Wieder in Betrieb trotz Fibromyalgie

Dr. Dorothea Ranft

Die Experten raten zu moderatem Ausdauersport wie schnellem Spazierengehen, Walken, Radfahren, Aquasport oder Tanzen.
Die Experten raten zu moderatem Ausdauersport wie schnellem Spazierengehen, Walken, Radfahren, Aquasport oder Tanzen. © Fotolia/Patrizia Tilly

Ein wichtiger Grundsatz bei der Fibromyalgie ist es, realistische Ziele zu setzen – damit es erst gar nicht zu Enttäuschungen kommt. Ob körperliches Training oder Psychotherapie, auch ganz ohne Medikamente lässt sich bei der Fibromyalgie viel erreichen.

Die Diagnose Fibromyalgie-Syndrom (FMS) entlastet Patienten nach einem Ärztemarathon, schreiben die Autoren der aktuellen Leitlinie. Es kann durchaus erleichternd wirken, wenn der Betroffene erfährt, dass er keine organische Erkrankung, sondern „nur“ eine funktionelle Störung hat. Zumal die FMS die Lebenserwartung nicht verkürzt.

Ein biopsychosoziales Krankheitsmodell (Stress, Teufelskreis) hilft bei der Erklärung und der Patient erfährt, wie er mit eigener Aktivität seine Beschwerden lindern kann.Wichtig ist die Vereinbarung realistischer Ziele. Aus ärztlicher Sicht bedeutet dies z.B. eine 30%ige Reduktion von Schmerz und/oder Müdigkeit bzw. Schlafstörungen.

Zwei- bis dreimal pro Woche 30 Minuten trainieren

Auch eine deutliche Verbesserung des Allgemeinbefindens und der Alltagsfunktion (z.B. wieder arbeiten, sich selbst versorgen) erscheint „machbar“. Am besten wählen Kollegen die Art der Behandlung zusammen mit dem Betroffenen aus und überprüfen den Nutzen regelmäßig, z.B. bei Trainings- und Psychotherapie-Verfahren nach drei und sechs Monaten.

Alternative Verfahren

  • Meditative Bewegungstherapien (Tai-Chi, Qi-Gong, Yoga) sind angebracht
  • Elektroakupunktur ist möglich (zeitlich befristet)
  • Keine Empfehlung für Homöopathie mangels Konsens unter den Autoren
  • Nicht befürwortet werden Nahrungsergänzungsmittel (z.B. Algen, Apfelsäure, Magnesium, Anthocyane, Vitamine, Spurenelemente) oder Reiki

Liegt eine leichte Erkrankung vor, genügt es oft schon, den Patienten zu mehr körperlicher und psycho­sozialer Aktivität (Hobbys, Kontakte) zu ermutigen. Schwerkranke benötigen einen multimodalen Ansatz, zu dem mindestens ein körperlich aktivierendes und ein psychotherapeutisches Verfahren gehört. Laut den Autoren eignet sich ein aerobes Ausdauertraining mit geringer bis mittlerer Intensität, also z.B. schnelles Spazierengehen, Walking, Radfahren, Tanzen oder Aquajogging. Auch Gymnastik – im Wasser oder „an Land“ – mit Dehnungs- und Kräftigungsübungen oder moderates Krafttraining ist nun angebracht. Üben sollten die Patienten jeweils zwei- bis dreimal in der Woche über mindestens 30 Minuten. Die Experten der Leitlinie erwägen außerdem erstmals ein Vibrationstraining. Das „Balancieren“ auf der bewegten Platte löst Dehnreflexe der Muskulatur aus. Ebenfalls neu: der klinische Konsens zu Physio- und Ergotherapie. Kollegen sollten diese im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts verordnen, wenn FMS-Patienten in den Aktivitäten des täglichen Lebens eingeschränkt sind.

Finger weg von Kältekammer und Massagen

Der Besuch einer Biosauna oder Infrarotkabine ist möglich, strikt abgeraten wird dagegen von Chirotherapie, hyperbarer Sauerstoff­therapie, Kälte-, Laser- und Magnetfeldbehandlung. Auch Massage und transkranielle Magnetstimulation sollten mangels Evidenz nicht zur Anwendung kommen. Keine Aussage treffen die Autoren aufgrund fehlender Datenlage zu Ganzkörperwärmetherapie mit Wasser gefilterter milder Infrarot-A-Strahlung und heißen Ganzkörperpackungen, hydrogalvanischen Bädern, Kraniosakraltherapie und Lymphdrainage.

Kognitive Verhaltenstherapie ausdrücklich empfohlen

Eine Psychotherapie ist indiziert, wenn Betroffene mit ihrer Krankheit nicht gut umgehen (z.B. Katastrophisieren, Vermeidungsverhalten), Beziehungsprobleme haben oder eine seelische Komorbidität aufweisen. Die Leitlinien-Autoren sprechen sich ausdrücklich für die kognitive Verhaltenstherapie aus, deren Kosten die Kassen übernehmen. Laut einem Cochrane Review kam es damit zu geringfügigen, aber signifikanten Verbesserungen von Schmerz, Müdigkeit und gesundheitsbezogener Lebensqualität.

Entspannungsübungen nicht als Monotherapie

Auch der Einsatz von Biofeedback ist möglich, Kassen zahlen das Verfahren jedoch nicht. Deutlich abgewertet wurden Hypnose und geleitete Imagination wegen des unsicheren Wirknachweises, aber auch hier kommt ein „Erwägen“ in Betracht. In Studien erzielten die Verfahren eine gute Schmerzkontrolle, aber keinen Einfluss auf die Lebensqualität. Die Experten raten, Entspannungsverfahren nicht als Monotherapie einzusetzen. Auch das therapeutische Schreiben und die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion brauchen begleitende Maßnahmen – sinnvoll ist z.B. die Kombination mit Bewegungs- oder psychotherapeutischen Verfahren. Adipöse FMS-­Patienten sollten außerdem abspecken. Dadurch lässt sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität steigern.

S3-Leitlinie „Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms“, www.awmf.org

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Die Experten raten zu moderatem Ausdauersport wie schnellem Spazierengehen, Walken, Radfahren, Aquasport oder Tanzen.
Die Experten raten zu moderatem Ausdauersport wie schnellem Spazierengehen, Walken, Radfahren, Aquasport oder Tanzen. © Fotolia/Patrizia Tilly