Affenpocken Was Patienten wissen möchten und Ärzte im Verdachtsfall tun sollten

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Privatrechnung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Überträger der Affenpocken sind meist eher Nagetiere und zu den typischen Symptomen gehören Fieber, Schüttelfrost und Hautveränderungen. Überträger der Affenpocken sind meist eher Nagetiere und zu den typischen Symptomen gehören Fieber, Schüttelfrost und Hautveränderungen. © weerasak – stock.adobe.com

Unmittelbare Gefahr wie bei SARS-CoV-2 scheint nicht im Verzug zu sein. Der schnelle wie unklare Verbreitungsweg der Affenpocken in Deutschland könnte jedoch dazu führen, dass auch in den Arztpraxen (Verdachts-)Fälle auftreten.

Mit Stand 9. Juni wurden 131 Affenpockenfälle aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, NRW, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ans Robert Koch-Institut gemeldet. Bei einem 39-jährigen Frankfurter konnte die Infektion festgestellt werden, obwohl er in jüngster Zeit weder verreist noch auf größeren Veranstaltungen gewesen war. Er wurde in eine vorgeschriebene dreiwöchige häusliche Isolation geschickt. 

Die Erkrankung ist nach der einhelligen Auffassung von Virologen nicht vergleichbar mit COVID-19. Sie ist wesentlich schwerer übertragbar. Die in der Welt grassierende Variante hat auch keine ernsthaften Krankheitszustände erzeugt. Man geht deshalb nicht von einer neuen Pandemie aus. Die Aufmerksamkeit in der mittlerweile sensibilisierten Bevölkerung kann aber durchaus dazu führen, dass dieses Thema gehäuft Gegenstand von Konsultationen in der haus­ärztlichen Praxis wird. Wie also sollte man sich dann als Ärztin/Arzt verhalten?

Affenpocken werden ausgelöst durch das Orthopoxvirus simiae. Das Virus ist verwandt mit den klassischen humanen Pockenviren (Variola, Smallpox) und den Kuhpockenviren. Nagetiere (und weniger Affen) werden als Hauptreservoir für die Erreger vermutet, vor allem Hörnchen, Ratten und Siebenschläfer.

Die Affenpocken gehören damit wie viele andere Infektionskrankheiten zu den Zoonosen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch gilt als selten und ist nur bei sehr engem Kontakt möglich. Das Affenpockenvirus ist allerdings in der Lage, über Tage bis Monate auf Oberflächen oder Stoffen zu überleben. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel 10–14 Tage. Einige der aktuell in Deutschland dokumentierten Fälle sind untypisch, weil sie nicht in Zusammenhang mit betroffenen Ländern, z.B. durch Reisen, oder Kontakten zu exportierten Tieren stehen. Eine Gefährdung für die Gesundheit der hiesigen Bevölkerung schätzt das RKI derzeit als gering ein.

Patienten zeigen zunächst typische Symptome einer Virus­erkrankung wie Fieber (bis zu 40 Grad) und Schüttelfrost, wie es bei einer SARS-CoV-2-Infektion der Fall sein kann. Möglich sind auch starke Kopf- und Gliederschmerzen, Halsweh, Husten, Abgeschlagenheit und geschwollene Lymphknoten. Es folgen aber wie z.B. bei den „Windpocken“ nach etwa ein bis drei Tagen typische Hautveränderungen wie Flecken, Knötchen, Bläschen und Pusteln, die – vergleichbar dem Verlauf bei Varizellen oder Zoster – verkrusten und schließlich abfallen. 

Menschen erholen sich meist in zwei bis vier Wochen

Betroffen sind vor allem das Gesicht, Handinnenflächen und Fußsohlen, Bindehaut und Hornhaut. Bei einigen aktuell gemeldeten Fällen wurde auch von einem Beginn der Effloreszenzen im Urogenital- und Analbereich berichtet. Beim Befall der Augen droht – wie beim Herpes zoster – in schweren Verlaufsfällen Erblindung. Diffenzialdiagnostisch kommen Windpocken, Syphilis, Zoster, Scharlach, Herpes simplex oder auch andere Pockenvirus-Infektionen in Betracht. 

Die Erreger der Windpocken (Varizellen) gehören trotz eines ähnlichen Verlaufs zu den Herpesviren und sind nicht mit echten Pocken, Affen- oder Kuhpocken verwandt. Im Gegensatz zu den seit 1980 ausgerotteten Menschenpocken (Variola) verlaufen Affenpocken i.d.R. deutlich milder; die meisten Menschen erholen sich in zwei bis vier Wochen. Insgesamt ist die Prognose als günstig zu bewerten. 

Gefährdet für schwerere Verläufe sind neben immungeschwächten Patienten vor allem jüngere Menschen und Kinder. Bei Schwangeren kann eine Infektion zu einer Fehlgeburt führen. Affenpocken können aber auch tödlich verlaufen. Nach WHO-Angaben haben 3 bis 6 % der gemeldeten Fälle in Zentral- und Westafrika zum Tod geführt. Angesichts der dortigen Untererfassung (insbesondere bei milderen Verläufen) dürfte die Gesamtletalität jedoch darunter gelegen haben. Erkrankte gelten als infektiös, bis Schorf und Krusten abheilen bzw. abfallen und keine neuen Läsionen auftreten, jedoch mindes­tens für 21 Tage.

Impfungen mit dem Lebendimpfstoff gegen die klassischen Pocken bieten vermutlich einen gewissen Schutz vor den Affenpocken. Dies könnte erklären, warum Menschen unter 40 oft schwerer erkranken als ältere, da mit Ausrottung der Pocken das weltweite Impfprogramm eingestellt wurde und die Betreffenden diesen Impfschutz nicht haben.

Empfohlene Schutzmaßnahmen

Das RKI empfiehlt bei der Abstrichentnahme vergleichbare Schutzmaßnahmen wie bei SARS CoV-2: 

  • Verwenden eines Händedesinfektionsmittels mit dem Wirkungsbereich „begrenzt viruzid“.
  • Persönliche Schutzausrüstung wie Schutzkittel, Einweghandschuhe, mindestens dicht anliegender Mund-Nasenschutz bzw. Atemschutzmaske sowie Schutzbrille und Haube, bei direkter Patientenversorgung mindestens FFP2-Maske gemäß Arbeitsschutzvorgaben.
  • Nachfolgende Patienten in einem Behandlungszimmer, in dem zuvor ohne zwischenzeitliche Reinigung ein Affenpocken-Fall behandelt wurde, sollten als Kontaktpersonen gemeldet werden.

Es handelt sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Infektionsschutzgesetz um eine meldepflichtige Erkrankung. Ein Virusdirektnachweis sollte deshalb im Verdachtsfall unmittelbar über das „Hauslabor“ eingeleitet werden, das ggf. an ein Konsiliarlabor für Pockenviren weiterleitet.

Als Entnahmestelle fürs Untersuchungsmaterial empfiehlt sich bei Primär-Effloreszenzen die (ggf. offene) Läsion oder die Vesikelflüssigkeit mit einem trockenen Tupfer, bei Krusten nach Möglichkeit die Entfernung des Dachs mit einer Pinzette und die Überführung in ein steriles Röhrchen. Die Proben können trocken (ohne Transportmedium) eingesendet werden. Der direkte Nachweis der Infektion erfolgt per Elektronenmikroskopie oder Nukleinsäurenachweis (z.B. PCR oder Genomsequenzierung).

Medikament und Impfstoff sind zugelassen

Die Behandlung zielt meist auf das Lindern der Symptome oder das Verhindern bakterieller Sekundärinfektionen ab. Mit Tecovirimat wurde ein in den USA entwickeltes Medikament im Januar 2022 auch in der EU zuge­lassen. Breit verfügbar ist es aber bisher nicht. In der EU ist seit 2013 ein Pocken-Impfstoff zuge­lassen (Imvanex), der modifiziertes Vacciniavirus Ankara (MVA) beinhaltet und besser verträglich ist als ältere Pockenimpfstoffe. Er kann ab 18 Jahren eingesetzt werden. In den USA und Kanada erstreckt sich die Zulassung auf die Impfung gegen Affenpocken. Die STIKO rät zunächst, bevorzugt exponierten Personen eine Postexpositionsprophylaxe anzubieten.

Medical-Tribune-Bericht

Dr. Gerd W. Zimmermann, Facharzt für Allgemeinmedizin Hofheim/Ts. Dr. Gerd W. Zimmermann, Facharzt für Allgemeinmedizin Hofheim/Ts. © privat