Wahlleistungsverträge mit juristischen Tücken
Grundsätzlich gilt: Wahlleistungen sind vor Erbringung schriftlich zu vereinbaren. Der Patient ist schriftlich über Entgelte und Inhalte der Leistungen zu unterrichten (§ 17 Abs. 2 Krankenhausentgeltgesetz). Die Vereinbarung erstreckt sich auf alle an der Behandlung des Patienten beteilig-ten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen berechtigt sind.
§ 2 Abs. 2 GOÄ gibt vor, dass die Gebührenvereinbarung in einem Schriftstück niederzulegen ist, das neben Nummer und Bezeichnung der Leistung den Steigerungssatz, den vereinbarten Betrag sowie die Feststellung enthalten muss, dass eine Erstattung der Vergütung möglicherweise nicht voll gewährleistet ist (wirtschaftliche Aufklärung). Und § 4 Abs. 2 GOÄ regelt, dass der Arzt Gebühren nur für Leistungen berechnen kann, die er selbst getätigt hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung).
In 2007 hat der Bundesgerichtshof (Az.: III ZR 144/07) die Ausgestaltung von Wahlleistungsvereinbarungen konkretisiert. Zwingend enthalten muss demnach sein:
- eine Kurzcharakterisierung des Inhalts wahlärztlicher Leistungen; es muss klar werden, dass die persönliche Behandlung durch den liquidationsberechtigten Arzt sichergestellt ist, verbunden mit dem Hinweis, dass der Patient auch ohne Wahlleistungsvereinbarung die medizinisch notwendige Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte erhält,
- eine kurze Erläuterung der Preisermittlung für ärztliche Leistungen nach GOÄ,
- ein Hinweis, dass die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen eine finanzielle Mehrbelastung zur Folge haben kann,
- ein Hinweis, dass sich die Inanspruchnahme auf alle an der Behandlung beteiligten liquidationsberechtigten Ärzte erstreckt,
- ein Hinweis, dass die GOÄ eingesehen werden kann.
Der Bundesgerichtshof hat auch die Voraussetzungen definiert, unter denen ein Chefarzt die Ausführung seiner Leistungen auf einen Stellvertreter übertragen darf und gleichwohl seinen Honoraranspruch behält: Der Wahlarzt muss die „seine Disziplin prägende Kernleistung“ grundsätzlich persönlich und eigenhändig erbringen.
Die Vereinbarung darf daher keine Konstellationen erfassen, in denen die Verhinderung des Wahlarztes bereits bei Vertragsabschluss feststeht. Ansonsten kann sie ihren Sinn – die vom Patienten bezweckte Sicherung der besonderen Erfahrung und herausgehobenen Sachkunde für die Heilbehandlung – nicht erfüllen.
Steht bereits bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung fest, dass der Wahlarzt die Leistung nicht persönlich erbringen kann, so kann er nur im Zuge einer Individualabrede mit dem Patienten die Ausführung seiner Leistung auf seinen Vertreter übertragen. Mittels einer standardisierten, vorformulierten Wahlleistungsvereinbarung ist das nicht möglich. Da sich der um seine Gesundheit besorgte Patient oft in einer bedrängenden Situation befindet, knüpft der BGH die Individualvereinbarung an besondere Aufklärungspflichten, und zwar:
- Der Patient muss so früh wie möglich über eine vorhersehbare Verhinderung des Wahlarztes unterrichtet werden.
- Hierbei muss ihm angeboten werden, dass ein namentlich bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringt.
- Der Patient ist über die Alternative zu unterrichten, auf die wahlärztlichen Leistungen zu verzichten und sich ohne Zuzahlung von dem diensthabenden Arzt behandeln zu lassen.
- Ist die Maßnahme bis zum Ende der Verhinderung des Wahlarztes verschiebbar, so ist dem Patienten auch dies zur Wahl zu stellen.
Weitere Brisanz hat die Vertretungsthematik durch eine Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH vom 25.1.2012 (Az.: 1 StR 45/11) erhalten. Danach kann die Abrechnung privatärztlicher Leistungen strafbar sein, wenn die Voraussetzungen der Vertretung des liquidationsberechtigten Arztes nicht gegeben sind. Infolge dieser Rechtsprechung wurde ein Chefarzt, der laut Wahlleistungsvereinbarung acht Stellvertreter hatte, zu einer Geldstrafe von 150 000 Euro wegen gewerbsmäßigem Betrugs verurteilt (Landgericht Aschaffenburg, Urteil vom 29.10.2013, Az.: 104 Js 13948/07).
Formularvorlagen gelten nicht als individuell ausgehandelt.
Eine weitere Verschärfung der Vertreterregelung brachte ein Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 31.7.2013 (Az.: 8 a C 342/12). Dieses hatte über die Wirksamkeit einer Individualvereinbarung zu entscheiden, die an verschiedenen Stellen „mit Pünktchen gekennzeichnete Bereiche“ enthielt, die ausgefüllt werden sollten. Allein aufgrund dieses Erscheinungsbilds schlussfolgerte das Gericht, dass es sich hier um eine formularvertragliche Vereinbarung handeln würde, die nach der BGH-Rechtsprechung unwirksam sei. Zu verlangen sei eine individuell mit dem Patienten ausgehandelte Vereinbarung. Das Amtsgericht konnte sich bei seiner Entscheidung auf frühere Urteile des Bundesgerichtshofs, die allerdings zum Mietrecht ergangen waren, stützen.
Die Entscheidung des Hamburger Gerichts stellt Krankenhäuser und Wahlärzte beim Abfassen von Wahlleistungsvereinbarungen vor erhebliche Probleme. Gleichwohl ist die Entscheidung in sich schlüssig und passt in die Linie der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung.
Honorarärzte dürfen keine Wahlleistungen erbringen
Mit Urteil vom 16.10.2014 (Az.: III ZR 85/14) stellte der BGH fest, dass Wahlleistungen nicht durch Honorarärzte erbracht werden dürfen, sondern nur durch angestellte oder beamtete Krankenhausärzte mit Liquidationsrecht. Selbst mit einer Individualvereinbarung könne die Wahlleistung nicht auf einen Honorararzt delegiert werden.
Mitunter wird diese Entscheidung so interpretiert, dass sie nur auf den Besonderheiten des Falls basiere, wonach der Honorararzt aufgrund separater Vereinbarung mit dem Patienten die Wahlleistung liquidieren wollte, was von § 17 Abs. 3 KHEntgG so nicht vorgesehen sei. Diese Mindermeinung findet allerdings keinerlei Stütze in der Entscheidung des BGH.
Gegen sie spricht auch eine Entscheidung des LG Stuttgart vom 4.5.2016 (Az.: 13 S 123/15). Das Gericht vertrat die Ansicht, dass eine Wahlleistungsvereinbarung bereits dann unwirksam ist, wenn in ihr nicht der Gesetzestext von § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG, also der Hinweis auf angestellte oder beamtete Ärzte des Krankenhauses, enthalten ist.
Es ging um eine Formulierung, wonach sich die Wahlleistungsvereinbarung „auf alle an der Behandlung beteiligten ärztlichen Direktoren/Ärzte, soweit diese zur Erbringung wahlärztlicher Leistungen berechtigt sind“, erstreckte. Allein diese formale Ungenauigkeit gegenüber dem KHEntgG-Text reichte für das Gericht aus, um die Vereinbarung als unwirksam anzusehen.
Schadensersatz bei unwirksamer Vertretung
Mit Urteil vom 19.7.2016 (Az.: VI ZR 75/15) hat der BGH zuletzt entschieden, dass der Patient, der eine „Chefarztbehandlung“ vereinbart, rechtzeitig darüber aufzuklären ist, wenn ein anderer Arzt an die Stelle des Chefarztes treten soll. Andernfalls fehle es an einer wirksamen Einwilligung in den Eingriff – mit der Konsequenz, dass dieser rechtswidrig ist und selbst dann zur Haftung führt, wenn die Behandlung medizinisch fehlerfrei erfolgt ist. Im entschiedenen Fall konnte sich der Operateur nicht darauf berufen, dass der Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn der Chefarzt den Eingriff vorgenommen hätte.
Fazit: Führten unwirksame Wahlleistungsvereinbarungen früher lediglich dazu, dass der Wahlarzt sein Honorar nicht liquidieren konnte, drohen nun aufgrund der neuen Rechtsprechung neben strafrechtlichen Konsequenzen auch Schadensersatzansprüche, da sich die Einwilligung des Patienten nur auf die Behandlung durch den Wahlarzt beschränkt.
Wirksamkeitserfordernisse
- der Gesetzestext von § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG übernommen wird.
- nur ein Vertreter genannt wird; es muss sich hierbei um den ständigen Vertreter des Wahlarztes handeln.
- nur angestellte oder beamtete Ärzte des Krankenhauses, die mit eigenem Liquidationsrecht ausgestattet sind, Wahlleistungen erbringen dürfen, nicht aber Honorarärzte.