Gelenk fixieren und Wundfäden ziehen: So rechnen Sie mit GOÄ und EBM richtig ab
Tape-Verbände gehören in der Sportmedizin zum Standard. Sie können aber auch bei Verletzungen oder bei degenerativen Veränderungen eingesetzt werden. Im EBM steht zur Abrechnung die Nr. 02350 (Fixierender Verband mit Einschluss mindestens eines großen Gelenks unter Verwendung unelastischer, individuell anmodellierbarer, nicht weiter verwendbarer Materialien) zur Verfügung. Zum Einsatz kommen hier z.B. Gips, Kunststoff, Tape, nicht aber Zinkleim, dem die geforderte Eigenschaft "fixierend" fehlt.
Ausschluss der Nr. 02350 neben der Pauschale 03000
Auch die Anwendung von Orthesen, die nicht anmodellierbar sind, kann nicht nach Nr. 02350 berechnet werden. Das Wiederanlegen einer Gipsschiene hingegen ist berechnungsfähig, wenn dabei mindestens ein großes Gelenk fixiert wird.
Fixierende Verbände kleiner Gelenke sind ebenso wie Verbände mit weiterverwendbaren Materialien für ein großes Gelenk gemäß Anhang 1 EBM nicht nach Nr. 02350 berechnungsfähig. Dies gilt auch, wenn anstelle von Gips synthetische Stützverbandsysteme verwendet werden. Als große Gelenke gelten Schulter-, Ellenbogen-, Hand-, Knie- und Fußgelenk jeweils als anatomisch-funktionelle Einheit. Eine Unterteilung in Teilgelenke, z.B. in oberes und unteres Sprunggelenk, ist nicht möglich.
Leider ist die Nr. 02350 im hausärztlichen Bereich neben der Versichertenpauschale nach Nr. 03000 ausgeschlossen, so dass hier nur ein Ansatz im Bereitschaftsdienst oder neben der Versichertenpauschale Nr. 03030 möglich ist.
Bei Privatpatienten sieht das anders aus. Hier kann ein Tape-Verband eines kleinen Gelenks nach der GOÄ-Nr. 206 abgerechnet werden (2,3-facher Satz 9,38 Euro). Die Nr. 207 steht für den Tape-Verband eines großen Gelenks oder den Zinkleimverband zur Verfügung (2,3-facher Satz 13,41 Euro). Auch wenn im EBM die Leistung selbst nicht berechnet werden kann, lassen sich bei gesetzlich wie privat versicherten Patienten Kosten weiterreichen. Die Allgemeinen Bestimmungen des EBM Nr. I 7.3 sehen hier den Bezug auf Rezept oder als Sprechstundenbedarf vor.
In der Hausarztpraxis ist das kein seltener Vorgang: Ein Privatpatient kommt mit einer andernorts genähten Wunde in die Praxis und wünscht die Entfernung der Fäden. Hier müssen die Anamnese erhoben, die Wunde inspiziert, die Fäden entfernt und ein Wundverband angelegt werden. Im Gegensatz zum EBM ist hier eine detaillierte Leistungsabrechnung möglich. Die Rechnung umfasst die GOÄ-Nrn. 1 für die Beratung, 5 für die symptombezogene Untersuchung und 2007 für die Entfernung der Fäden.
Da das Entfernen von Fäden nicht als Operationsleistung gilt und der Verband nur dort Teil der Leistung ist, kommt auch die Nr. 200 für den Wundverband zum Ansatz. Hinzu kommen Auslagen nach §10 der GOÄ. Allerdings sind Pflas-ter und Wundschnellverbände nicht erstattungsfähig. In der Regel akzeptieren die Privatkassen hier die Pauschalen des sog. Nebenkostentarifs der UV-GOÄ.
Parallelabrechnung von zwei Verbandsarten
In der GOÄ ist der Verband nach Nr. 200 nicht neben chirurgischen Leistungen berechnungsfähig. Beachtenswert ist aber, dass mehrere Verbände innerhalb derselben Sitzung, mehrfach am Tag oder kombiniert abgerechnet werden können. Die Mehrfachabrechnung von Verbänden an einem Tag erfordert in der Rechnung eine Uhrzeitangabe und ggf. eine Begründung. Letzteres kann z.B. ein rasch durchfeuchteter Verband oder eine unerklärliche Schmerzzunahme unter dem Verband sein. Auch ein verrutschter Verband kann als Ursache gelten.
Unterschiedliche Verbandarten sind nebeneinander abrechenbar. So dient der einfache Verband nach Nr. 200 i.d.R. nur der Wundabdeckung, der Kompressionsverband nach Nr. 204 aber einer zusätzlich erforderlichen Kompression. Ein Schienenverband wiederum muss neben der Wundabdeckung eine Ruhigstellung gewährleisten. Dabei ist es unerheblich, ob die Schiene erstmals (Nrn. 210 und 212) oder nach einem Verbandwechsel neu angelegt wird (Nrn. 211 und 213).
Im EBM stehen für die Akutversorgung von Wunden die Nrn. 02300 bis 02302 zur Verfügung. Bei chronischen Wunden kommt in erster Linie die Nr. 02310 zum Einsatz. Die Leistung ist mit 21,39 Euro bewertet und kann nur einmal im Behandlungsfall (Quartal) berechnet werden. Die Leistung beinhaltet die Abtragung von Nekrosen und/oder das Wunddebridement und/oder die Anlage und/oder das Wechseln eines Kompressionsverbandes und/oder die Einbringung und/oder das Wechseln einer Wundtamponade.
Voraussetzung: mindestens drei Arzt-Patienten-Kontakte
Damit die Leistung berechnet werden kann, müssen mindestens drei persönliche Arzt-Patienten-Kontakte im Behandlungsfall dokumentiert sein, die sich allerdings nicht unbedingt auf diese Wundbehandlung beziehen müssen.
Handelt es sich bei der chronischen Wunde um eines oder mehrere chronisch venöse Ulcera cruris, kommt der Behandlungskomplex nach Nr. 02312 EBM zum Einsatz. Er beinhaltet die Abtragung von Nekrosen, die Lokaltherapie unter Anwendung von Verbänden, das Anlegen von entstauenden phlebologischen Funktionsverbänden und eine Fotodokumentation zu Beginn der Behandlung und danach alle vier Wochen.
Ansatz der Nr. 02311 nur mit KV-Genehmigung
Die Leistung ist mit 55 Punkten bewertet und kann bis zu einem Höchstwert von 4244 Punkten je Bein und je Sitzung berechnet werden. Der Höchstwert ist auf den Arztfall bezogen und kann deshalb in einer Gemeinschaftspraxis entsprechend höher ausfallen. Die Leistung ist am selben Tag nicht neben der Nr. 02310 berechnungsfähig. Ein Ansatz der Nrn. 02310 und 02312 an verschiedenen Tagen im Quartal ist hingegen bei entsprechender Indikation möglich.
Ist die chronische Wunde als diabetischer Fuß zu werten, kommt die Nr. 02311 zum Ansatz. Diese Leistung kann aber nur mit Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung berechnet werden und ist i.d.R. diabetologischen Schwerpunktpraxen vorbehalten. Der Ansatz dieser Leistung ist je Bein und Sitzung möglich und mit jeweils 14,61 Euro bewertet. Eine Kombination mit den Nrn. 02310 und 02312 ist im gesamten Quartal ausgeschlossen.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht