Ohne Code keine Pillen – eRezept soll im Laufe des Jahres bundesweit Fuß fassen

Praxismanagement , Praxis-IT Autor: Anouschka Wasner

Die eRezept-App soll ab Juli zum Download im Google Play Store, im Apple Store und in der Huawei App Gallery bereitstehen. Die eRezept-App soll ab Juli zum Download im Google Play Store, im Apple Store und in der Huawei App Gallery bereitstehen. © metamorworks – stock.adobe.com

Das eRezept setzt zum Sprung an. Zum 3. Quartal 2021 wird es in Testregionen in Berlin-Brandenburg eingesetzt, zum 4. Quartal startet der bundesweite Rollout. Und mit Beginn des Jahres 2022 wird das eRezept zur Pflicht.

Die Werbebotschaft ist klar: Das eRezept soll Abläufe vereinfachen. Ärztinnen und Ärzte sollen sich besser auf medizinische Versorgungsprozesse konzentrieren können. So die gematik auf einer Veranstaltung, bei der sie die Auswirkungen der neuen Funktion auf den Arbeitsalltag von Ärzten sowie Apotheker und Patienten vorstellte.

250 Signaturen sollen mit einer PIN möglich sein

500 Millionen Papierrezepte werden jedes Jahr in Deutschland ausgestellt. Jedes wird ausgedruckt und eigenhändig von Ärztin oder Arzt unterschrieben. Das soll sich mit dem eRezept ändern. In Zukunft erfolgt die Signatur des Rezeptes im System und über den elektronischen Heilberufsausweis (eHBA).

Um nicht jede Signatur mit Karte und PIN einzeln auslösen zu müssen, soll es die Funktion einer Komfortsignatur geben. HBA und Konnektor stellen darüber 250 Signaturvorgänge in einem zur Verfügung, so die gematik. Arbeitsteilung ist auch in Zukunft möglich, das Ausstellen des Rezeptes kann vom Praxispersonal vorbereitet werden.

Die Speicherung im Fachdienst der Telematikinfrastruktur (TI), wo die Rezepte verwaltet werden, wird vom Ausstellenden über einen Button ausgelöst. Die Rezepte werden also nicht auf das Smartphone des Patienten geschickt, sondern grundsätzlich in der TI gespeichert.

Für den Patienten öffnen sich an dieser Stelle unterschiedliche Wege. In der Arztpraxis erhält er zunächst einen 2D-Code, den er über eine App in sein Smartphone einliest und sich damit zu einer Apotheke begibt. Der Code wird dort abgescannt, die Apotheke erhält Zugriff auf das in der TI gespeicherte Rezept und händigt dem Patienten das Medikament aus.

Oder der Patient wählt sich in der Auflistung der eRezept-App eine Apotheke aus, an die er seinen Code schicken möchte. So kommt das Rezept im Warenwirtschaftssystem der Apotheke an, bevor sie der Patient selbst betreten hat. Abholzeitpunkt, Reservierung, Anfrage des Botendienstes oder Versandbestellung über einen Webshop – dem Patienten stehen alle Möglichkeiten offen.

Und wenn der Patient kein Smartphone hat oder keine eRezept-App möchte? Oder das Internet in der Praxis ausgefallen ist? Oder gar die komplette TI? Für diese Fälle sieht der Gesetzgeber die Möglichkeit vor, dem Patienten einen Ausdruck des Codes auszuhändigen, der gleichermaßen in der Apotheke eingelesen werden kann.

Gedruckt werden soll auf DIN A4 oder A5. Die Vorlage bietet drei Verordnungszeilen an, es können also drei eigenständige Rezepte abgebildet weren. Ein etwas größerer Sammelcode enthält die gleichen Informationen wie die Einzelcodes, die Redundanz soll helfen, Fehler im Prozess zu finden. Der Ausdruck ist kein rechtsgültiges Dokument – er muss also nicht handschriftlich in der Praxis unterzeichnet werden.

Was der Patient allerdings weder über den Ausdruck noch über den Code in der App kann, ist, weitere Informationen zu seinem Rezept einzusehen. Denn der Code enthält fast keine Rezept-Informationen – was übrigens bei einem TI-Ausfall in der Apotheke die Medikamentenausgabe wohl sogar verhindern würde. Wirkstoffe, Darreichungsformen, Einnahme- und Aut-idem-Hinweise – will der Patient dazu mehr wissen, ist er gezwungen, seine elektronische Patientenakte (ePA) freizuschalten.

Dazu benötigt er eine elektronische Gesundheitskarte, die NFC zum kontaktlosen Datenaustausch unterstützt. Solche Karten sind an einer sechsstelligen Zugangsnummer zu erkennen. Zur Freischaltung braucht es dann noch eine PIN, die genauso wie die Karte bei der Krankenkasse beantragt werden kann.

Die Patienten haben also scheinbar eine Wahl: Sie können sich für den Ausdruck entscheiden oder sich der eRezept-App bedienen oder weitere Funktionen über die ePA freischalten. Doch die Wahlmöglichkeiten beziehen sich aufs Format, nicht auf die Sache: Die Speicherung des Rezepts in der TI ist unausweichlich. Die gematik geht davon aus, dass die Patienten lernen werden, wie einfach es ist, über die App das Rezept abzurufen und zu verwalten.

Noch umfasst das eRezept nicht alle Verschreibungen, es soll schrittweise gehen: An die Testphase schließt sich am 1. September 2021 eine bundesweite Einführungsphase an, in der Verfügbarkeit und Akzeptanz gesteigert werden sollen. Ab dem 01.01.2022 wird das eRezept dann für apothekenpflichtige Arzneimittel bundesweit verpflichtend sein. 2023 umfasst diese Pflicht auch BTM-Rezepte, T-Rezepte und die Verschreibung von digitalen Gesundheitsanwendungen, 2024 dann auch häusliche Krankenpflege und außerklinische Intensivpflege, 2025 Soziotherapien und 2026 Heil- und Hilfsmittel. Bis zu den jeweils geplanten Zeitpunkten gilt weiterhin das klassische Muster 16.

Auf Zeitpläne blicken Insider aber mit einer gewissen Skepsis. Noch wisse keiner, ob die Komfortsignatur in der Masse tatsächlich funktioniert. Die ePA-Module für die Praxis-IT sind auch noch nicht alle einsatzfähig. Und obwohl für die am 1. Juli verbindlich startende ePA notwendig, ist auch bislang nur einer von drei Konnektoren dafür zugelassen.

Medical-Tribune-Bericht