Befundbeurteilung „Kann ich nicht einfach ein Foto schicken?“
Ein Patient klagt am Telefon über eine Hauterkrankung. Angesichs der Corona-Infektionsgefahr hat er jedoch keine Lust, in die Praxis zu kommen. Er schlägt vor, mit dem Smartphone schnell ein Foto der betreffenden Körperregion zu machen und zu senden. Klingt pragmatisch – aber ist das rechtlich zulässig?
Dem Grundsatz nach sei eine Fotodiagnose erlaubt, erklärt Prof. Dr. Dr. Alexander Ehlers, Arzt und Fachanwalt für Medizinrecht. Sie könne die Voraussetzungen einer medizinisch gebotenen und rechtssicheren Behandlung erfüllen. Es gelten allerdings die gesetzlichen Einschränkungen der Fernbehandlung: Die Behandlung muss medizinisch indiziert sein, der aufgeklärte Patient muss sein Einverständnis geben und der Arzt muss den fachlichen Standard anwenden.
Ob eine Fotodiagnose möglich ist, müsse der Mediziner im Einzelfall abwägen, so der Experte. Zu beachten seien dabei die gesundheitliche Situation des Patienten sowie seine technische Ausstattung. Vom Arzt dürfe erwartet werden, zu prüfen, ob das Smartphone des Patienten ausreicht, um geeignete Fotos aufzunehmen. Eine hinreichende Kenntnis über die erforderliche Bildqualität und die Einschätzung des Geräts seien dazu erforderlich, führt Prof. Ehlers aus. „Ist der Arzt sich der technischen Einschränkungen bewusst, läuft er Gefahr, des Übernahmeverschuldens bezichtigt zu werden.“ Er darf eine Behandlung nicht übernehmen, wenn er weiß, dass sie die Grenzen der technischen Ausstattung übersteigt.
Die Anforderungen an die Qualität des Fotos müssen dem Patienten vorab klar verständlich mitgeteilt werden, betont Prof. Ehlers. Er empfiehlt, mehrere Fotos aus unterschiedlichen Betrachtungswinkeln, mit unterschiedlicher Belichtung, aus verschiedenen Entfernungen und mit höchstmöglicher Auflösung anzufordern. Auch die Größe des zu übersendenden Fotos sollte vorgeschrieben werden. Ein einzelnes Foto reiche regelmäßig nicht für eine den ärztlichen Standards entsprechende Diagnose. Sollten die übersendeten Fotos nicht die Qualität aufweisen, die vom Arzt als erforderlich festgelegt wurde, sollte eine Behandlung unterlassen werden, rät Prof. Ehlers. Zudem müsse der Patient vorab über die Besonderheiten der Behandlung durch Kommunikationsmedien, insbesondere deren Einschränkungen, aufgeklärt werden.
Die Haftungsrisiken bei einer Fotodiagnose unterscheiden sich von denen einer Vor-Ort-Behandlung: Ein sofortiges Einschreiten des Arztes könne bei Erfordernis nicht gewährleistet werden, so der Fachanwalt. Zudem sei eben das Risiko eines Übernahmeverschulden vorstellbar, wenn der Arzt die Grenzen des technisch Möglichen oder die seiner Fähigkeiten falsch einschätze. Bei fehlenden Kenntnissen darüber, ob ein Krankheitsbild überhaupt mit den vorliegenden Mitteln der Fernbehandlung ausreichend behandelt werden kann, könne ein „technisches Überwachungsverschulden“ vorliegen.
Technische Anforderungen an medizinische Bilder
Prinzipiell ist es möglich, mit Smartphones geeignete medizinische Fotos zu machen, schreibt ein Team von Wissenschaftlern um den britischen Medizinfotografen Timothy Zoltie von der Universität Leeds. Damit Patienten dies gelingt, sollten Mediziner auf einige technische Details hinweisen:
- Das Smartphone sollte senkrecht zum Bildgegenstand gehalten werden, nicht etwa schräg oben oder unten davon.
- Das jeweilige Körperareal sollte in der Bildmitte sein.
- Das Smartphone sollte min. 10 cm vom Bildgegenstand entfernt sein.
- Die Rückkamera ist der Frontkamera vorzuziehen.
Quelle: Zoltie T et al. BMJ 2022; 378: e067663; DOI: 10.1136/bmj-2021-067663
Übertragungswege müssen datenschutzkonform sein
Hinsichtlich der Übertragung von Fotos für eine Fernbehandlung schreibe das Gesetz keine bestimmten Modalitäten vor, erklärt der Jurist. Allerdings müsse der Schutz der Daten nach Datenschutzgrundverordnung gewährleistet werden. Es sei die Pflicht des Arztes, eine angemessene Übertragung sicherzustellen. So könne auf Verfahren verwiesen werden, deren Sicherheit durch Zertifikate und Gütesiegel objektiv bestätigt wird, etwa vom Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik oder von Datenschutzaufsichtsbehörden. Auf E-Mails oder Messenger wie Whatsapp sollte verzichtet werden.
Medical-Tribune-Bericht