Wie Hausärzte mit den Folgen der Flutkatastrophe umgehen
Die Flutkatastrophe der vergangenen Wochen war auch für Ärzte verheerend: In Nordrhein sind 105 Praxen nicht mehr oder nur noch bedingt arbeitsfähig, in Rheinland-Pfalz können 30 Praxen nicht mehr arbeiten, die Zahl leichter Schäden ist für die KV schwer zu erfassen (Stand: 23. Juli). Den Betroffenen fehlen Strom und Wasser sowie medizinische Geräte. Akten und Impfstoffe sind unbrauchbar. Oftmals wurde mit der Praxis ein Lebenswerk zerstört. Die Bewältigung wird noch lange dauern – doch vorerst geht es darum, aufzuräumen und die ambulante Versorgung aufrechtzuerhalten.
„Ich bin nur noch mit Organisieren beschäftigt“, berichtet Allgemeinarzt Dr. Michael Berbig. Er ist Vorsitzender des Ärztenetzes Kreis Ahrweiler e.V., dem 157 Mediziner angehören. Bei ihm laufen viele Informationen zur medizinischen Situation in dem rheinland-pfälzischen Kreis zusammen. Dieser wurde von einer teilweise bis zu acht Meter hohen Welle überflutet, 128 Menschen starben, rund 800 wurden verletzt (Stand: 23. Juli). Viele Straßen sind weggeschwemmt, die Brücken zerstört. Ein halbes Jahr lang wird die Region kein Gas mehr haben. „Die Ärzte sind fertig“, berichtet Dr. Berbig. „Momentan funktioniert jeder einfach nur.“
Praxen, die im Erdgeschoss angesiedelt waren, seien hoffnungslos zerstört. Arbeitsstätten in höheren Stockwerken habe die Flut zwar verschont, aber das Erdgeschoss müsse erst von Schlamm und Dreck befreit werden. Von Regelbetrieb könne nirgends die Rede sein. „In Praxen, die es weniger schlimm getroffen hat, ist der Arzt mal für zwei Stunden am Tag da, und zwar allein. Das Personal hilft zu Hause beim Beseitigen des Schlamms und der Schäden.“
Gute Vernetzung erleichtert Organisation von Hilfe
Um die medizinische Versorgung – soweit sie noch existiert – zu koordinieren, erfasst Dr. Berbig jeden Morgen in einer Liste, welche Praxen und Apotheken wann wie lange geöffnet haben. Auch Hilfe bei der Ersatzstrombeschaffung und der Besetzung von mobilen Arztpraxen organisiert er, froh um die gute Vernetzung der regionalen Mediziner. Vom Krisenstab der KV dringe kaum etwas zu ihnen durch. Die Körperschaft habe meist keine Handynummern ihrer Mitglieder, zudem wurde die IT-Ausstattung der Praxen im Wasser unbrauchbar. Mitteilungen zu Notregelungen erreichen viele Niedergelassene nicht, das Ärztenetz schickt sie per SMS oder Messenger herum.
Notregelungen der KV Rheinland-Pfalz (Stand: 23. Juli):
- Abschlagszahlungen werden weiterhin gezahlt.
- Kann eine Praxis ihre Abrechnung nicht erstellen, ist eine Honorarermittlung auch als Schätzung möglich.
- Rezepte sind mit dem Vermerk „Hochwasser“ zu kennzeichnen, um den Mehrbedarf aufgrund der Flutkatastrophe zu dokumentieren. Dadurch soll auch eine spätere Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgeschlossen werden
- Für Patienten, die über keine Gesundheitskarte mehr verfügen, kann in Abstimmung mit den Krankenkassen das Ersatzverfahren genutzt werden.
- Betroffene Praxen können ihre am Standort genehmigte Tätigkeit vorübergehend auch an anderen Orten im Katastrophengebiet aufnehmen (zunächst bis 30.9.2021).
- Praxisinhaber, die ihre Räumlichkeiten nicht mehr nutzen können, werden bei der Suche nach neuen bzw. vorübergehenden Praxisräumen unterstützt.
- Für Praxen, die Patienten versorgen, deren Arztpraxis aufgrund der Flutkatastrophe nicht arbeitsfähig ist, wird die Mengensteuerung im Honorar ausgesetzt.
KV-Spendenkonten – von Ärzten für Ärzte:
- Empfänger: KV RLP
- IBAN: DE83 3006 0601 0042 1510 81
- Verwendungszweck: Spende Flutkatastrophe
- Empfänger: Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein
- IBAN: DE84 3006 0601 0031 4179 16
- Verwendungszweck: Spendenkonto Fluthilfe
Medical-Tribune-Bericht