Arbeitsunfähig, geschäftsuntüchtig, tot – treffen Sie Minimalvorsorge für Ihre Praxis

Praxisführung , Praxismanagement Autor: Anouschka Wasner

Ob Freizeitunfälle oder Krankheit –  wenn dem Praxisinhaber etwas passiert, besteht schneller Handlungsbedarf. „Schnell“ geht aber nur mit entsprechender Vorsorge. Ob Freizeitunfälle oder Krankheit – wenn dem Praxisinhaber etwas passiert, besteht schneller Handlungsbedarf. „Schnell“ geht aber nur mit entsprechender Vorsorge. © iStock.com/kerpetenlui

Auch wer keinen Abenteuerurlaub macht, kann verunglücken, und auch wer gesund lebt, kann krank werden. Als Freiberufler muss ein niedergelassener Arzt für alle Fälle vorsorgen, um die eigene Existenz und die Versorgung seiner Patienten zu sichern. Aber vor allen Dingen seiner Familie zuliebe.

Ein kleiner Segelausflug auf dem Genfer See sollte es sein, den das Arztehepaar mit einem befreundeten Pärchen unternehmen wollte. Dann drehte der Hobby-Skipper das kleine Boot zu stark in den Wind und es kenterte. An Aufrichten nicht zu denken, kein anderes Boot in Sicht. Dr. Schmitt, nicht nur ein guter Schwimmer, sondern auch ein Mensch mit großem Verantwortungsgefühl, entschied sich, nicht untätig zu warten, sondern in Richtung Land zu schwimmen und Hilfe zu organisieren. Seitdem wurde er nicht mehr wiedergesehen.

Für seine Frau ein dreifacher Schlag: Ihr Mann verunglückt, sein Körper verschollen und sie stand alleine da mit der Verantwortung für eine Arztpraxis, die nach dem Wochenende ganz normal hätte weiterlaufen sollen – und stattdessen völlig blockiert war. Denn mit dem Vermisstsein endet genauso wie bei Geschäftsunfähigkeit und Tod des Vertragsarztes die Teilnahme der Praxis an der ambulanten Versorgung. Im konkreten Fall wurde der als verschollen geltende Arzt erst nach einem Jahr für tot erklärt. An Vollmachten hatte niemand gedacht – man war ja nicht alt, was sollte passieren?

Was Erben tun müssen beim Tod des Praxisinhabers

  • Mitteilung an die KV, Vorlage der Sterbeurkunde bzw. der Vollmacht.
  • Vorlage des Erbscheins sobald möglich.
  • Einsatz eines Praxisverwesers (Beauftragung im Todesfall) prüfen, Suche eines Praxisverwesers/Nachfolgers, Antragstellung.
  • Einleiten der Praxisübergabe: bei Zulassungsbeschränkung über Antrag auf Ausschreibung und Nachbesetzungsverfahren durch Erben oder BAG-Partner; ohne Zulassungsbeschränkung über Antrag auf Zulassung. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss der Erbschein, das Testament oder eine Vollmacht vorliegen.
  • Nachfolgersuche, Praxiswertermittlung, wirtschaftliche Einigung und Praxisübernahmevertrag. (vom Einleiten des Nachbesetzungsverfahrens bis Vertrag max. sechs Monate)
  • Alternativ: Praxisauflösung ohne Nachbesetzungsverfahren. Dann: Aufbewahrungspflichten für Patientenakten beachten.

Dieser Fall mag extrem klingen, aber er ist aus dem echten Leben. Genauso wie der etwas alltäglichere Fall des Internisten aus dem Taunus, dessen Frau vier Stunden nachdem er zu einer Tour mit dem neuen Rennrad aufgebrochen ist, von der Mainzer Uniklinik angerufen wurde. Ihr Mann läge im Koma, er habe die neuen Bremsen unterschätzt und sich überschlagen. Monatelang blieb er im Koma, weitere Wochen brauchte er zur Rehabilitation. Das erstere bedeutet Geschäftsunfähigkeit, Letzteres lange Ausfallzeiten, während derer die Praxis weiterlaufen muss, damit Gehälter bezahlt und Patienten gehalten werden. Jeder Unglücksfall ist anders. Plötzlicher Unfall, lange Krankheit mit Aussicht auf Genesung, Krankheit ohne Aussicht auf Wiederaufnahme des Berufes oder gar Krankheit ohne Aussicht auf Heilung – für jeden möglichen Fall sollte das Vorgehen geregelt sein. Das Unglück selbst ist schließlich groß genug. Rechtsanwältin Stefanie Pranschke-Schade aus Wiesbaden fasst mögliche Konstellationen zusammen und erklärt, wie man sich zumindest formal darauf vorbereiten kann.

Längere Arbeitsunfähigkeit

Ist der Arzt erkrankt, kann er einen Vertreter bestellen. Erstreckt sich die Vertretung über einen längeren Zeitraum als eine Woche, muss der KV gegenüber der Vertreter benannt werden. Dauert diese Vertretung länger als einen Monat an, kann die KV die Qualifikation prüfen. Insgesamt kann sich der Arzt im Zeitrahmen von zwölf Monaten drei Monate ohne eine Genehmigung des Vorstands der KV vertreten lassen. Was muss der Arzt vorbereiten? 
Sowohl die Anzeige der Vertretung als auch die Anträge zur Genehmigung einer Vertretung können nur vom Arzt persönlich gestellt werden. Weder der Ehepartner noch der BAG-Partner kann diesen Part in seinem Namen übernehmen. Ist der Arzt also nicht geschäftsfähig, muss eine entsprechende Vollmacht vorliegen. An diesem Punkt muss in der Regel noch kein Anwalt hinzugezogen werden. Auch eine notarielle Beglaubigung ist nicht erforderlich. Die Vollmacht muss dem Bevollmächtigten vorliegen und alle an der Situation Beteilig­ten wie etwa ein BAG-Partner sollten darüber informiert werden. Liegt keine Vollmacht vor, muss ein gesetzlicher Betreuer eingesetzt werden. Dieses Verfahren benötigt Zeit und in der Zwischenzeit bleibt der Sitz ggf. vakant. Das gilt auch für eine BAG! Ohne Vollmacht kann der BAG-Partner zwar unter bestimmten Umständen einen Sicherstellungsassistenten beantragen, aber keinen Vertreter.

Auf Dauer arbeitsunfähig

Verhindert eine Erkrankung die Wiederaufnahme der Praxistätigkeit auf Dauer und ist keine Veränderung der Situation in Sicht, kann der Inhaber vorbehaltlich zugunsten eines Nachfolgers auf seine Zulassung verzichten, sodass ein Nachbesetzungsverfahren eingeleitet werden kann. Was muss der Arzt vorbereiten? 
Auch hier gilt wieder analog, dass der Arzt nur selbst in diesem Sinne tätig werden kann (s.o.). Ist der Arzt geschäftsunfähig, muss entweder eine Vollmacht vorliegen oder ein Betreuer eingesetzt werden.

Geschäftsunfähig

Liegt der Arzt im Koma und ist damit geschäftsunfähig, kann er die Belange der Praxis nicht wahrnehmen. Die Patientenversorgung ist nicht mehr sichergestellt, Verpflichtungen können nicht bedient werden und es kann auch keine Vertretung bei der KV beantragt werden. Was muss der Arzt vorbereiten? 
Der geschäftsunfähige Arzt kann weder von seinem Ehepartner noch von seinem Praxispartner vertreten werden! Liegt keine Vollmacht vor, muss also ein staatlicher Betreuer eingesetzt werden.

Tod des Praxisinhabers

Mit dem Tod eines Praxisinhabers endet die vertragsärztliche Zulassung und die Praxis nimmt nicht mehr an der ambulanten Versorgung teil. Eine Vertretung eines Toten kann nicht eingesetzt werden. Von der KV werden auch keine Honorare mehr für Leistungen, die nach dem Stichtag ausgeführt werden, ausgezahlt – auch dann nicht, wenn z.B. ein angestellter Arzt gemeinsam mit MFA oder Verah weiter anteilig versorgen könnte. In der Regel wird in einem solchen Fall der angestellte Arzt auf Antrag zum „Praxisverweser“. Gelingt dies nicht, gibt es keine Einnahmen, während Ausgaben wie Miete und Gehälter weiterlaufen. Hier ist schnelle Abhilfe erforderlich, wollen die Erben nicht finanziell in Schwierigkeiten geraten. Zumal die Erfahrung lehrt, dass Patienten auch bei relativ kurzer Unterbrechung des Praxisbetriebes abwandern, was Einfluss auf den Wert der Praxis haben kann. Um das zu verhindern, gibt es eine „Beauftragung im Todesfall“, die ermöglicht, dass die Praxis zwei Quartale bzw. auf Antrag auch länger durch einen anderen Arzt weitergeführt wird. Die Beauftragung muss von den Erben ausgelöst werden. Nach Ablauf dieser Gnadenfrist haben die Erben zwei Möglichkeiten: Sie können die Praxis auflösen oder sie können den Arztsitz an einen Nachfolger verkaufen. Für Letzteres müssen sie einen Antrag auf ein Nachbesetzungsverfahren stellen. Was muss der Arzt vorbereiten? 
Das Zulassungsverfahren für den nachbesetzenden Arzt kann erst angestoßen werden, wenn ein gültiger Erbschein, ein Testament oder eine Vollmacht des Verstorbenen vorliegt. Da das Ausstellen des Erbscheins Monate dauern kann – selbst bei geklärten Erbverhältnissen – wird die Vorsorge über ein Testament bzw. eine Vollmacht unbedingt empfohlen. Liegt ein Testament vor, kann eine Vollmacht zur kurzfristigen Regelung der Bevollmächtigung für die Erben sehr hilfreich sein. An dieser Stelle ist es meist sinnvoll, einen Anwalt hinzuzuziehen.