft am inspiratorischen Fluss – sie atmeten schlicht nicht schnell und stark genug ein, um das Device auszulösen und das Pulver in respirable Teilchen zu zerteilen.
Bei Dosiersprays machten sich erwartungsgemäß Koordinationsfehler ungünstig bemerkbar, aber auch, dass die Patienten vergaßen, ihr Kinn bei der Inhalation anzuheben, wodurch die Zunge dem Sprühstoß im Weg stand. Solchen Patienten könnte die sogenannte Inhalation nach Santa Claus helfen, erklärte Prof. Usmani.4 Wer sich beim Inhalieren vorstellt, wie der Nikolaus ein tiefes „Ho!“ zu sagen, senkt die Zunge, erweitert den Rachen und macht den Mund klein, sodass das Medikament gut in die Lunge vordringen kann.
Für die britische Leitlinie haben Prof. Usmani und Kollegen den ACT-Algorithmus entwickelt, der helfen soll, innerhalb einer Minute das richtige Device für den richtigen Patienten zu finden.5 ACT steht für Assess, Choose, Train. Zuerst gilt es zu prüfen, welches Inhalationsmanöver der Patient gut ausführen kann:
- Schafft er einen langsamen tiefen Atemzug über drei bis fünf Sekunden, ist er ein Kandidat für Dosierspray oder Respimat®.
- Kann er schnell und tief einatmen, kommt eher ein Pulverinhalator infrage.
„Das kann der Arzt gut beobachten: Spannen sich Hals- und Interkostalmuskulatur an, steigt das Diaphragma, dann baut der Patient genug Atemenergie auf für den Pulverinhalator“, so der Pneumologe. Darauf folgt die Schulung, die naturgemäß länger dauert als eine Minute. Auch die Briten empfehlen übrigens Internetvideos wie die der Atemwegsliga, um die Inhalatorschulung zu unterstützen.
Quellen:
1. Plaza V et al. J Allergy Clin Immunol Pract 2018; 6: 987-995; DOI: 10.1016/j.jaip.2017.12.032
2. Lewis A et al. BMC Health Serv Res 2016; 16:251; DOI: 10.1186/s12913-016-1482-7
3. Price DB et al. J Allergy Clin Immunol Pract 2017; 6: 1071-1081.e9; DOI: 10.1016/j.jaip.2017.01.004
4. Kondo R et al. ERS International Congress virtual 2020, Poster Nr. 3179
5. guidelines.co.uk/respiratory/inhaler-choice-guideline/455503.article
Kongressbericht European Respiratory Society International Congress virtual
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