Sozialabgaben für den Praxisvertreter - so schützen Sie sich vor Überraschungen
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Das Sozialgericht Kassel hatte über die Tätigkeit eines Narkosearztes zu entscheiden. Dieser war als kurzfristige Vertretung bei Engpässen im stationären Op.-Betrieb aktiv. Das Gericht sah darin eine abhängige, also sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (Urteil vom 11.1.2017, Az.: S 12 KR 448/15). Die maßgeblichen Kriterien waren:
Die Rentenversicherung sah die Tätigkeit der Radiologin als abhängige, sozialversicherungspflichtige Tätigkeit an. Hiergegen erhob die Praxis Klage und erhielt vom Landessozialgericht Recht.
Zunächst stellte das LSG klar, dass ein Engagement als Praxisvertreterin im Sinne des § 32 Abs. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung zwar bisher als selbstständige Tätigkeit angesehen werde. Dies sei aber lediglich ein Indiz. Entscheidend seien allein die Umstände des Einzelfalls, die sich nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Umsetzung ergeben.
- Die Vergütung war nicht erfolgsbezogen, der Arzt wurde stundenweise entlohnt; er schuldete nur seine Arbeitszeit.
- Der Vertreter hatte kein eigenes Risiko; er arbeitete ohne die Gefahr eines Verlustes.
- Der Vertreter war in Struktur und Arbeitsabläufe der Klinik eingegliedert; dass ihm eigener Entscheidungsspielraum, z.B. bei der Auswahl des Op.-Saals, verblieb, war unerheblich.
- dass der Vertreter das Recht hatte, einzelne "Aufträge" abzulehnen,
- und dass er bei Ausfallzeiten (krankheits- oder urlaubsbedingt) kein Entgelt erhielt.
Praxis rechnete Leistungen der Vertreterin ab
Eine Radiologin hatte tageweise Urlaubsvertretungen in einer großen radiologischen Gemeinschaftspraxis übernommen. Zu ihrer Tätigkeit gehörte die Befundung von radiologischen Untersuchungen (MRT, CT und Röntgen) in den Praxisräumen, in der Regel zwischen 9 Uhr und 14 oder 15 Uhr. Für ihre Tätigkeit stellte sie der Praxis Rechnungen mit dem vereinbarten Stundensatz von 60 Euro aus. Die Praxis rechnete die von der Vertreterin erbrachten Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung bzw. Patienten ab. Die Ärztin hatte für ihre Tätigkeit eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen.Die Rentenversicherung sah die Tätigkeit der Radiologin als abhängige, sozialversicherungspflichtige Tätigkeit an. Hiergegen erhob die Praxis Klage und erhielt vom Landessozialgericht Recht.
Zunächst stellte das LSG klar, dass ein Engagement als Praxisvertreterin im Sinne des § 32 Abs. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung zwar bisher als selbstständige Tätigkeit angesehen werde. Dies sei aber lediglich ein Indiz. Entscheidend seien allein die Umstände des Einzelfalls, die sich nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Umsetzung ergeben.
"Weisungsfrei" entspricht dem Wesen des Arztberufs
Letztendlich stellte das LSG darauf ab, dass es an einer Eingliederung der Radiologin in die Gemeinschaftspraxis fehlte und der Wille der Beteiligten dahin ging, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu begründen. Die fehlende Eingliederung machte das Gericht an folgenden Punkten fest:- Der Radiologin wurden von der Praxis keine festen Arbeitszeiten oder Schichten ohne vorherige Absprache und gegen ihren Willen zugewiesen. Insoweit stand es ihr frei zu entscheiden, an welchen Tagen sie eine Vertretung übernehmen wollte.
- Die Radiologin war auch äußerlich nicht in die Praxis eingebunden; die übrigen Ärzte trugen einheitliche Kleidung mit dem Praxislogo und eingesticktem Namen.
- Im Gegensatz zu den anderen Ärzten musste die Vertreterin nicht an den Teambesprechungen, sozialen betrieblichen Veranstaltungen und einem Zeiterfassungssystem teilnehmen.
- dass die Vertreterin weisungsfrei arbeitete, da dies – so das Gericht – dem Wesen der ärztlichen Tätigkeit entspreche, und
- dass die Vertreterin nur in geringem Maße ein für die Selbstständigkeit sprechendes unternehmerisches Risiko trug; im Wesentlichen habe sie ihre Arbeitskraft eingebracht.
Sozialversicherung auf Mitgliedersuche
Die Sozialversicherungsträger sind injüngster Zeit bemüht, möglichst viele Tätigkeiten im ärztlichen Bereich als sozialversicherungspflichtige Beschäftigungeneinzustufen. Das betrifft neben Vertretungsfällen (wie auf dieser Seite beschrieben) vor allem die Tätigkeitvon Honorarärzten (z.B.: LSG Niedersachsen Bremen vom 16.12.2015, Az.: L 2 R 516/14, LSG Mecklenburg Vorpommern vom 28.4.2005, Az.: L 7R 60/12, LSG Schleswig Holstein vom 22.11.2016, Az.: L 5 KR 176/16 B ER), aber auch die Beschäftigung eines "Partners" in einer Berufsausübungsgemeinschaft (LSG Baden Württembergvom 23.11.2016, Az.: L 5 R 1176/16; Medical Tribune berichtete).
Im Fall der Radiologin handelte es sich um eine große Praxis, in der auch angestellte Ärzte tätig waren. Kriterien wie eine an abweichender Praxiskleidung oder fehlender Teilnahme an Teambesprechungen festzumachende Nicht-Eingliederung werden jedoch bei kleineren Praxen, die besonders auf Vertretungen angewiesen sind, nicht weiterhelfen.
Gleichwohl lassen sich folgende Empfehlungen geben: 1. Der Praxisvertretervertrag sollte schriftlich abgeschlossen werden, da die Gesamtwürdigung anhand der getroffenen Vereinbarungen erfolgt. 2. Es darf auf keinen Fall der Eindruck erweckt werden, dass der Vertreter in die Praxis eingegliedert wird. Um dies zu verhindern, sollte Folgendes vorgesehen werden:
Wollen Praxisinhaber auf Nummer sicher gehen, so empfiehlt sich eine weitere Vorgehensweise: Jeder Beteiligte – also Praxisinhaber und Vertreter – kann schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt (es sei denn, es ist bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet). Über den Antrag dieses sog. Statusverfahrens entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund.
Bei einer normalen Vertretung von bis zu einem Monat wird der Einsatz des Vertreters bereits erledigt sein, bevor die Rechtswirkungen zum Tragen kommen. Da die Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe der Entscheidung eintritt und nicht zurückwirkt, ist ein solches Statusverfahren gefahrlos möglich und die Beteiligten wissen für die Zukunft, woran sie sind.
Gleichwohl lassen sich folgende Empfehlungen geben: 1. Der Praxisvertretervertrag sollte schriftlich abgeschlossen werden, da die Gesamtwürdigung anhand der getroffenen Vereinbarungen erfolgt. 2. Es darf auf keinen Fall der Eindruck erweckt werden, dass der Vertreter in die Praxis eingegliedert wird. Um dies zu verhindern, sollte Folgendes vorgesehen werden:
- Der Inhaber ist gegenüber dem Vertreter nicht weisungsbefugt.
- Der Vertreter ist vielmehr gegenüber dem übrigen Personal weisungsbefugt und tritt insoweit an die Stelle des Praxisinhabers.
- Der Vertreter ist in der Ausgestaltung seiner Vertretung so weit wie möglich frei, ggf. auch bezüglich der Praxisöffnungszeiten etc.
Wollen Praxisinhaber auf Nummer sicher gehen, so empfiehlt sich eine weitere Vorgehensweise: Jeder Beteiligte – also Praxisinhaber und Vertreter – kann schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt (es sei denn, es ist bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet). Über den Antrag dieses sog. Statusverfahrens entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund.
Versicherungspflicht erst nach der Entscheidung
Wenn – und dies ist das Entscheidende – der Antrag binnen eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wird und die Rentenversicherung Bund letztlich ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis feststellt, tritt die Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe der Entscheidung ein.Bei einer normalen Vertretung von bis zu einem Monat wird der Einsatz des Vertreters bereits erledigt sein, bevor die Rechtswirkungen zum Tragen kommen. Da die Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe der Entscheidung eintritt und nicht zurückwirkt, ist ein solches Statusverfahren gefahrlos möglich und die Beteiligten wissen für die Zukunft, woran sie sind.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht