Krisenkranke Kollegen – Wie Arbeitgeber ihre Mitarbeiter wieder aufbauen können
Der Fehlzeiten-Report 2017 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) betrachtet schwerpunktmäßig, von welchen Krisen Beschäftigte betroffen sein und wie Arbeitgeber helfen können. Dafür wurden 2000 Beschäftigte repräsentativ befragt. Jeder Zweite berichtete, dass er in den letzten fünf Jahren von einer persönlichen Krise betroffen war.
Wie Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO, bei der Vorstellung des Reports ausführte, waren es vorwiegend belastende Konflikte im privaten Umfeld (16,4 %), schwere Erkrankungen in der Familie (11,7 %), finanzielle Probleme (10,6 %) und die Trennung vom Partner (9 %), die die Menschen in ihren Grundfesten erschütterten. Bei den 50- bis 65-Jährigen waren vor allem der Tod des Partners (15,6 %) und eine schwere Erkrankung eines Familienangehörigen (14,6 %) bedeutsam.
Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass das schlimmste Ereignis die seelische und die körperliche Gesundheit derart beeinflusste, dass dies auch Auswirkungen auf die Berufstätigkeit hatte. Jeder Zweite berichtete, dass seine Leistungsfähigkeit eingeschränkt war. Zwei von drei Befragten antworteten, dass sie zunehmend unzufriedener mit ihrem Job waren; die Zahl der Krankmeldungen stieg (34 %).
Stresstest für die Beziehung zum Vorgesetzten im Job
Lebenskrisen wirken sich also nachweislich negativ auf die Arbeit aus. Dennoch reagieren Arbeitgeber nicht immer adäquat mit Hilfsangeboten. Dabei ist die Unterstützung bei der Krisenbewältigung – sofern gewünscht und angenommen – durchaus möglich. „Kritische Lebensereignisse bei Beschäftigten können ein ‚Stresstest‘ für die Stabilität der beiderseitigen Beziehung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter sein“, so Schröder. Würden Krisen sowohl aus Sicht des Betriebs als auch des betroffenen Beschäftigten gut gemeistert, könnten beide Seiten gestärkt daraus hervorgehen.
Kommunikation ist dabei entscheidend, doch hier hapert es manchmal. Insbesondere kleine Unternehmen haben Nachholbedarf. Laut AOK-Bundesverbandschef Martin Litsch sind das vor allem Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern (= 98 % der deutschen Unternehmen). „Sie verfügen in den meisten Fällen nicht über Ressourcen, um ein umfangreiches Bündel an Gesundheitsmaßnahmen anzubieten“, so Litsch. Allerdings könnten Betriebspartnerschaften helfen. So biete z.B. die AOK Rheinland/Hamburg Vorträge zum Gesundheitsmanagement an.
Mehrzahl der Befragten wünscht sich Unterstützung
Die Mehrzahl der Befragten bestätigt übrigens die Notwendigkeit, dass ein Unternehmen seinen Beschäftigten bei der Bewältigung kritischer Lebensereignisse zurseite stehen bzw. Unterstützung anbieten sollte. Tritt der Ernstfall ein, sieht die Lage aber anders aus. Tatsächlich sprachen neun von zehn betroffenen Befragten mit niemandem im Unternehmen über ihre Krise. 87 % unterließen es, weil sie überzeugt sind, das Thema gehört nicht an den Arbeitsplatz. 81 % meinten, dass das Unternehmen nicht helfen kann.
Gespräche mit dem Chef werden sehr positiv bewertet
In den Fällen, wo geholfen wurde, kam die Unterstützung vorwiegend von Arbeitskollegen (45,6 %). Vorgesetzte waren nur in jedem dritten Fall (28 %) hilfreich, dabei stehen „klärende Gespräche mit dem Vorgesetzten“ bei jedem zweiten Befragten auf der Liste der gewünschten Hilfen ganz oben. Andere Maßnahmen zur Krisenbewältigung sind laut den Befragten: eine andere Arbeitszeitgestaltung, ein anderer Arbeitsplatz, die Schulung und Sensibilisierung von Führungskräften oder auch eine flexiblere Urlaubsregelung.
Laut Fehlzeiten-Report war der Krankenstand 2016 in Deutschland mit 5,3 % im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Im Schnitt fehlte jeder Arbeitnehmer wegen Krankschreibung 19,4 Tage. Ansteigend sind jedoch die Fehltage wegen psychischer Erkrankung. 25,7 Tage pro Fall waren es im vergangenen Jahr.