Private Equity vs. Weiterbildung „Weil Sie Cashcows werden“
Es gibt keine Evidenz dafür, dass das Gesundheitswesen betriebswirtschaftlich organisiert werden muss. Das unterstrich Prof. Dr. Markus Siebolds, eingeladen von der jungen DGIM. Dessen ungeachtet sei es jedoch nach der DRG-Einführung vor 20 Jahren zu einem Paradigmenwechsel in der Krankenhausfinanzierung gekommen: Die erlösgedeckte Finanzierung gilt heute als Normalzustand.
Private Equity ist nur die Spitze des Eisbergs
Dass in den vergangenen Jahren zunehmend Private-Equity-Investoren in den Markt kommen, verschärfe die Situation. Während frei-gemeinnützige oder kommunale Einrichtungen einen Gewinn von ca. 3,5 % anstreben, um investitionsfähig überleben zu können, zielten institutionelle Investoren auf vielleicht 10 %. Private-Equity-Fonds hingegen sammeln Geld von Investoren und erachten Renditen im sicher zweistelligen Bereich als notwendig. Kennzeichnend für Private Equity ist außerdem, dass neben der Erwirtschaftung von Umlaufrendite auch Geld über Spekulation verdient werden soll. Eines der Unternehmensziele ist also der Wiederverkauf der Einrichtung.
Heute sind von ca. 1.900 Kliniken in Deutschland ca. 750 in privater Trägerschaft. Dekliniert man die Zahlen durch, kann man etwa von 12.000 Ärztinnen und Ärzten ausgehen, die in privaten Kliniken in Weiterbildung sind. Im niedergelassenen Bereich kommt man mit einer vergleichbaren Rechnung zu geschätzten 280 Weiterbildungsplätzen in privat geführten MVZ. Mit Blick auf das Thema Weiterbildung sei die Situation im Niedergelassenen-Bereich also noch nicht relevant. Dort habe die Einkaufstour von Private-Equity-Kapital allerdings gerade erst angefangen.
Wie wirkt es sich auf die ärztliche Tätigkeit aus, wenn Einrichtungen des Gesundheitswesens von Private Equity geführt werden?
Angestellte Ärzte sind ihrem Arbeitgeber gegenüber weisungsgebunden. Ihr Arbeitgeber, die Geschäftsführung des Unternehmens, ist dagegen einzig seinen Gesellschaftern verpflichtet – „Gewinnmaximierung ist nicht illegal, sondern gehört zu den gesetzlichen Pflichten von Geschäftsführungen“, erklärt Prof. Siebolds. Das Professionsdreieck, das über die betriebswirtschaftliche Organisation des Gesundheitswesens zwischen Betrieb, ärztlichem Ethos und gesellschaftlichen Ansprüchen entstehe, sei für junge Kolleginnen und Kollegen aber oft „ein Horror“.
„Sie als Ärztinnen und Ärzte, die sich einerseits in der Rolle des Ausführenden der Solidaritätszusage der Gesellschaft im Sinne des SGB V und andererseits als Mittel zum Zweck einer Gewinnmaximierung, in der Rolle des weisungsabhängigen Angestellten im Sinne des § 611 ff BGB wiederfinden, müssen jeden Tag politische Entscheidungen treffen – nämlich Geldverteilungsentscheidungen“, betont Prof. Siebolds. Ein verschärfter Gewinnmaximierungsanspruch verschärft auch den Widerspruch zum ärztlichen Ethos, der gemäß der ärztlichen Berufsordnung erwartet, dass keine Weisungen von Nichtärzten angenommen werden dürfen.
Praxen und Kliniken müssen Widersprüche transformieren
Arztpraxen und Kliniken müssten den Widerspruch zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Erwartungen durch begründete Indikationsstellung transformieren. Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen verwalten den Widerspruch: „Verwaltungshinweise helfen, etwas zu vermitteln, was eigentlich schwer vermittelbar ist.“ Verschärfen sich die Widersprüche, müsse beachtet werden, dass die Indikationsstellung medizinisch und sozialrechtlich bleibt. Denn in einer industriell gesteuerten Krankenversorgung würde sich der ärztliche Handlungsraum und auch der Raum für Weiterbildung weiter verdichten. „Sie werden deprofessionalisiert – weil sie Cashcows werden.“
Was braucht also Facharztweiterbildung, um dieser Situation zu begegnen? Facharztweiterbildung ist „keine betriebliche Tätigkeit, kein Teil der Personalentwicklung. Sie liegt in der Hohheit der Kammer – diese Trennung ist wichtig!“ Aufgabe der ärztlichen Weiterbildung sei die Entwicklung einer ärztlichen Identität, deswegen sei der Schutzraum der Kammer so relevant.
Facharztweiterbildung muss also als gesetzlich geschützter Handlungsraum verstanden werden. „Reflektieren Sie die eigene Weiterbildungsrealität. Und beziehen Sie sich auf das eLogbuch als vom Arbeitgeber unabhängige Organisationsplattform.“
Quelle: Medical-Tribune-Bericht 130. Kongress der DGIM