„Spitzenfrauen Gesundheit“ wollen Frauen den Weg in Führungspositionen ebnen

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Mit einem Stellvertreterposten, der nur dem Image des Gremiums dient, gibt sich der Verein „Spitzenfrauen Gesundheit“ nicht zufrieden. (Agenturfoto) Mit einem Stellvertreterposten, der nur dem Image des Gremiums dient, gibt sich der Verein „Spitzenfrauen Gesundheit“ nicht zufrieden. (Agenturfoto) © iStock/bernardbodo

In vielen medizinischen Bereichen ­arbeiten mehr Frauen als Männer, in hohe Positionen schaffen sie es aber nur selten. Einige Spitzenfrauen wollen die strukturellen Hürden nun mittels eines eigenen Vereins beseitigen.

„Am Anfang des Berufswegs glaubt jede Kollegin noch, wenn sie sich genug an­strengt, kann sie Karriere machen. Aber irgendwann fragt sie sich dann, warum Frauen so selten ganz oben ankommen.“ Dr. ­Nicola ­Buhlinger-Göpfarth, Vorstandsmitglied des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg, kritisiert, dass Frauen im Gesundheitswesen nur nominell gleichberechtigt seien. Strukturell werde ihnen die medizinische Karriere sowie ein berufspolitisches Engagement weiterhin erschwert. Um dies zu ändern, wird die engagierte Hausärztin am 20. April 2020 gemeinsam mit Mitstreiterinnen den Verein „Spitzenfrauen Gesundheit“ gründen. Der Verein soll Frauen versammeln, die führende Positionen im Gesundheitssystem bekleiden, etwa in ärztlichen Berufsverbänden, Krankenkassen, Kammern oder KVen.

Von dem Zusammenschluss erhoffen sich die Initiatorinnen gegenseitige Unterstützung, ein höherers politisches Gewicht, vielfältige Denkansätze und mehr Aufmerksamkeit. Ihr Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Macht im Gesundheitssystem. Das Interesse sei sehr groß, berichtet Dr. Buhlinger-Göpfarth. Die Ideengeberinnen des ganzen Projekts sind Antje Kapinski, Fachleitung Gesundheitspolitik im Berliner Büro der Techniker Krankenkasse, und Cornelia Wanke, Geschäftsführerin des Vereins der Akkreditierten Labore in der Medizin und Sprecherin der Lady-Lobby.

Die Forderungen des Vereins sind konkret: Spitzenpositionen im Gesundheitswesen sollen paritätisch vergeben werden. Dr. Buhlinger-Göpfarth beobachtet, dass gerade jüngere Frauen glauben, regulatorische Maßnahmen wie Quoten seien nicht erforderlich. „Nach 20 Jahren merken sie dann aber: Es geht nicht ohne.“ Aus eigener Erfahrung wisse sie, dass Frauen durchaus gefördert würden. Sobald es aber wirklich um Macht gehe, würden sie an eine „gläserne Decke“ stoßen. Die Pforzheimer Allgemeinmedizinerin fordert ihre Kolleginnen dazu auf, sich nicht mit dem zweiten Platz zufrieden zu geben. Seit einigen Jahren gebe es in den berufspolitischen Gremien eine Tendenz, Frauen aus Gründen der Image-Pflege Stellvertreterposten anzubieten. Dies reiche aber nicht. „Eines unserer Mottos wird daher lauten: ‚Kandidiere nie auf 2!‘“, betont sie.

Als dringend änderungsbedürftig betrachtet der Verein auch die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen in medizinischen Berufen. Gleiche Leistung müsse gleich bezahlt werden.

Bestehende Strukturen schrecken Frauen ab

Ebenso wichtig sei die Berücksichtigung der Geschlechter in der Forschung und bei der Behandlung von Patienten. Der Verein fordert deshalb die Aufnahme der Gendermedizin in das Curriculum des Medizinstudiums.

Die bestehenden berufspolitischen Strukturen hält Dr. Buhlinger-Göpfarth für veraltet. Insbesondere die Sitzungszeiten würden Frauen von einem Engagement abschrecken. Ein klassisches Beispiel seien Sitzungen von Ärztekammern, die samstags von 9 bis 16 Uhr stattfinden. Für Mütter gehe das von der Familienzeit ab, die schon unter der Woche kaum vorhanden sei. Laut Dr. Buhlinger-Göpfarth könnte die Gremienarbeit mithilfe der Digitalisierung effizienter gestaltet werden. Beispielsweise könnten Präsenztermine kürzer gehalten oder vermieden werden, indem Papiere vorab per Mail herumgeschickt und von den Mitgliedern kommentiert würden. Unter Umständen könnten Konferenzen auch online nach der Sprechstunde stattfinden.

Der Verein begrüßt es, dass sich einige Männer im Gesundheitswesen solidarisch zeigen und sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzen. In vielen Gremien sei dieses Denken jedoch noch nicht angekommen.

Medical-Tribune-Bericht

Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Pforzheim Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Pforzheim © Privat