Zahl der MVZ in Private-Equity-Besitz auch 2020 gestiegen
Mit mindestens 164 hat die Zahl der getätigten Käufe seitens Private-Equity-Unternehmen in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen im vergangenen Jahr einen neuen Höhepunkt erreicht. Wie viele einzelne Einrichtungen und MVZ dabei ihren Besitzer gewechselt haben, weiß allerdings niemand. Selten betrifft ein Kauf nur einen Standort. Von einem Kauf vor ein paar Jahren ist etwa bekannt, dass damit 160 Pflegeheime ihren Besitzer gewechselt haben.
Dass die Situation unübersichtlich ist und es keine belastbaren Zahlen gibt, liegt in erster Linie an fehlenden Veröffentlichungspflichten. Systematische Recherchen, die versuchen, Zusammenhänge herzustellen, scheitern früher oder später an abenteuerlich verschlungenen Konzernstrukturen und verlieren ihre letzte Spur in den Steueroasen, in denen sich die Fonds verstecken.
Wer eine annähernde Vorstellung zum Kaufverhalten von renditegetriebenen Unternehmen hat, ist der Buchautor Rainer Bobsin. Er beobachtet die undurchsichtige Marktsituation schon seit Jahren – so gut es eben geht. In akribischer Kleinstarbeit trägt er Informationshäppchen aus Wirtschaftsregistern, von Informationsdienstleistern, dem Bundeskartellamt und der Europäischen Kommission, aus Zeitungsmeldungen und von Internetseiten der Private-Equity-Gesellschaften und ihrer Anwaltskanzleien und Beratungsfirmen zusammen und veröffentlicht sie einmal im Jahr.
Für 2020 steht die Veröffentlichung kurz bevor. Sie wird zeigen: Der Trend zum MVZ als Investitionsobjekt hält an. Während Bobsin im Jahr 2018 noch etwa 425 MVZ-/Praxisstandorte in Private-Equity-Besitz ausfindig gemacht hatte (ohne Zahnarzt-MVZ) und 2019 dann über 600, geht er für 2020 von rund 750 Standorten aus – trotz Corona-Widrigkeiten in vergangenem Jahr, die das Geschäft zumindest etwas gebremst haben dürften.
In Berlin sind auch Hausärzte und Internisten mit im Boot
Gerade in den letzten zwei Jahren lässt sich verstärkt beobachten, so Bobsin, dass der Bereich der ambulanten Versorgung verstärkt im Ziel der Kaufinteresses liegt, neben dem Pflegebereich. In der Regel geht es den Investoren um kapitalintensive Fachbereiche wie Labor, Radiologie oder Ophthalmologie. Seit dem vergangenen Jahr bietet die Sanecum-Gruppe, ein deutschlandweit tätiges Gesundheitsunternehmen, in Berlin in vier Policum-Standorten ein Versorgungsangebot, das neben anderen Fachbereichen explizit auch den haus- und kinderärztlichen anbietet. Aber was ist eigentlich das Problem mit Private-Equity-Unternehmen? Es liegt in der Natur der Sache: Private-Equity-Gesellschaften erzielen ihre Rendite in erster Linie beim Wiederverkauf der Unternehmen. Die Zielparameter der Investoren orientieren sich vorrangig daran, das Unternehmen möglichst gewinnbringend wieder verkaufen zu können – statt am Geschäftszweck. Darin unterscheiden sich Private-Equity-Unternehmen (und Family-Equity-Unternehmen, wenn sie nach dem gleichen Prinzip arbeiten) von anderen privaten Investoren.Arzt im MVZ in „größerer innerer Unabhängigkeit“?
Und: Beim Vergleich der Tätigkeit des im MVZ angestellten Arztes mit dem Niedergelassenen spreche einiges dafür, dass der Arzt im MVZ seiner Behandlungstätigkeit unter gewissen Aspekten in größerer innerer Unabhängigkeit nachgehen könne als der niedergelassene Vertragsarzt, da er keine finanzielle Verantwortung für das Unternehmen trage. Für den angestellten Arzt mag das in bestimmten Konstellationen zutreffen, sagt Bobsin. Für den ärztlichen Leiter eines MVZ in Private-Equity-Besitz sehe das oft anders aus. Viele Verträge enthielten Benchmarking-Systeme und monatliches Reporting gegenüber der Zentrale. Besonders schwierig stellt es sich Bobsin vor, wenn Earn-Out-Klauseln im Kaufvertrag vereinbart wurden. Über diese werden Teile des Kaufpreises an Umsatzziele gebunden. Ehemaligen Praxisinhabern ist wahrscheinlich viel daran gelegen, diese Ziele zu erreichen. Es geht schließlich um ihr Lebenswerk.Medical-Tribune-Recherche