Verwaltungstechnische Vorschriften Ein Bürokratiemonster? Nein – ganz viele!

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Ob das „Entbürokratisierungsgesetz“ tatsächlich Abhilfe schaffen kann, ist fraglich. Ob das „Entbürokratisierungsgesetz“ tatsächlich Abhilfe schaffen kann, ist fraglich. © FrankBoston – stock.adobe.com

Bürokratie kostet die Praxen nicht nur Zeit, sondern immer wieder auch Geld. Teuer wird es nämlich häufig, wenn Fehler gemacht werden und die bürokratischen Vorschriften nicht eingehalten werden. Man darf es nicht unterschätzen: Allüberall drohen sie, die kleinen Bürokratiemonster.

Wie viele Stunden Vertragsärztinnen und -ärzte mit „Büroarbeiten“ in der Praxis verbringen, ist zwar fachgruppenspezifisch unterschiedlich – aber die Arbeitszeit, die dabei den Patienten verloren geht, ist auf jeden Fall insgesamt gesehen enorm. Das Bundesgesundheitsministerium will deswegen mit einem „Entbürokratisierungsgesetz“ Abhilfe schaffen – aber ob das wirklich durchgreifen kann? 

Entlastungs- und Sicherstellungsassistenten

Die Fallstricke fangen schon im nicht-medizinischen Bereich an: Beschäftigt ein Vertragsarzt einen Entlastungs- oder Sicherstellungs­assistenten, muss dies der KV schriftlich angezeigt und von dieser bestätigt werden. Andernfalls droht die Kürzung des Honorars für die vom Assistenten erbrachten Kassenleistungen – eine rückwirkende Genehmigung ist unzulässig! Die Anzeige einer Beschäftigung eines Praxisassistenten auf einer Sammel­erklärung reicht dabei ebenso wenig wie eine mündliche Auskunft eines Mitarbeiters der KV.

Vertretungsfall und Praxisveräußerung

Auch der Vertretungsfall und die Praxisveräußerung sind nicht zu unterschätzen, was ihren bürkratischen Aufwand betrifft. Die Ärztezulassungsverordnung sieht vor, dass sich eine Ärztin bzw. ein Arzt wegen Urlaub, Krankheit, Fortbildung oder der Teilnahme an einer Wehrübung vertreten lassen darf. Zulässig ist eine Vertretung von drei Monaten innerhalb von zwölf Monaten. Vertragsärztinnen dürfen sich im Zusammenhang mit einer Entbindung für sechs Monate vertreten lassen.

Stolperstelle 1: In den meisten Honorarverteilungsmaßstäben der KV ist vorgeschrieben, dass mit der Honorarabrechnung auf der Sammel- oder Garantieerklärung angegeben werden muss, wann der Arzt sich durch wen hat vertreten lassen. An die KV gemeldet werden muss aber erst eine Vertretung, die länger als eine Woche dauert. 

Stolperstelle 2: Da im Vertretungsfall die Abrechnung mit der lebenslangen Arztnummer (LANR) des vertretenen Arztes gekennzeichnet wird, ist zu beachten, dass Leistungen, die eine besondere persönliche Qualifikation nach den Richtlinien zu § 135 SGB V voraussetzen wie etwa Ultraschall oder Psychosomatik nur dann vom Vertreter erbracht werden dürfen, wenn dieser ebenfalls über die Qualifikation verfügt. Verstöße gegen diese Auflagen sind keine „Kavaliersdelikte“. Sie können zu beachtlichen Honorarrückforderungen und sogar strafrechtlicher Verfolgung führen.

Juniorpartner verursacht Arbeitslosenbeiträge

Ein gewisses Stolperrisiko birgt auch die Situation, wenn man einen Juniorpartner in seine Praxis aufnimmt. Auch hier drohen Honorarrückforderungen. Vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg ging es einmal z.B. um nachzuentrichtende Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Nach einer Betriebsprüfung forderte das Finanzamt die Beträge nach. Denn: Die Tätigkeit des Juniorpartners sei eine Beschäftigung, bei der die zugewiesenen Aufgaben in eine Arbeitsorganisation eingeglie­dert seien. Der Juniorpartner trage kein wirtschaftliches und auch kein wesentliches Unternehmerrisiko. 

Regelung der Nachfolge kann zur Stolperfalle werden

Ja, auch die Nachfolge ist kein Kindergeburtstag. Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes berechtigt der alleinige Kauf einer vertragsärztlichen Zulassung nicht zur steuerlichen Abschreibung. Nur wenn tatsächlich eine Praxis erworben wird, ist eine sog. „Absetzung für Abnutzung“ (AfA) möglich. 

In einem  konkreten Fall konnte für eine Praxis kein Nachfolger gefunden werden. Die Praxis wurde deshalb geschlossen und der Arztsitz an eine Gemeinschaftspraxis veräußert. Diese übernahm aber das Patientenarchiv nicht, sodass laut Finanzhof hier kein „Chancenpaket“ übernommen wurde, das abgeschrieben werden kann. Hat ein Praxisnachfolger nur Interesse an der vertragsärztlichen Zulassung, nutze sich diese nämlich nach Auffassung der Richter nicht ab, und eine AfA sei deshalb ausgeschlossen.

Plausibilitätsprüfungen nach Zeit sind ganz böse Fallen

In den Allgemeinen Bestimmungen des EBM ist festgelegt, dass bei der Berechnung die Gebührenordnungspositionen unter Angabe der Arztnummer sowie aufgeschlüsselt nach Betriebs- und Nebenbetriebsstätten zu kennzeichnen sind. Das klingt zunächst unproblematisch, zumal in der Regel die Praxis-EDV diese Zuordnung der erbrachten Leistungen z.B. in einer Gemeinschaftspraxis erleichtert. Fehlerhafte Zuordnungen können sich aber fatal auswirken, wenn dies etwa dazu führt, dass ein Praxispartner die tägliche 12-Stundengrenze oder die 780-Stundengrenze im Quartal bei der Plausibilitätskontrolle überschreitet, der andere Praxispartner aber nicht. 

Eine Verrechnung zwischen den Praxispartnern findet nämlich bei der KV nicht statt – obwohl das leicht möglich wäre. Eine Vorsorgeuntersuchung bei einem männlichen Patienten einschließlich Krebsvorsorge, Check-up und Hautkrebsscreening schlägt in der Tagesplausibilitätsprüfung beispielsweise mit 32 Minuten zu Buche. Kommt es dann noch zu einem ausführlichen Gespräch nach GOP 03230 EBM, ist schon fast eine Stunde auf dem Plausibiltätskonto angekommen. Der gewöhnliche Hausbesuch nach GOP 01410 EBM, ebenfalls mit der GOP 03230 EBM kombiniert, ist mit 23 Minuten belegt, der Mitbesuch nach GOP 01413 EBM mit 6 Minuten. Das läppert sich zusammen.

Wer zum Beispiel ein Altersheim betreut, überschreitet dann leicht die Plausibilitätsgrenze – nämlich wenn  nach der Rückkehr in die Praxis in der Abrechnung die LANR-Zuordnung nicht stimmt. Solche Daten müssen nämlich zwangsläufig nachträglich in das EDV-System eingetragen werden. Erscheint dort aber die LANR des anderen Arztes, der während dieser Besuche in der Praxis gearbeitet hat, ist der Fehler schnell passiert. 

Fazit: Obacht!

Medical-Tribune-Bericht