„Sprechende Medizin“ aufgewertet GOÄ-Vorschlag von BÄK und PKV kommt Hausärzt:innen entgegen
Seit Bekanntgabe der geplanten Preise für die neuen GOÄ-Leistungen hagelt es Kritik. Sogar Rücktrittsforderungen gegen den BÄK-Präsidenten wurden erhoben. Während nahezu alle fachärztlichen Berufsverbände zürnen, hört man vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband wenig. Ein Blick in die Abschnitte der vorgeschlagenen GOÄ, die für die hausärztliche Behandlung von Privatpatientinnen und -patienten eine Rolle spielen dürften, könnte eine Erklärung für die abwartende Haltung liefern.
In Tabelle 1 sind die wichtigsten Leistungen aufgeführt. Die „Sprechende Medizin“ wird nahezu durchgehend besser bewertet und weitgehend von bisherigen Zwängen, wie etwa der Kombination der längeren Beratung nach Nr. 3 nur mit bestimmten Untersuchungen, befreit. Man kann sogar von einer grundsätzlichen Befreiung der einfachen Gesprächsleistung sprechen, die jetzt je 10 Minuten und pro Tag bis zu fünfmal berechnungsfähig ist.
Gesprächsleistungen (Auszüge) in der bisherigen und in der neuen von BÄK und PKV vereinbarten GOÄ-Version
GOÄ-Leistung (soweit vergleichbar) | aktuelle GOÄ-Nr. | aktueller Preis (€) | Preis (€) BÄK/PKV |
---|---|---|---|
Persönliche Beratung durch den Arzt,
| 1 | 10,72 | 14,11 |
3 | 20,10 | 21,21 | |
Zuschlag zur Beratung für die palliativmedizinische Betreuung
| 34 | 40,22 | 94,32 |
101,42 | |||
Betreuung, Aufklärung und Beratung von Angehörigen bei der Behandlung palliativmedizinischer Patienten
| 34 | 40,22 | 7,72 |
25,14 | |||
Beurteilung der Auswirkung der diagnostizierten Erkrankungen auf die Lebensgestaltung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Feststellung oder erheblichen Verschlimmerung einer nachhaltig lebensverändernden und/oder lebensbedrohenden Erkrankung einschließlich Beurteilung der Interaktion der Medikamente (und ggf. Anpassung der Verordnung) bei einem multimorbiden Patienten mit mindestens vier chronischen, den Behandlungsaufwand erschwerenden Erkrankungen unter Polymedikation (mindestens fünf über einen Zeitraum von mindestens 28 Tagen verordnete Medikamente) | 34 | 40,22 | 41,35 |
Anamnese und verbale Intervention in der psychosomatischen Grundversorgung mit ätiologischen Erwägungen
| 849 | 30,84 | 6,64 |
21,63 | |||
Beratung durch Arzt mittels Telefon oder E-Mail (SMS und Chat ausgeschlossen), Dauer bis zu 10 Minuten | 1 | 10,72 | 14,11 |
Beratung durch Arzt mittels Telefon, Dauer mehr als 10 Minuten | 3 | 20,10 | 19,26 |
Ärztliche Beratung des Patienten zur Interpretation von selbstgenerierten Vitalparametern und/oder medizinischen Daten aus elektronischen Anwendungen (z. B. Gesundheits-Apps) und/oder Geräten, ggf. einschließlich Beratung zur Validität der Vitalparameter und/oder medizinischen Daten – einmal im Kalenderjahr | 3 | 20,10 | 43,41 |
Reisemedizinische Beratung durch den Arzt, einschließlich Impfgespräch, ggf. inkl. Dokumentation, Dauer unter 10 Minuten | 1 | 10,72 | 6,90 |
Reisemedizinische Beratung durch den Arzt, wie zuvor, je vollendete 10 Minuten | 3 | 20,10 | 21.69 |
Erhebung einer ausführlichen Erstanamnese, Dauer 60 Minuten | 30 | 120,66 | 128,12 |
Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken oder einen zu Beratenden und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson(en), im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken oder einer Beratung zur Prävention | 4 | 29,49 | 30,88 |
Ausstellung von Wiederholungsrezepten und/oder Überweisungen und/oder Übermittlung von Befunden oder ärztlichen Anordnungen, auch mittels Telefon, Videotelefonie oder E-Mail (SMS und Chat ausgeschlossen), durch qualifiziertes Praxispersonal und/oder Messung von Körperzuständen (z. B. Blutdruck, Temperatur) ohne Beratung, bei einer Inanspruchnahme des Arztes | 2 | 3,15 | 3,34 |
Quelle: eigene Erhebungen |
Auch der Zuschlag für die palliativmedizinische Beratung, wenn auch nur einmal im (GOÄ-)Behandlungsfall, und die zusätzliche Möglichkeit der Abrechnung einer Beratung und der Betreuung der Angehörigen sind ein Fortschritt.
Bemerkenswert ist ferner die deutliche Differenzierung des Gesprächshonorars nach Inhalten. So gibt es weiterhin die Nr. 34, aber ohne Zeitvorgabe und mit einer nur leicht modifizierten Einschränkung der Berechnungshäufigkeit auf einmal im Kalenderhalbjahr. Sogar die bisher dem „Fachkapitel“ untergeordnete psychosomatische Behandlung zählt nun, wenn auch etwas geringer bewertet als in der aktuellen GOÄ, zu den Gesprächsgrundleistungen, so dass ein Ansinnen, diese sei nur mit einer Zusatzqualifikation berechnungsfähig, erst gar nicht aufkommen kann.
Hausärztliche Leistungen in der neuen von BÄK und PKV vereinbarten GOÄ-Version
GOÄ-Leistung (soweit vergleichbar) | aktuelle GOÄ-Nr. | aktueller Preis (€) | Preis (€) BÄK/PKV |
---|---|---|---|
Hausärztliche Betreuung eines Patienten, bis zu zweimal im Kalenderhalbjahr berechnungsfähig | 90,00 | ||
Zuschlag zur hausärztlichen Betreuung eines Patienten mit mehr als einer chronischen Erkrankung bei besonderem Aufwand durch die Koordination des aufwendigen Therapieregimes, insbesondere bei bekanntem Risiko pharmakologischer Interaktionen | 35,00 | ||
Planung, Einleitung und Koordination flankierender diagnostischer und/oder therapeutischer und zusätzlicher sozialer Maßnahmen während der kontinuierlichen ambulanten Betreuung eines Patienten, einmal im Kalenderhalbjahr | 15 | 40,23 | 42,48 |
Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment zur quantitativen Untersuchung von Funktions- und Fähigkeitsstörungen
| 8,18 | ||
25,02 | |||
Koordination und Zusammenarbeit mit Dritten, sofern die zuvor genannte Leistung nicht abgerechnet werden kann | 32,43 | ||
Aufsuchen eines Patienten in häuslicher Umgebung durch qualifizierte Mitarbeiter ohne Anwesenheit des Arztes im Zuge der Befunderhebung und/oder Behandlung (z. B. zur Durchführung von kapillaren oder venösen Blutentnahmen, Wundbehandlungen, Verbandwechsel, Katheterwechsel), wenn der Patient die Praxis aus medizinischen Gründen nicht aufsuchen kann, zzgl. Wegegeld | 52 | 5,83 | 34,20 |
Quelle: eigene Erhebungen |
Kein hausärztliches Kapitel, aber exklusive Leistungen
Das Bestreben, die GOÄ für den hausärztlichen Bereich fit zu machen, wird bei einer Reihe neuer Leistungen erkennbar (Tabelle 2), die nur oder bevorzugt von Hausärztinnen und -ärzten berechnet werden können. Als Quantensprung kann man die neue Hausbesuchsleistung für MFA bezeichnen. Sie übertrifft nicht nur die bisherige Bewertung um Welten, sondern steht auch über den vergleichbaren Besuchen im EBM und in der HzV, da es keine konkreten Einschränkungen bei den so delegierbaren Leistungen und dem Patientenkreis gibt. Sogar Kilometergeld ist zusätzlich berechnungsfähig.
Es ist erkennbar, dass BÄK und PKV bemüht waren, die hausärztliche Tätigkeit in der neuen GOÄ abzubilden. Die fachärztliche Kritik bezieht sich auf den technischen Teil, bei dem angesichts der gesetzlichen Vorgaben ein wesentlich engerer Spielraum herrscht. Bleibt zu hoffen, dass der momentane Proteststurm gegen die neue GOÄ das zarte Pflänzlein nicht im Keim erstickt.
aktualisiert am 04.12.2024 um 17:05 Uhr