LANR: Ex-Assistenzärzte und Vertreter nicht unter eigener Nummer arbeiten lassen
Über lange Zeiträume Leistungen über eine fremde LANR abrechnen? Niemals, denkt jeder, der sich für einen verantwortungsbewussten Niedergelassenen hält. Doch offenbar ist diese Praxis so geläufig, dass manche Ärzte hinter vorgehaltener Hand sagen: „Unter falscher Nummer abrechnen? Och, die KV macht da nix!“ Aber in welchen Situationen kommt man überhaupt auf diese Idee?
Ein solcher Betrug – denn der falsche Einsatz der LANR kann aus strafrechtlicher Sicht als Betrug gelten – kann bewusst eingefädelt sein. Etwa um einen möglichen Anlass für Plausibilitätsprüfungen zu vertuschen. Doch nicht immer ist böse Absicht im Spiel. Eine klassische Stolperfalle birgt zum Beispiel der Moment, wenn die Zeit des Weiterbildungsassistenten abgelaufen ist und er in der Praxis weiterbeschäftigt werden soll.
Den täglichen Kampf mit dem Bürokratiemonster verloren
Denn viel zu schnell wird im täglichen Kampf mit der Bürokratie vergessen, diese Statusänderung bei der KV zu melden, und der Ex-Assistent arbeitet einfach weiter unter der Nummer des Praxisinhabers! Und vielleicht fällt diesem dabei dann auf, dass diese Nachlässigkeit für seine Praxis sogar von Vorteil ist. Etwa, wenn der Arzt den Weiterbildungsassistenten weiterbeschäftigen will, es aber zum aktuellen Zeitpunkt nicht kann. Weil er in einem überversorgten Gebiet ansässig ist und er keine Chance auf einen weiteren Sitz hat. Oder weil er bereits drei Ärzte angestellt hat und den „alten“ Weiterbildungsassistenten nicht einfach austauschen kann oder will. An diesem Punkt angelangt, könnte der Praxisinhaber auf die Idee kommen: Dann lassen wir es mal eins, zwei Monate, wie es ist, bis wir eine bessere Lösung gefunden haben. Und ruck, zuck, ist der Missstand schon ein bisschen normal geworden. Und mit jedem Quartal, in dem nichts passiert, gibt es weniger Grund für den Praxisinhaber, die Situation zu bereinigen – läuft doch!
Möglicherweise sind diese Motive zum LANR-Missbrauch jedoch noch nicht mal die brisantesten. Fälle, in denen die lebenslange Nummer „ausgeliehen“ wird, lassen sich auch bei höheren Mandatsträgern der Selbstverwaltung vermuten bzw. bei Ärzten, die einer anderen temporär lukrativen Nebenbeschäftigung nachgehen und über den Einsatz dieses Kunstgriffes ihre Praxis aufrechterhalten.
So gab es vor Jahren den Fall eines KV-Vorstandsmitglieds, das von seinem Amt zurücktreten musste, nachdem Vorwürfe im Zusammenhang mit seiner Praxisführung neben dem KV-Amt bekannt geworden waren: Angeblich hatten gleich zwei Mediziner unter seiner LANR gearbeitet. Dieser doch sehr flexible Einsatz der lebenslangen Arztnummer ließ sich über den Abgleich der Praxisabrechnung mit dem KV-Terminkalender beweisen – letztlich braucht es eben oft nur jemanden, der einem an den Karren fahren will.
Ähnliches kann natürlich auch dem Durchschnitts-Niedergelassenen passieren. Zwar wird man bei der KV eigentlich nur auffällig, wenn überdurchschnittlich viel Zeit über eine Nummer abgerechnet wird und der KV damit ein handfestes Aufgreifkriterium für ein Plausibilitätsproblem vorliegt. Aber auch wenn sich keine solchen Anhaltspunkte bieten, ist die Ruhe trügerisch. Denn so klein die Praxis sein mag – es gibt immer Mitwisser. Die MFA, die die Abrechnung macht, der Weiterbildungsassistent selbst, der Partner in der Gemeinschaftspraxis und manchmal sogar der eigene Ehepartner: Sie alle werden damit zu einem Risikofaktor – hoffentlich sagt keiner was! Aber wer will schon gerne von seiner MFA abhängig sein?
Beim Praxisverkauf haften Sie auch für Rechtsmängel!
Und das ist noch nicht das ganze Risiko. Rechtsanwältin Stefanie Pranschke-Schade, Wiesbaden, warnt: Rechtswidriges Verhalten wird dem Arzt spätestens beim Praxisverkauf zum ernsthaften Problem. Denn, ob Kaufvertrag oder sogar Compliance-Erklärung, es gilt: Der Verkäufer haftet nicht nur für Sach-, sondern auch für Rechtsmängel. Zwar lassen sich Mängelhaftungsansprüche nach der Praxisübernahme vertraglich ausschließen. Doch das gilt natürlich nicht, wenn der Verkäufer Mängel „arglistig“ verschwiegen hat.
Aber was tun, wenn der Abrechnungskunstgriff schon seit Jahren praktiziert wird? Aus einer solchen Sackgasse wieder hinauszukommen, ist tatsächlich gar nicht so leicht, so Pranschke-Schade. Erst recht nicht, wenn das Problem erst kurz vor dem Verkauf als solches erkannt wird.
Denn juristisch ist die Sachlage eindeutig: Da diese Praxis als Betrug behandelt werden kann, wird nicht nur eine sachlich-rechnerische Berichtigung nötig, sondern es ist ab einer gewissen Dimension mit einem disziplinarischem Verfahren zu rechnen. Einen Betrug zu heilen – wie Juristen es nennen, wenn es darum geht, die Folgen eines Gesetzesverstoßes möglichst abzuwenden –, ist nicht möglich.
Betrug kann nicht heilen – hier hilft nur die Zeit
Als einziges Mittel gegen das juristische Belangtwerden bleibt also die Zeit, so Pranschke-Schade. Denn die Verjährungsfrist für Betrugsfälle liegt bei fünf Jahren. „Wer über diesen Zeitraum hinweg alles korrekt abwickelt, kann im Anschluss daran beim Praxisverkauf ohne Bedenken den Ausschluss von Rechtsmängeln garantieren“, erklärt die Juristin.
Letztlich heißt das aber – und dieser Rat erstreckt sich auf alle kleineren und größeren Gewohnheiten, die sich über die Jahre in Abweichung zu Vorschriften in einer Praxis einschleichen: Wer sich mit dem Gedanken an den Verkauf seiner Praxis trägt, sollte mit Blick auf Haftungsfragen frühzeitig dafür sorgen, dass alle vertraglichen und rechnerischen Dinge ihre Richtigkeit haben, um nicht im entscheidenden Moment handlungsunfähig zu sein.
„Wir raten unabhängig von der Gefahr des ‚Auffliegens‘ dazu, keine Unkorrektheiten auf sich beruhen zu lassen“, fügt die Anwältin hinzu. „Für den Fall, dass sich ein mitwissender Mitarbeitender oder Kollege aus welcher Motivation heraus auch immer berufen fühlt, nicht einwandfreie Strukturen zu melden, bleibt Ihnen nämlich leider keine Zeit mehr, die Geschichte ins Reine zu bringen.“