GKV-Finanzstabilisierungsgesetz Termin nach Hausarztvermittlung: eher ein „Muss“ als ein „Kann“
Einige KVen bezweifeln, dass Fachärzte legitim handeln, wenn sie Patienten an den Hausarzt verweisen, damit sie dort eine Überweisung mit einem Dringlichkeitsvermerk erhalten. Das stimmt aber nicht. Im Gegenteil: Eine solche Vorgehensweise wird eigentlich sogar vorgeschrieben.
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In § 76 Abs. 3 SGB V heißt es: „Der Versicherte wählt einen Hausarzt.“ § 73b Abs. 1 verpflichtet die Krankenkassen, ihren Versicherten eine hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die Teilnahme ist zwar freiwillig, die Teilnehmer müssen sich aber schriftlich gegenüber ihrer Kasse verpflichten, nur einen von ihnen gewählten Hausarzt sowie ambulante fachärztliche Behandlung nur auf Überweisung in Anspruch zu nehmen (ausgenommen: Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte).
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§ 73 Abs. 1 Nr. 2 sieht vor, dass die hausärztliche Versorgung die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen samt der Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einem Facharzt beinhaltet. Dies bedeutet, dass für notwendige medizinische Maßnahmen eine hausärztliche Diagnostik und ggf. auch Therapie als wirtschaftliche Voraussetzung für eine fachärztliche Behandlung anzusehen ist.
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§ 87a Abs. 2b sieht für den Fall einer Überweisung eines Patienten durch die Terminservicestelle (TSS) oder einen Hausarzt vor, dass der Facharzt Zuschläge auf die Grundpauschale und eine extrabudgetäre Vergütung erhält. Dies bedeutet: Nur wenn der Hausarzt zunächst die Indikation zur Vorstellung bei einem Facharzt gestellt hat, kann der Patient einen Termin beanspruchen, wobei dann noch die Möglichkeit besteht, die Dringlichkeit einzustufen. Das jetzt nicht mehr nur vier Tage, sondern es gibt eine Spanne bis zu 35 Tagen, die lediglich begründet werden muss, z.B. weil es dem Patienten nicht gelungen ist, die Warteschleife der TSS zu überwinden. Lediglich ab dem 24. Tag ist auch eine medizinische Begründung erforderlich, die aber bereits mit der Indikationsstellung erledigt wird.
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§ 12 Abs. 1 schreibt vor, dass Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Kassen nicht bewilligen. Wenn also KVen Fachärzte maßregeln, die nur noch Patienten auf eine hausärztliche Überweisung hin annehmen, verstoßen sie gegen dieses Wirtschaftlichkeitsgebot. Ein Facharzt hingegen, der einen Patienten wegschickt und bittet, zunächst einen Hausarzt aufzusuchen, um die Indikation und zeitliche Notwendigkeit der Vorstellung zu prüfen, handelt wirtschaftlich im Sinne des SGB V und verhindert, dass seine Sprechstunde durch Fälle, die keine oder keine dringende Indikation haben, blockiert wird. Notfälle sind hier ausgenommen.
Der an der kardiologisch/angiologischen Versorgung teilnehmende Vertragsarzt erhält für eine Behandlung aufgrund einer Terminvermittlung durch die TSS oder den Hausarzt einen Zuschlag auf die Grundpauschalen nach den GOP 13290 bis 13292 (Angiologie) bzw. 13540 bis 13542 (Kardiologie). Lediglich die Vermittlung eines Akuttermins ist an die TSS allein gebunden. Die zeitlich gestaffelten Zuschläge sind mit der GOP 13548 (Kardiologie) bzw. 13298 (Angiologie) berechnungsfähig, wobei deren altersgestaffelte Umsetzung automatisch durch die KV erfolgt.
Das ABC der Terminvermittlung durch Hausarzt oder KV-Servicestelle | |||||
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GOP | Legende | Grundpauschalen | + EuroAngiologie | + EuroKardiologie | |
13298A 13548A | Zuschlag TSS‐Vermittlung spätestens am Kalendertag nach Kontaktaufnahme des Versicherten bei der TSS und Einschätzung als TSS-Akutfall in Höhe von 200 % | 13290/13540 | 44,82 | 35,39 | |
13298B 13548B | Zuschlag für TSS‐ und/oder Hausarztvermittlungsfall vom gleichen bis 4. Kalendertag in Höhe von 100 % | 13290/13540 | 22,41 | 17,70 | |
13298C | Zuschlag für TSS‐ und/oder Hausarztvermittlungsfall vom 5. bis 14. Kalendertag in Höhe von 80 % | 13290/13540 | 17,93 | 14,16 | |
13298D | Zuschlag für TSS‐ und/oder Hausarztvermittlungsfall vom 15. bis 35. Kalendertag in Höhe von 40 % | 13290/13540 | 8,96 | 7,08 | |
Quelle: KBV |
Dokumentationsaufwand übernimmt der Zuweiser
Die in den letzten beiden Tabellenspalten angegebenen Werte werden dem Eurobetrag für die jeweilige angiologische bzw. kardiologische Grundpauschale zugeschlagen. Diese und alle anderen erbrachten Leistungen in diesem Quartal werden extrabudgetär und ohne eine Zeitstaffelung vergütet (ausgenommen: Laborleistungen des EBM-Kapitels 32). Das heißt: Selbst bei einem Termin, der z.B. erst nach 30 Tagen vergeben wird, gibt es ein extrabudgetäres Quartalshonorar plus den Bonus nach GOP 13298D bzw. 13548D.
Der notwendige Dokumentationsaufwand wird vom überweisenden Hausarzt erledigt. Er muss bei einer Terminvergabe nach dem 4. Kalendertag bis spätestens zum 35. Kalendertag begründen, dass eine Vermittlung durch die TSS oder eine eigenständige Terminvereinbarung durch den Patienten oder eine Bezugsperson aufgrund der medizinischen Besonderheit des Einzelfalls nicht angemessen oder nicht zumutbar war, wobei ab dem 24. Kalendertag auch eine medizinische Begründung angegeben werden muss.
Unverändert gilt: Alle Zuschläge werden nicht auf Ab- oder Aufschläge auf die Grundpauschalen angerechnet. Neu ist, dass die Zuschläge im Arztgruppenfall insgesamt nur einmal berechnungsfähig sind, auch dann, wenn im selben Quartal eine erneute Behandlung desselben Patienten aufgrund einer erneuten Terminvermittlung durch den Hausarzt oder die TSS erfolgt, d.h., der Patient mehrfach an Fachärzte der gleichen Fachgruppe vermittelt wird.
Ein „Alternatives Hausarztmodell“
Fazit: Seit dem 1. Quartal 2023 bringt die Vermittlung durch die TSS oder den Hausarzt eine extrabudgetäre Vergütung der fachärztlichen Leistungen, sofern diese spätestens am 35. Kalendertag erfolgt. Lediglich der zusätzlich gezahlte Zuschlag unterliegt einer zeitlichen Abstaffelung. Die ursprüngliche „Neupatientenregelung“ wurde so gesehen zum „Alternativen Hausarztmodell“. Das greift insbesondere bei Patienten, die bisher nicht in einen HzV-Vertrag eingeschrieben sind. Die Umsetzung des § 76 Absatz 3 SGB V, der bisher ein stumpfes Schwert war, wird verbessert, weil jetzt auch der Patient angehalten wird, sich ans gesetzliche Wirtschaftlichkeitsgebot zu halten.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht