GOÄ-Multiplikator: die hohe Kunst des Steigerns

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Privatrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

GOÄ-Multiplikator virtuos und durchdacht einsetzen, rät Hausarzt Dr. Gerd W. Zimmermann. GOÄ-Multiplikator virtuos und durchdacht einsetzen, rät Hausarzt Dr. Gerd W. Zimmermann. © Fotolia/HNFOTO, privat

Anders als beim Orientierungswert für die EBM-Abrechnung, der jährlich angepasst wird, gibt es in der GOÄ keinen Inflationsausgleich per Punktwert. Als Ausgleichsin­strument kommt allenfalls der Multiplikator in Betracht. Unser Abrechnungsexperte gibt Tipps zu den Steigerungsfaktoren.

Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ist alt. Kein anderer verkammerter Berufsstand hat ein derart antiquiertes Verzeichnis für die erbrachten Leistungen. Das Inkrafttreten ihrer Novellierung ist frühestens in 2020 zu erwarten. Bis dahin gilt es also, die vorhandenen Rahmenbedingungen zu nutzen, um ein halbwegs leistungsgerechtes Honorar zu erzielen: Der in der GOÄ vorgesehene Multiplikator kann zwar nicht mit einer Steigerung der Praxiskosten begründet werden, doch dort, wo er patientenbezogen möglich ist, sollte er kein Tabu sein.

Übersicht der Steigerungsfaktoren
GOÄ-KapitelSchwellenwertMaximalwert
A, E, O1,82,5
B-D, F-L, N, P2,33,5
M1,151,3
In der Regel beginnt der Schwellenwert, ab dem der Multiplikator nur mit Begründung eingesetzt werden darf, bei 2,3 und endet bei 3,5. Es gibt aber Ausnahmen: Beim Labor z.B. darf der Multiplikator nur bis maximal 1,3 gesteigert werden.

Die GOÄ selbst erklärt, dass sich die Höhe der einzelnen Gebühren zunächst nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes richtet (§ 5 Absatz 1). Der Gebührensatz ist der Betrag, der sich ergibt, wenn die Punktzahl einer Leistung mit dem aktuellen Punktwert von 5,82873 Cent multipliziert wird. Bei dem sich hier ergebenden Bruchteil eines Cents von 0,5 und mehr darf aufgerundet werden. Dieser Einfachsatz lässt sich per Steigerungsfaktor erhöhen.

„Besondere Umstände“ ermöglichen höheren Faktor

In § 5 Absatz 2 der GOÄ heißt es, dass ab dem 2,3-fachen Satz – dem Schwellenwert – zwar weiter gesteigert werden kann, aber nur unter der Bedingung, dass der Zeitaufwand bzw. die Umstände dies begründen. So können „besondere Umstände bei der Ausführung“ beispielsweise bei Hausbesuchen auftreten. Schlechte Lichtverhältnisse oder ein ungenügender Zugang zum Patienten erschweren insbesondere bei Bettlägerigkeit die ärztliche Diagnostik und Therapie. Auch die Anwendung technischer bzw. apparativer Methoden können mit einem höheren Multiplikator als Ausgleich für die höheren Betriebskosten berechnet werden. Außerdem kann die Schwierigkeit auch in der einzelnen Leistung begründet liegen, wie z.B. bei starker Unruhe des Patienten bzw. Fettleibigkeit, oder in der Art der Erkrankung, wie dies z.B. bei älteren oder dementen Patienten zu erwarten ist. Eindeutig aber ist der Bezug zum Zeitaufwand. Leistungen, die besonders zeitaufwendig sind, können mithilfe des Multiplikators gesteigert werden. Allerdings ist das bei Leistungen, die in ihrer Legende bereits eine Zeitphase beinhalten, nur begrenzt möglich.

Das A, E und O der Leistungen, für die andere Regeln gelten

Ausgenommen von diesen Steigerungsregeln sind allerdings die in Absatz 3 genannten Leistungen der Abschnitte A, E, und O des Gebührenverzeichnisses. Diese Leistungen dürfen nur nach dem Einfachen bis max. Zweieinhalbfachen des Gebührensatzes gesteigert werden; ab dem 1,8-Fachen des Gebührensatzes ist eine Begründung notwendig. Beim Labor liegt der Schwellenwert, ab dem eine Begründung notwendig ist, beim 1,15-fachen Satz; der Höchstwert beim 1,3-fachen. Diese Regeln betreffen übrigens nur „echte“ Privatpatienten. „Sonderkassen“ wie die der Bahn- und Postbeamten oder Sondertarife wie der Basis- oder Standardtarif weichen hiervon ab (siehe MT 48/2018). Eine besondere Rolle im haus­ärztlichen Bereich spielen die persönlich-ärztlichen Leistungen wie Beratungen, Untersuchungen und Hausbesuche. Diese Leistungen sind im überarbeiteten Kapitel B angesiedelt. Der Zeitaufwand bei Beratungsleistung wird zwar durch die GOÄ-Nrn. 1 (einfache Beratung bis 10 Min.), 3 (Eingehende Beratung von mind. 10 Min.) und 34 (Erörterung, mind. 20 Min.) abgebildet. Allerdings kommen hier zusätzliche Regelungen hinzu, die den Einsatz des Multiplikators regelrecht herausfordern. So können etwa neben der Nr. 3 nur die Untersuchungsleistungen nach den Nrn. 5–8, 800 oder 801 berechnet werden. Ein EKG, eine Lungenfunktion oder andere technische Leistungen müssten deshalb gratis erbracht werden. Das kann man durch den Einsatz des Multiplikators bei der Nr. 1 verhindern. Eine sehr zeitaufwendige Beratung, z.B. bei einer schweren Erkrankung, könnte etwa mit dem 3-fachen Satz berechnet werden. Hier ist eine zusätzliche Berechnung der erbrachten technischen Leistungen nicht ausgeschlossen. Eine andere Möglichkeit wäre der Ansatz der GOÄ-Nr. 3 ohne weitere technische Leistungen bei einem Gespräch, das 20 Minuten oder länger dauert. Zwar wäre der Ansatz der Nr. 34 denkbar, dieser erfordert aber eine „nachhaltig lebensverändernde oder lebensbedrohende Erkrankung“. Ist dies nicht der Fall, kann unter Hinweis auf die Länge des Gesprächs ohne Vorliegen einer solchen Erkrankung z.B. der bis zu 3,5-fache Satz abgerechnet werden. Ähnlich sieht die Situation bei Hausbesuchen aus. Hier ist die Nr. 1 in der Nr. 50 (Besuch, einschl. Beratung und symptombezogener Untersuchung) enthalten. Selbst die Nr. 3 kann nicht zum Ansatz kommen, da sie auf die Zifffern 5–8, 800 oder 801 beschränkt ist. Der Ansatz der Nr. 34 wäre möglich, aber nur bei den erwähnten schweren Erkrankungen und auch nur zweimal innerhalb von sechs Monaten. Hier gibt es zwei Lösungsmöglichkeiten: Der Multiplikator für den Hausbesuch kann unter Hinweis auf den Zeitaufwand und ggf. auch die Umstände der Leistungserbringung z.B. um das 3,5-Fache gesteigert werden. Oder der Aufwand wird durch den Ansatz der Nr. 56 (Verweilen, ohne Erbringung anderer ärztlicher Leistungen) in Rechnung gestellt.

Für mehrere Organsysteme lässt sich mehr ansetzen

Beachtenswert ist, dass der Ansatz der Leistung nach Nr. 56 je angefangene halbe Stunde möglich ist. Ein Verweilen beim Patienten von z.B. 31 Minuten berechtigt bereits den zweifachen Ansatz der Leistung. Wermutstropfen: Diese Leistung ohne Begründung kann nur bis zum 1,8-fachen Satz und damit auf 18,88 Euro gesteigert werden. Einfacher ist der Einsatz des Multiplikators bei den Untersuchungsleistungen. Nr. 5 GOÄ steht für die symptombezogene Untersuchung. Gemeint sein kann damit nur eine Untersuchung im Bereich eines Organsystems, sodass eine symptombezogene Untersuchung in mehreren Bereichen unter Hinweis auf den daraus resultierenden zeitlichen Umfang jenseits des 2,3-fachen Satzes berechnet werden kann. Das gilt in vergleichbarer Weise auch für den Ansatz der Nr. 7, die nur für die vollständige körperliche Untersuchung mindestens eines Organsystems berechnungsfähig ist. Werden mehrere Organsysteme vollständig untersucht, ohne dass das Level des Ganzkörperstatus erreicht wird, ist der Einsatz eines höheren Multiplikators begründet. Und ganz ähnlich kann man das auch bei technischen Leistungen sehen: Eine Ultraschalluntersuchung z.B., die sich auf mehr als vier Organe erstreckt, kann angesetzt werden über die Nr. 410 in Zusammenhang mit der Nr. 420, die je Sitzung bis zu dreimal berechnet werden kann.