COPD: neuer Report präzisiert die Initial- und Folgetherapie

Autor: Manuela Arand

Der Report 2019 enthält viel Neues. Der Report 2019 enthält viel Neues. © Fotolia/peterschreiber.media

Pünktlich zum Welt-COPD-Tag hat die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease ihren Report 2019 herausgebracht, der überraschend viel Neues enthält. Professor Dr. Claus Vogelmeier, Chef der Pneumologie am Uniklinikum Marburg und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Komitees von GOLD, erklärt die wichtigsten Aspekte für die Praxis.

Was gibt es Neues im GOLD- Update?

Prof. Vogelmeier: Die für die Praxis wichtigsten Neuerungen sind sicherlich die Differenzierung nach Initial- und Follow-up-Therapie und der Einsatz von Eosinophilen als Biomarker. Da hatten wir beim letzten Update noch gezögert, weil es zwar Daten gab, dass Eos nützlich sein könnten. Aber die Datenlage war noch nicht befriedigend. Daraus ließen sich keine praktischen Handlungsvorschläge ableiten.

Und die Datenlage hat sich jetzt geändert?

Prof. Vogelmeier: Ja. Wir haben aus den letzten großen Therapiestudien Ergebnisse, die nahelegen, dass Patienten nicht von inhalativen Steroiden (ICS) profitieren, wenn sie weniger als 100 Eosinophile pro Mikroliter Blut haben. Die Schwelle, ab der man mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit mit einem Benefit rechnen kann, liegt etwa bei einer Zellzahl von 300/µl. Im Graubereich dazwischen ist ärztliches Fingerspitzengefühl gefragt, da muss man sich den Patienten sehr genau anschauen.

Ob ein Patient ICS bekommen sollte, lässt sich also einfach anhand der Eosinophilenzahl entscheiden?

Prof. Vogelmeier: So einfach ist es dann doch nicht. Sie müssen wie bisher auch die Exazerbationshistorie berücksichtigen. Bei einem Patienten ohne Exazerbationen brauchen Sie über ein ICS gar nicht nachzudenken. Und auch nicht bei einem, der exazerbiert, aber < 100 Eos/µl hat. Dagegen sollten Sie die ICS-Gabe erwägen, wenn ein Patient häufig exazerbiert und hohe Eosinophilenzahlen aufweist – je höher, desto wahrscheinlicher wird er vom ICS profitieren.

Aber es gilt weiter: ICS immer nur zusätzlich zur bronchodilatatorischen Therapie?

Prof. Vogelmeier: Ja, unbedingt.

Soll man Eosinophile nur bei Patienten messen, die exazerbieren?

Prof. Vogelmeier: Das ist die Gruppe, bei der es sich lohnt. Bei den anderen hätte es keine therapeutische Konsequenz.

Wie stabil sind denn die Zellzahlen?

Prof. Vogelmeier: Die Reproduzierbarkeit der ermittelten Eosinophilenzahl ist vor allem am unteren Ende sehr gut. Will heißen: Hat ein Patient < 100/µl Eosinophile, brauchen Sie die Messung nicht zu wiederholen. Am oberen Ende gibt es stärkere Schwankungen. Liegt der Messwert im Graubereich oder knapp oberhalb von 300/µl, sollte man nach vier bis sechs Wochen die Eosionophilenzahl noch einmal bestimmen, wenn man auf Nummer sicher gehen möchte.

Kann man sich auf den Messwert verlassen, wenn der Patient bereits ein ICS nimmt?

Prof. Vogelmeier: Ja. ICS beeinflussen die Bluteosinophilen nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht, anders als orale Steroide (OCS). Hat ein Patient gerade wegen einer akuten Exazerbation ein OCS bekommen, sollte mit der Messung einige Wochen gewartet werden. Übrigens sollten die Eosinophilen ohnehin in einer stabilen Krankheitsphase gemessen werden und nicht während der Exazerbation.

Sie sagten, GOLD unterscheidet künftig präziser zwischen Initial- und Folgetherapie. Wie sieht die Initialtherapie aus?

Prof. Vogelmeier: Im Prinzip wie im letzten GOLD-Report. Wir unterscheiden weiter die vier Gruppen A bis D anhand von Symptomen und Exazerbationsrisiko und gestalten die Therapie entsprechend, also in erster Linie die Intensität der Bronchodilation. ICS kommen als Add-on initial allenfalls bei Patienten infrage, die schon viele und/oder schwere Exazerbationen durchgemacht haben.

Wie geht es dann weiter?

Prof. Vogelmeier: GOLD formuliert – auch das ist neu – einen Managementzyklus, dem zufolge die Therapieergebnisse immer wieder geprüft sowie die Gründe für eine inad­äquate Krankheitskontrolle ermittelt werden sollen und die Behandlung anzupassen ist.

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit bei chronischen Krankheiten – oder?

Prof. Vogelmeier: Das stimmt natürlich. Aber es ging uns darum, die einzelnen Schritte klar zu formulieren. Wenn die Therapie nicht so funktioniert wie geplant, muss ich als Erstes schauen, wo das Problem liegt – dominieren die Exazerbationen oder die Symptome? Im zweiten Schritt werde ich Inhalationstechnik, Adhärenz und nicht-pharmakologische Optionen prüfen, vor allem Rehabilitation und Selbstmanagement, aber auch Komorbiditäten, die z.B. als Ursache von Dyspnoe infrage kommen. Der dritte Schritt ist dann die Überlegung, ob ich die medikamentöse Therapie ändere und was: Muss ich eskalieren oder vielleicht sogar deeskalieren, weil Nebenwirkungen aufgetreten sind? Oder sollte ich einfach nur das Device wechseln? Das steckt alles da drin.

Wie sollte adjustiert werden?

Prof. Vogelmeier: Das richtet sich danach, ob Symptome das Bild prägen oder Exazerbationen. Aus dem DACCORD-Register mit Tausenden Patienten wissen wir, dass Patienten mit Dyspnoe als Leitsymptom die weit überwiegende Majorität ausmachen. Nur etwa 30 % der Patienten entwickeln Exazerbationen unter der Therapie.
Bei denen, die primär unter Symptomen leiden, hat man nicht viele Optionen. Man kann mit einem Bronchodilatator agieren oder mit einer Kombination von Bronchodilatatoren. Reicht das nicht, muss man erwägen: Gibt es noch andere Ursachen für die Dyspnoe? Ist es vielleicht ein Device-Problem? Also wieder die Mahnung, noch einmal grundsätzlich über den Patienten nachzudenken.

Und wenn vor allem Exazerbationen eine Rolle spielen?

Prof. Vogelmeier: Dann sollte der Arzt wie beschrieben die Eos messen und entsprechend vorgehen: bei niedriger Zellzahl die Bronchodilatation eskalieren und, falls das nicht reicht und der Patient Zeichen einer chronischen Bronchitis zeigt, an Roflumilast denken. Das machen viele Kollegen nicht so gerne, weil es oft schlecht vertragen wird. Aber neue Studiendaten zeigen, dass die Verträglichkeit deutlich besser wird, wenn man es einschleichend dosiert.
Bei hoher Eosinophilenzahl sollte man ein ICS probieren. Eine Tripletherapie kommt bei Patienten in Betracht, die unter einer LABA/LAMA-Therapie immer noch Ex­azerbationen haben und bei denen die Eosinophilenzahl mehr als 100/µl beträgt.
Zudem darf man nicht vergessen, bei allen Patienten immer wieder zu prüfen, ob die Therapie noch ad­äquat ist – man muss gegebenenfalls auch an Deeskalation denken.

Im GOLD-Report steht auch: Die Tripletherapie verbessert Lungenfunktion, Symptome und Lebensqualität und senkt das Exazerbationsrisiko stärker als alle anderen Behandlungsoptionen. Lädt das nicht dazu ein, alle COPD-Patienten auf ein Triple einzustellen?

Prof. Vogelmeier: GOLD fasst summarisch zusammen, was die Datenlage hergibt. GOLD besagt aber auch, dass die Tripletherapie keine Initialtherapie sein sollte. Die primären Therapieoptionen für die meisten Patienten mit COPD bleiben Bronchodilatatoren, mono oder dual. Wenn Patienten dennoch Exazerbationen haben, kann man in Richtung Triple eskalieren, vor allem wenn sie hohe Eosinophilenzahlen aufweisen.

Interview: Manuela Arand

Professor Dr. Claus Vogelmeier; Universitätsklinikum Marburg Professor Dr. Claus Vogelmeier; Universitätsklinikum Marburg © MT-Archiv