Verwechslungsrisiko in der Arztpraxis – so lässt es sich minimieren

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Anouschka Wasner

Verwechslungsgefahr besteht unter anderem bei ähnlichem Namen und Aussehen. Verwechslungsgefahr besteht unter anderem bei ähnlichem Namen und Aussehen. © iStock/DragonImages

Früher kannte man in den Praxen seine Pappenheimer noch alle persönlich, oft über ein Leben hinweg. Heute verzeichnen auch klassische Landarztpraxen Wechsel im Patientenstamm. Wer kennt sich da noch aus?

Auch in einer kleinen Praxis in einer kleinen Stadt ist es schon passiert: Einem Patienten wurde das Rezept eines anderen Patienten ausgehändigt. Da die Packung seinen eigenen Tabletten irgendwie ähnlich sah und die Hersteller ja manchmal das Design ändern, merkte der Patient auch in der Apotheke nichts von dem Fehler. Bis der eigentliche Adressat des Rezeptes – zum Glück recht zeitnah – in der Praxis auftauchte und der Fehler auffiel, hatte der falsche Empfänger schon brav die ersten beiden Tabletten geschluckt.

Riskant: häufige, ähnliche und nicht geläufige Namen

Gesundheitliche Schäden erlitt niemand. Das hätte aber passieren können. Der Grund des Malheurs? Die Namen der beiden Patienten klangen für die MFA irgendwie ähnlich, das Telefon lief Sturm, die Chefin hatte gerufen, die Kollegin, die es hätte machen sollen, war nicht am Platz – Zeitdruck, Arbeitsteilung bzw. unklare Arbeitsteilung und Stress durch ungeplante Vorkommnisse führen immer wieder dazu, dass Patienten verwechselt werden. Wie lässt sich das ­verhindern?

Ob händisches Ziehen der Patientenakte oder Datensatzsuche im Praxisverwaltungssystem: Name und Geburtsdatum des am Tresen stehenden Patienten müssen immer eindeutig abgeglichen werden. Die Patientenidentifikation beginnt bei der Anmeldung mit dem Versichertenstammdatenmanagement. Das heißt aber auch, nicht zu fragen: „Sie sind Frau xy?“, sondern Namen und Geburtsdatum vom Patienten zu erfragen.

Die medizinische Fachkraft am Empfang sollte bei anscheinend neuen Patienten dennoch abgleichen, ob diese vielleicht doch schon einmal in der Praxis waren, um doppelte Akten zu vermeiden.

Besonders groß ist das Risiko einer Verwechslung bei

  • Patienten mit Nachnamen, die häufig vorkommen
  • Patienten mit Nachnamen, die gleich klingen
  • Patienten, die sich ähnlich sehen
  • Patienten aus der gleichen Familie
  • Patienten mit dem Personal nicht geläufigen Namen
  • Patienten mit anderer Muttersprache

Gerade in solchen Fällen ist es wichtig, die Identität des Patienten anhand mehrerer Kennzeichen zu prüfen. Manche Praxen sind sogar dazu übergegangen, den Patientenakten Fotos der Patienten zuzuordnen.

Auch wenn der Patient die Praxis in diesem Quartal schon einmal besucht hat und seine Versichertenkarte nicht vorlegen muss, sollte die Mitarbeiterin am Empfang gezielt nach Namen und Geburtsdatum fragen, um Verwechslungen auszuschließen. Wenn Nachfragen am Tresen aufgrund des Datenschutzes schwierig sind, kann man Unterlagen auch mit einer Frage wie „Ist das Ihr Rezept?“ aushändigen.

Oft kann es auch sinnvoll sein, die Patienten auf das Risiko einer Verwechslung hinzuweisen und sie zu bitten, mit darauf zu achten, dass es nicht dazu kommt. Genauso kann mit einem Schild in der Praxis darum gebeten werden, dass die Patienten ihre Rezepte, Überweisungen und ggf. Arztbriefe selbst noch einmal auf Adressierung und richtigen Inhalt hin prüfen.

Wenn sich der Patient innerhalb der Praxis in verschiedene Zimmer begibt, z.B. für diagnostische oder therapeutische Maßnahmen, sollten MFA und Arzt/Ärztin überprüfen, ob tatsächlich der richtige Patient vor ihnen steht. Und sie müssen sich nochmals vergewissern, dass sie gerade die richtige Maßnahme einleiten.

Patienten zweifelsfrei auch am Telefon identifizieren

Auch am Praxistelefon muss die anrufende Person vor jeder Auskunftserteilung eindeutig identifiziert werden. Dazu ist es nicht ausreichend, dass die Anrufer personenbezogene Daten wie Geburtsdatum oder Versichertennummer korrekt angeben können. Und die vermeintlich sichere Identifikation eines bekannten Patienten anhand seiner Stimme ist juristisch umstritten. Als rechts­sichere Methode wird der Rückruf unter einer hinterlegten Telefonnummer empfohlen. Manche Praxen vergeben auch Passwörter oder PINs, die die ­Patienten am Telefon nennen ­können. Rufen Familienmitglieder an, etwa um Ergebnisse für eine ältere Person oder einen nicht-muttersprachlichen Patienten abzufragen, bedarf es über die Identifizierung hinaus auch der korrekten Entbindung von der Schweigepflicht. Ein entsprechendes Formular muss in der Praxis hinterlegt sein und den Namen der Ärztin, des Patienten und der Person, der Auskunft erteilt werden darf, enthalten sowie auch den konkreten Fall, auf den sich die Erlaubnis zur Auskunftserteilung bezieht. Datenschützer weisen darauf hin, dass für den Fall, dass ein Mitarbeiter am Telefon unbefugt Daten herausgegeben hat, der Praxisinhaber der DSGVO zufolge abwägen muss, ob es notwendig ist, eine Meldung bei der Datenschutzbehörde zu machen.

Infusionen und Probenbehälter müssen immer eindeutig mit dem Stammdatensatz bzw. dem Strichcode versehen werden und diese Angaben müssen unmittelbar vor dem Einsatz mit der Identität des Patienten über direkte Ansprache und die Patientenakte abgeglichen werden. Eine Kennzeichnung nur auf der Umverpackung birgt natürlich die Gefahr, dass die Zuordnung irgendwo auf dem Weg der Probe ins Labor verloren geht. Genauso bergen auch Befunde Verwechslungsgefahr. Deswegen müssen die Daten auf dem Befund mit dem Anforderungsschein und der Patientenakte abgeglichen werden. Befunde mit unvollständigen, unleserlichen oder sonstwie nicht eindeutigen Daten sollten an die Stelle zurückgeschickt werden, die den Befund ausgestellt hat.

Irrtümer passieren, eine Entschuldigung hilft schon

Für das eingangs erwähnte, verwechselte Rezept hat die Praxis die Kosten übernommen und Ärztin wie MFA haben sich beim Patienten entschuldigt. In die Fehlerstatistik gehen solche Fälle selten ein. Meist lässt sich der Schaden klein halten und in der Regel ist die Bindung des Patienten an die Praxis groß, genauso wie sein Verständnis für menschliche Irrtümer. Das Dunkelfeld birgt dennoch ein brisantes Gefährdungspotenzial.

Medical-Tribune-Bericht