Prüfregeln der KV KV prüft auch die Mindestsprechstunden
Mit finanziellen Sanktionen muss eine Praxis rechnen, die nach den Zeitvorgaben der Leistungen im EBM (Kapitel VI, Anhang 3) an mindestens drei Tagen mehr als 12 Stunden oder im Quartal mehr als 780 Stunden gearbeitet haben will. Auffällig wird auch, wer sich mit einer anderen Praxis mehr als 20 % (fachgleich) bzw. 30 % (fachübergreifend) der Patienten geteilt hat (ausgenommen: die gemeinsame Versorgung von Alten- und Pflegeheimen). Hinzu kommt eine Prüfung des Versorgungsauftrages. Wer die seit September 2019 gesetzlich vorgeschriebenen 25 Sprechstunden pro Woche unterschreitet, ist von Honorarkürzungen bedroht.
Geprüft werden alle Vertragsärzte und in MVZ angestellten Ärzte. Das geschieht anhand der abgerechneten Fälle sowie der Gebührenordnungspositionen (GOP) mit Angaben zum erforderlichen Zeitaufwand für die ärztlichen Leistung. Weitere Prüfaspekte können hinzukommen.
Um einschätzen zu können, ob ein Versorgungsauftrag nicht erfüllt wurde, müsste die KV eine konkrete Einzelfallprüfung durchführen. Da dies in der Regel nicht möglich ist, hat die KBV ein 3-Punkte-Raster als Auswahlverfahren entwickelt. Bei Auffälligkeiten wird festgelegt, wie eine Einzelfallprüfung durchgeführt werden soll. Hier der genaue Ablauf.
Schritt 1
Die Arbeitszeiten je Vertragsarzt werden je Quartal anhand der Abrechnungsdaten vor der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ermittelt. Auf Basis des Anhangs 3 im Kapitel VI des EBM wird je GOP aus den Prüf- und Kalkulationszeiten der jeweils höhere Wert ausgewählt. Beispiel: Das Belastungs-EKG nach GOP 03321 hat eine Kalkulationszeit von 7 Minuten und eine Plausibilitätszeit von 6 Minuten. Für die Prüfung der Sprechstundenzeit werden die 7 Minuten gewählt. Einige Leistungen weisen weder eine Prüf- noch eine Kalkulationszeit auf (z.B. GOP 01100–01102 oder 01415 EBM) und werden somit nicht berücksichtigt.
Beispiel Videosprechstunde: Leistungen mit geringen Zeitvorgaben | |||
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EBM-Nr. | Legende | Euro | Minuten |
03003 | Versichertenpauschale, z.b. Alter 45 Jahre | 13,10 | Q* 9 |
03040 03020 | hausärztliche Grundpauschale Hygienepauschale | 15,86 0,23 | 0 |
01450 | Zuschlag Videosprechstunde | 4,60 | 0 |
01444 | Zuschlag unbekannter Patient, extrabudgetär bis 31.12.2023 | 1,15 | 0 |
* Quartalsbezug; Quelle: EBM | |||
Geringe Zeitvorgaben schützen zwar bei einer Plausiprüfung der Maximalarbeitszeiten, können sich aber nachteilig bei den MIndestsprechstundenzeiten auswirken. |
Die Summe je Vertragsarzt ergibt sich, indem die ermittelten Zeiten mit den abgerechneten Leistungshäufigkeiten je GOP multipliziert und alle Leistungen je lebenslanger Arztnummer (LANR) addiert werden. Ergänzend wird für jede LANR die Anzahl der Arztfälle ermittelt und unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten ein Referenzwert in Minuten pro Fall für jede Fachgruppe festgelegt, der mit der Zahl der Arztfälle multipliziert wird.
Für jeden Arzt werden die gegenüber der Terminservicestelle gemeldeten durchschnittlichen Sprechzeiten pro Woche berücksichtigt. Vertragsärzte, deren Zulassung weniger als acht Quartale zurückliegt (Neugründungen), werden zunächst keiner Prüfung unterworfen.
Schritt 2
In jeder KV wird die Anzahl der Werktage des Quartals ermittelt. Bei voller Zulassung werden für jeden Werktag fünf Stunden unterstellt. Daraus ergibt sich eine Stundenzahl pro Quartal. Für Urlaube und/oder Fortbildungen wird diese pauschal um zehn Tage pro Quartal reduziert; krankheitsbedingte Abwesenheiten werden pauschal mit vier Tagen berücksichtigt. Auch KV-spezifische Besonderheiten finden Beachtung.
Aus diesem Vorgehen ergibt sich eine Referenzgröße in Stunden, die je Tätigkeits- bzw. Zulassungsumfang unterschiedlich hoch ausfällt. Liegen die empirisch ermittelten Zeiten eines Vertragsarztes über der Referenzzeit, werden keine Auffälligkeiten unterstellt. Liegen sie unter dem Referenzwert, soll eine differenzierte Einzelfallprüfung erfolgen.
Schritt 3
In der Einzelfallprüfung werden weitere Sachverhalte berücksichtigt:
- überdurchschnittliche Praxisausfallzeiten, z.B. infolge einer längeren Krankheit bzw. einer Vertretung aufgrund anderer Umstände, bspw. Mutterschutz,
- Teilnahme an Selektivverträgen, die nicht über die KV abgerechnet werden, z.B. HzV,
- Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung,
- Tätigkeit als D- oder Kur-Arzt,
- überdurchschnittlich hohe Anteile an Leistungen, für die keine Prüf- oder Kalkulationszeiten vorliegen, z.B. Palliativversorgung nach GOP 03370 oder Heimversorgung nach den GOP 37100 ff.,
- KV-spezifische Abrechnungsregelungen
- überdurchschnittlich viele abgesagte oder nicht wahrgenommene Sprechstundentermine.
Grundsätzlich soll untersucht werden, ob Auffälligkeiten erklärt werden können und sie durch das Verhalten des Arztes beeinflussbar sind. Soweit datentechnisch möglich, sollen diese Tatbestände schon im Screening berücksichtigt werden, um ungerechtfertigte Aufforderungen zur Stellungnahme zu vermeiden.
Wer nicht in diese Mühle geraten möchte, sollte Vorbereitungen treffen. Erforderlich ist eine „Buchführung“, die erfasst, wenn man länger als zehn Tage im Quartal in Urlaub und/oder auf Fortbildungen oder länger als vier Tage erkrankt war. Hausärzte sollten die Anzahl der Patienten in der Hausarztzentrierten Versorgung dokumentieren und ggf. die KV fragen, in welchem zeitlichen Rahmen HzV-Fälle bei der Prüfung berücksichtigt werden.
Hinweis an die KV wegen Betreuung im Altenheim
Die EBM-Leistungen ohne Zeitvorgaben – und das sind in der hausärztlichen Praxis nicht wenige – sollte man praxisindividuell erfassen und möglichst gesondert in der eigenen Abrechnungsdokumentation kennzeichnen.
Eine besondere Rolle spielen dabei neben den Notfallleistungen die der Heimversorgung aus dem Abschnitt IV 37.2 des EBM, die durchweg keine Zeitvorgaben haben. Wird ein größeres Altenheim derart betreut, kann es leicht zu einer ungerechtfertigten Prüfung des Versorgungsauftrages kommen. Auch hier empfiehlt sich ggf. eine Meldung bei der Kassenärztlichen Vereinigung, z.B. im Rahmen des hier vorgesehenen Genehmigungsverfahrens.
Solche Leistungen werden nur pauschal durch die Berücksichtigung der höheren Zeitvorgabe bei anderen Leistungen erfasst. Die wiederum sind meist im technischen Bereich angesiedelt. Wer also wenig technische Leistungen abrechnet, wird keinen adäquaten Ausgleich für den Leistungsanteil ohne Zeitvorgaben erreichen können. Insbesondere bei zuwendungsintensiv tätigen Arztgruppen ist hier eine Schieflage zu erwarten, die zu ungerechtfertigten Prüfungen führen kann.
Medical-Tribune-Bericht