Vertragsärztliche Abrechnungen Unterm Radar der Plausi-Prüfung

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann 

Die Plausi-Prüfung der vertragsärztlichen Abrechnungen ist bei weitem nicht einheitlich. Die Plausi-Prüfung der vertragsärztlichen Abrechnungen ist bei weitem nicht einheitlich. © mrmohock – stock.adobe.com

Kassen und KVen sind verpflichtet, die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der vertragsärztlichen Abrechnungen zu prüfen. Die Vorgehensweise ist aber nicht einheitlich.

Das vorrangige Aufgreifkriterium für die arztbezogenen Plausiprüfung ist der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen (Zeitaufwand). Relevant sind hierfür die den Gebührenordnungspositionen (GOP) im Anhang 3 des EBM als untere Schwellenwerte zugeordneten Zeiten. Werden diese Zeitangaben unterschritten, erscheint das ordnungsgemäße Erbringen nicht mehr plausibel. Auf der Basis dieser Angaben können mit den eingereichten Praxisabrechnungen also Rückschlüsse auf die aufgewendete Zeit gezogen werden. 

Das Verfahren zur Abrechnungsprüfung haben KVen und Kassen auf Bundesebene in Richtlinien festgelegt. Danach wird auf der Basis der abgerechneten GOP und der zugehörigen Prüfzeiten für die ärztliche Tätigkeit ein Tagesprofil erstellt und die Quartalsarbeitszeit ermittelt. Auch GOP, die innerhalb eines definierten Zeitintervalls einer Beschränkung unterliegen, z.B. die quartalsbezogenen Komplexe und Pauschalen, werden einbezogen. 

Beträgt die ermittelte Arbeitszeit an mindestens drei Tagen des Quartals mehr als 12 Stunden oder im Quartalsprofil mehr als 780 Stunden, werden ergänzende Prüfungen eingeleitet. Ggf. werden die Abrechnungen vorheriger Quartale geprüft.

Ausnahmen bei Notdienst und eilig erforderlichen Besuchen

Beim Erstellen der Zeitprofile  werden jedoch nicht alle EBM-Leistungen berücksichtigt. Leistungen, die im organisierten Notfalldienst erbracht und auf dem Vordruck-Mus­ter 19 abgerechnet wurden, werden nicht mitgerechnet, da sie üblicherweise außerhalb der Sprechstundenzeiten erbracht werden. 

Es gibt noch weitere Leistungen, die außer- oder innerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten erbracht werden können, und trotzdem nicht auf die 12-Stunden-Tagesgrenze angerechnet werden. Dazu gehören solche, die ein Unterbrechen der Sprechstunde und Verlassen der Praxis erforderlich machen, etwa dringende Besuche. Im hausärztlichen Bereich häufig zu erwartende GOP, die dieser Ausnahmeregelung unterliegen, sind in der Tabelle 1 zusammengefasst und im Fallbeispiel der Tabelle 2 berücksichtigt. 

Tabelle 1: Leistungen, die bei Plausiprüfungen nach Zeitvorgaben nicht berücksichtigt werden
EBM Legende Euro
01100 Unvorhergesehene Inanspruchnahme zwischen 19 und 22 Uhr, an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 7 und 19 Uhr 22,52
01101 Unvorhergesehene Inanspruchnahme zwischen 22 und 7 Uhr, an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 19 und 7 Uhr 35,97
01102 Inanspruchnahme an Samstagen zwischen 7 und 14 Uhr 11,61
01411 Dringender Besuch, unverzüglich nach Bestellung ausgeführt zwischen 19 und 22 Uhr oder an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 7 und 19 Uhr 53,90
01412 Dringender Besuch, unverzüglich nach Bestellung ausgeführt oder zwischen 22 und 7 Uhr, an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 19 und 7 Uhr oder bei Unterbrechen der Sprechstundentätigkeit mit Verlassen der Praxisräume 71,94
01415 Dringender Besuch eines Patienten in beschützenden Wohnheimen bzw. Einrichtungen bzw. Pflege- oder Altenheimen mit Pflegepersonal wegen der Erkrankung, am Tag der Bestellung ausgeführt 62,74
03030 Versichertenpauschale bei unvorhergesehener Inanspruchnahme zwischen 19 und 7 Uhr, an Samstagen, Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. bei persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt 8,85
Tabelle 2: Fallbeispiel
Die 55-jährige Nachbarin von Dr. F. ist nicht in seiner hausärztlichen Behandlung. Am Freitag um 19:30 Uhr kommt sie an seine Haustür, weil sie sich bei der Gartenarbeit eine Schürfwunde an der rechten Hand zugezogen hat. Dr. F. versorgt die Wunde und klärt den Tetanusschutz. Seitens der KV wird die GOP 03040, ggf. die GOP 03060 und 03061, nicht aber die Hygienepauschale GOP 03020 zugesetzt. Abrechnung des Erstkontakts:
EBM Legende Euro
03030 Versichertenpauschale bei unvorhergesehener Inanspruchnahme um 19:30 Uhr 8,85
01100 Unvorhergesehene Inanspruchnahme um 19:30 Uhr 22,52
02300 Primäre Wundversorgung an der Hand 7,81
Am Sonntagmorgen steht die Patientin erneut vor der Haustür von Dr. F.: Der Verband ist durchgeblutet, sie hat Schmerzen. Dr. F. kontrolliert die Wunde, erneuert den Verband und verordnet ein Antibiotikum, da die Wunde infiziert ist. Er bittet die Frau, sich am Montag zur weiteren Behandlung bei ihrem Hausarzt vorzustellen. Die GOP des Zweitkontakts:
EBM Legende Euro
03030 Versichertenpauschale bei unvorhergesehener Inanspruchnahme am Sonntag 8,85
01100 Unvorhergesehene Inanspruchnahme am Sonntag 22,52
02300 Primäre Wundversorgung an der Hand 7,81

Regelungen führen zu „Zweiklassen-Plausibilität“

In der Bundesvereinbarung ist zudem geregelt, dass eine Auffälligkeit zu vermuten ist, wenn versorgungsbereichsidentische Praxen 20 % und mehr identische Patienten haben. Bei versorgungsbereichsübergreifenden Praxen liegt dieser Grenzwert bei 30 %. Mit dieser Maßnahme soll verhindert werden, dass sich Gemeinschafts­praxen (BAG) in Praxisgemeinschaften umwandeln, um bei der Zuteilung der Honorarpauschalen einen Vorteil zu erzielen. 

Das ist nachvollziehbar, denn die „Hebelwirkung“ ist insbesondere im hausärztlichen Bereich enorm. Eine BAG bekommt einen Zuschlag von 10 % auf das Pauschalhonorar pro Patient, bei einer Praxisgemeinschaft sind es formal 100 %, wenn derselbe Patient in beiden Praxen behandelt wird. Eine solche Gestaltung kann manipulativ sein und soll deshalb Anlass für Plausimaßnahmen sein. 

Die Frage ist jedoch, ob das heute, wo Ko­operationen gefördert werden, noch zeitgemäß ist. Das EBM-Kapitel IV.37 (Kooperations- und Koordinationsleistungen in Pflegeheimen) beinhaltet GOP, die angesetzt werden können, wenn mit einem Pflegeheim ein Vertrag nach § 119b SGB V besteht, der die Anlage 27 zum BMV-Ä erfüllt. Hier kann die GOP 37100 als Zuschlag zur Versicherten- bzw. Grundpauschale abgerechnet werden. Und der in dem Verbund koordinierende Arzt kann zusätzlich zur Versichertenpauschale die GOP 37105 zum Ansatz bringen. 

Da jedoch in einem solchen Ärzteverbund zwangsläufig alle Patienten in einem Pflegeheim gemeinsam behandelt werden, passiert hier das, was an anderer Stelle als implausibel von der KV verfolgt wird: die Mehrfachabrechnung der Honorarpauschalen. Bemerkenswert dabei ist, dass aufgrund des Legendentextes der GOP 37100 EBM der Kooperationsarzt sogar „gezwungen“ wird, die Versichertenpauschale abzurechnen.

Tabelle 3: Leistungen von Hausärzten mit Pflegeheim-Versorgungsvertrag
EBM Legende Euro
37100 Zuschlag zur Versichertenpauschale, einmal im Quartal, maximal zweimal in vier Quartalen. 14,36
37102 Zuschlag zu den Hausbesuchen nach den Nrn. 01410 oder 01413, einmal im Quartal. Im Quartal nicht neben den Nrn. 37100 und 37105. 14,36
37113 Zuschlag zum Hausbesuch nach Nr. 01413, gesondert wegen einer Erkrankung. 12,18
37105 Zuschlag zur Versichertenpauschale für den koordinierenden Vertragsarzt nach §4 gemäß Anlage 27 des BMV-Ä, einmal im Quartal. Im Quartal nicht neben den Nrn. 37100 und 37105. 31,60
37120 Fallkonferenz, je Teilnehmer. Maximal dreimal innerhalb von vier Quartalen. 9,88

Und damit nicht genug: Die in Tabelle 3 dargestellten GOP 37100, 37102, 37105, 37113 und 37120 haben alle keine Zeitvorgaben und werden damit bei dieser Plausiprüfung nicht berücksichtigt. Wer also häufig Leistungen außerhalb des organisierten Notdienstes erbringt und abrechnet und/oder mit anderen Kollegen ein Pflegeheim betreut, hat erhebliche finanzielle Vorteile – zumal die Leistungen aus dem Abschnitt IV.37 auch 2024 extrabudgetär vergütet werden.