Gesundheitswesen Geschäftsführer auf dem Schleudersitz

Niederlassung und Kooperation Autor: Cornelia Kolbeck

Wer Krankenhausgeschäftsführer werden will, muss hart im Nehmen sein, denn in dem Job gibt es reichlich Konfliktpotenzial. Wer Krankenhausgeschäftsführer werden will, muss hart im Nehmen sein, denn in dem Job gibt es reichlich Konfliktpotenzial. © lassedesignen – stock.adobe.com

Ob ihr Titel kaufmännischer Direktor, kaufmännischer Leiter oder geschäftsführender Vorstand ist – die ökonomisch Verantwortlichen im Gesundheitsbereich verdienen ganz gut. Was ihre beruflichen Risiken betrifft, sitzen sie allerdings oft auch auf einem Schleudersitz.

Nach Angaben von Dr. Karl Blum, Leiter des Geschäftsbereichs Forschung und Vorstand des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), kassierten Geschäftsführer im Krankenhaus 2020 im Schnitt ein Jahresfestgehalt von rund 180.000 Euro. In Häusern mit über 600 Betten waren es auch schon mal über 200.000 Euro Festgehalt. Hinzu kam für 60 % dieser Personen eine erfolgsabhängige Vergütung von durchschnittlich 31.000 Euro jährlich – je nach wirtschaftlichem Ertrag und Erfüllung bestimmter Zielvereinbarungen. „Es gibt aber eine große Varianz sowohl innerhalb der Geschäftsführung als auch nach Krankenhaus-Größenklassen“, bemerkt Dr. Blum.

An der Spitze eher gediegene Herren mit langer Erfahrung

Befragt worden waren von dem DKI, dem Verband der Krankenhausdirektoren und der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (BDO) 558 Geschäftsführer bzw. Mitglieder der Geschäftsführung in Kliniken. Im Fokus der Studie stand das Thema Fluktuation und die Frage, ob Geschäftsführungswechsel nur die Ausnahme von der Regel oder die Spitze des Eisbergs sind. Zur Vergütung hatten in der anonymen Umfrage 250 Befragte geantwortet. Eine Studie wie die zum „Schleudersitz Krankenhausgeschäftsführer“ 2021 habe es in dieser Breite bislang eher selten gegeben, so Dr. Blum.

87 % der Geschäftsführer weisen eine Qualifikation im Bereich Management und Ökonomie auf. Es gibt auch Personen mit einer Ausbildung in der Gesundheits- oder Krankenpflege sowie Mediziner. 72 % der Befragten haben ein abgeschlossenes (Fach-)Hochschulstudium bzw. sind promoviert (13 %). Allerdings ist nur jede fünfte Stelle von einer Frau besetzt. Ein Trend zur Feminisierung der Krankenhaus-Geschäftsführung wird nicht gesehen. Der Frauenanteil ist laut Studie in den letzten zehn Jahren etwa konstant geblieben.

Im Durchschnitt seien die Geschäftsführer 52 Jahre alt, berichtet Dr. Blum. An der Spitze stünden „eher gediegene Herren, meistens in den mittleren oder besten Jahren“ mit Führungserfahrung von im Schnitt 20 Jahren. Nur jeder zehnte Geschäftsführer sei unter 40. Jeder dritte Befragte war befristet eingestellt.

Studienleiter Professor Dr. ­Volker Nürnberg, BDO Frankfurt, spricht von Platzhirschen und Job-Hoppern. Zwar habe bei einem Viertel der Befragten die Amtszeit bei 17 Jahren gelegen, 40 % seien aber höchstens vier Jahre im Amt gewesen, 25 % weniger als drei Jahre. Hauptgründe für die Fluktuation:

  • Differenzen mit dem Aufsichtsrat wegen der strategischen Ausrichtung oder Unternehmensführung,
  • Differenzen in der Krankenhausleitung bezüglich Unternehmensführung oder Ausrichtung,
  • mangelnder wirtschaftlicher Erfolg,
  • Verfehlen versorgungs- oder patientenbezogener Ziele und Vereinbarungen.

Angesichts dessen verwundert es nicht, dass die Entscheidungsfreiheit bei personellen und ökonomischen Entscheidungen und Her­ausforderungen für die Befragten ein wesentliches Jobkriterium war. 29 % der Interviewten zeigten sich sehr unzufrieden mit Chefärzten, 28 % sehr unzufrieden mit dem Betriebsrat. „Also, mit der Interessenvertretung scheint es öfter mal zu krachen – auch wenn die Zufriedenheit insgesamt überwiegt“, so Prof. Nürnberg. Es gibt ebenso Konfliktpotenzial zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat, denn Aufsichtsräte haben weitreichende Kompetenzen bei Personal- und Investitionsentscheidungen, der Wirtschaftsplanung sowie der Berufung von Führungs- und Spitzenpersonal. Reibungspunkte mit der ökonomischen Leitung sind da vorprogrammiert.

Skandale und negative Presse führen zu Jobverlust

Jedes fünfte Krankenhaus hatte letztlich vier oder mehr Geschäftsführer in den letzten zehn Jahren. Das liegt aber nicht allein an klinikinternen Konflikten, Geschäftsführer werden auch relativ häufig abgeworben. Und ein Shitstorm oder negative Presse führen ebenfalls zur Trennung von der kaufmännischen Leitung. 84 % der Befragten schätzen trotz allem die Wahrscheinlichkeit als groß ein, in den nächsten zwölf Monaten noch im gleichen Job zu sein.

Bei jeweils knapp 20 % der Vorgänger erfolgte laut Aussage der Interviewten der Führungswechsel auf eigenen Wunsch des Vorgängers oder in beiderseitigem Einvernehmen. Bei 15 % der Geschäftsführer war der Vertrag gekündigt oder nicht mehr verlängert worden. 10 % der Befragten berichten, dass der Vorgänger wegen negativer Presseberichte (bis hin zum medialen Skandal) seinen Posten räumen musste.

Laut Sabine Pirnay-Kromer, Sprecherin der Kaufmännischen Direktoren der Oberbergkliniken, können z.B. Hygienemissstände, ungeklärte Todesfälle, Behandlungsfehler, die Anstellung „falscher Ärzte“, Gebäudemängel mit Brand sowie Abrechnungsfehler Unternehmenskrisen auslösen. Neues Top-Risiko sei die Missachtung der Datenschutzgrundverordnung. 75 % der Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern seien laut dem Trendreport von newsaktuell und Faktenkontor in den letzten zwei Jahren von solchen Krisen betroffen gewesen, Hauptmanagementfehler: Fehler vertuschen. Probleme könnten letztendlich zu (aufsichts-)behördlichen Zwangsmaßnahmen, schlechtem Unternehmensimage und Umsatzeinbußen führen.

Die auf Arbeitsrecht spezialisierte Rechtsanwältin Susanne Boemke, Leipzig, legt Krankenhausgeschäftsführern dringend den Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung nahe, da ein hohes Haftungsrisiko nicht ausgeschlossen werden könne.

Auf negative Medienberichterstattung verweist Dr. Tobias ­Weimer, Fachanwalt für Medizinrecht. Titel mit Worten wie Regressansprüche, Haft auf Bewährung, Inhaftierung, Beurlaubung vom Posten, Fehleinschätzungen oder Korruption legten ein Dilemma für die Geschäftsführung offen, so der Jurist. Die Compliance sei vielschichtig und die von den Verantwortlichen zu beachtenden rechtlichen Rahmenbedingungen seien kaum überschaubar. Manchmal könne es aber auch zum falschen Krisenmanagement kommen, weil die Führung beurlaubt wurde. Und manchmal komme später eine sehr leise Meldung, dass das Verfahren doch eingestellt wurde, merkt der Anwalt an.

„Prävention ist das Mittel der Wahl“, so Dr. Weimer. Betriebsinhaber hätten eine Garantenpflicht auch zur Verhinderung von Straftaten. Das Unterlassen der Implementierung eines effizienten Compliancesystems sowie das Überprüfen der Wirksamkeit stellten deshalb eine Pflichtverletzung dar. Krisenprävention setze einen Krisenplan voraus sowie das Beschäftigen mit einzelnen Krisenszenarien. Dafür müsse man die Risiken kennen, denen man im Gesundheitswesen begegnen könne.

Laut Krankenhaus Rating Report 2019 machen 58 % der Häuser jedoch keine Risikoanalyse und 54 % überwachen Krisenthemen nicht kontinuierlich. Auch darauf weist Dr. Weimer hin – genauso wie auf die möglichen Folgen.

So haftet ein Unternehmen für Straftaten von Mitarbeitern (§§ 130, 30 Ordnungswidrigkeitengesetz), wenn Zuwiderhandlung nicht durch „gehörige Aufsicht“ verhindert oder wesentlich erschwert worden ist. Bußgelder in Höhe von bis zu einer Million Euro drohen bei natürlichen Personen (Unternehmen) und bis zu zehn Millionen Euro bei juristischen Personen (z.B. Körperschaften, Vereine, Gesellschaften).

Mehr Druck durch geplanten Schutz für Hinweisgeber

„Veränderungsbereitschaft wird erst durch persönliche Betroffenheit so richtig gekitzelt“, so die Erfahrung des Bochumer Anwalts. Und die Gefahr der eigenen Betroffenheit könnte noch steigen. Denn Ende dieses Jahres läuft die EU-Frist zur Umsetzung einer Whistleblower-Richtlinie ab und so mancher Mitarbeiter, der bisher aus Angst vor Repressalien und Schadensersatzansprüchen geschwiegen hat, könnte dann wegen vermeintlicher Missstände Anzeige erstatten.

Der Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz liege auch bereits vor, berichtet Dr. Weimer. Dieses beinhaltet die Pflicht, ein internes oder externes Meldesystems für Unternehmen einzurichten, sowie Geldbußen von bis zu 100.000 Euro bei Nichtumsetzung.

Quelle: Onlinekonferenz des Deutschen Krankenhausinstituts