MVZ „Die Steuerung der Erlöse erfolgt maßgeblich über den Terminkalender“

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Stephanie Dreher, Henriette Marcus

Ende 2022 waren laut KBV 4.574 MVZ zugelassen. Im Schnitt arbeiten in einem MVZ sechs Ärzte bzw. Psychotherapeuten. Ende 2022 waren laut KBV 4.574 MVZ zugelassen. Im Schnitt arbeiten in einem MVZ sechs Ärzte bzw. Psychotherapeuten. © MQ-Illustrations – stock.adobe.com

Die schwierige Suche nach Praxisnachfolgern und die Neigung junger Ärzte zum Anstellungsverhältnis führen dazu, dass die hausärztliche Versorgung zunehmend in MVZ sichergestellt wird. Medienberichte schürten zuletzt jedoch Zweifel, ob sich ein hausärztliches MVZ kostendeckend führen lässt. Die beiden Autorinnen meinen, dass dies durchaus möglich ist. Sie erklären, worauf beim MVZ-Betrieb zu achten ist.

Das Zi-Panel vom Februar 2024 zeigt für das Jahr 2021 einen durchschnittlichen Jahresüberschuss je hausärztlichem Praxisinhaber von 189.000 Euro. Demnach ist davon auszugehen, dass es auch 2024 – trotz zwischenzeitlicher Kostensteigerungen – grundsätzlich noch attraktiv ist, eine Hausarztpraxis zu betreiben. Folglich muss es auch möglich sein, ein hausärztliches MVZ kostendeckend zu betreiben.

Mit der Überführung einer Praxis in ein MVZ treten jedoch i.d.R. kosten- und erlösrelevante Veränderungen ein, die zu einem Defizit in einem hausärztlichen MVZ führen können. Solche Einflüsse sind:

  • Die Erlöse je Arzt sind erfahrungsgemäß rückläufig, da angestellte Ärzte bei einer Vollzeitstelle maximal 40 Stunden pro Woche arbeiten und nicht 50 bis 60 Wochenstunden, wie ein Praxisinhaber. Hinzu kommt, dass innerhalb derselben Arbeitszeit i.d.R. weniger Patienten behandelt werden, d.h., die „Patiententaktung“ des angestellten Arztes (wie viele Patienten werden pro Stunde gesehen und behandelt) ist im MVZ niedriger als in der Praxis.
  • Im Vergleich mit der Einzelpraxis entstehen zusätzliche Overheadkosten für Geschäftsführung bzw. MVZ-Management und -Verwaltung, z.B. IT, Einkauf, Personalabteilung, Buchhaltung, kaufmännisches Controlling, Jahresabschluss und Bilanzerstellung.
  • Die Gehaltserwartung eines angestellten Hausarztes ist zwar i.d.R. niedriger als die Gewinnerwartung eines Praxisinhabers. Das kann aber die zusätzlichen Overheadkosten und sinkenden Erlöse nicht völlig kompensieren. 
  • Soweit Kaufpreise für die eingebrachten Praxen mit den Vertragsarztsitzen gezahlt wurden, belasten zusätzliche Abschreibungen die wirtschaftliche Lage.
  • Ist ein Investor beteiligt, kommen Zinserwartungen hinzu.

Um ein hausärztliches MVZ kostendeckend zu betreiben, bedarf es steuernder Maßnahmen des Managements. Das sind insbesondere:

Schlanker Overhead

Die Stellenanteile und Gehälter von Geschäftsführung und MVZ-Management sind an die Größe und wirtschaftlichen Möglichkeiten des MVZ anzupassen. Gleiches gilt für den Verwaltungsapparat und die Einbindung eines Investors nebst Zinserwartung. Der Overhead ist möglichst schlank aufzustellen, Verwaltungsleistungen sollten in der „Hands-on-Mentalität“ einer Praxis organisiert werden. Das heißt z.B.: Buchhaltung und Personalabrechnung durch ein Steuerbüro ist oftmals günstiger als die Verwaltungsabteilungen des neuen Trägers. Der IT-Support durch ein ortsansässiges Systemhaus anstelle der IT-Abteilung des Trägers ist meist nicht nur kostengünstiger, sondern hat meist auch den Vorteil kürzerer Reaktions- und Behebungszeiten.

Steuerung und Controlling

Das kaufmännische Controlling ist auf das Mindestmaß zu beschränken, dafür aber auf die Bedarfe eines MVZ anzupassen. Um stets Transparenz darüber zu haben, wo Unterstützungs- bzw. Handlungsbedarf für prozessuale Verbesserungen besteht, ist es wichtig, Erlöse und Kosten je Praxis und Arzt zu monitoren und nicht nur für das Versorgungszentrum insgesamt.

Standards für den Terminkalender

Die Anzahl der Patienten und die Arzt-Patienten-Zeit je Kontakt bestimmen die Erlöse des Arztes und damit des MVZ. Die Steuerung der Erlöse erfolgt daher maßgeblich über den Terminkalender. Dieser sollte nicht dem Zufall oder den Vorstellungen des einzelnen Arztes bzw. der MFA überlassen sein. Vielmehr sind zentrale Vorgaben für die Terminkalender zu definieren, die mit jedem Arzt besprochen und überwacht werden. Selbstverständlich muss der Kalender an die Schwerpunkte und Berufserfahrung des jeweiligen Arztes angepasst sein; ggf. wird der Kalender stufenweise entwickelt.

Standards für die Abrechnung

Die Qualität und Vollständigkeit der Abrechnung muss in der Endkontrolle durch das MVZ-Management gesichert werden und kann nicht allein dem einzelnen Standort bzw. Arzt überlassen bleiben. Es sind Standards zu definieren, etwa das Vier-Augen-Prinzip, die zeitnahe und vollständige Abrechnung aller Patientenkontakte des Tages (Tageslisten) sowie Ziffernketten. Die Verantwortung fürs Abrechnen ist klar festzulegen (wer macht wann was?).

Präsenz und stete Kommunikation

Ein Schlüsselfaktor für den wirtschaftlichen Erfolg eines MVZ ist: „Jemand“ muss den Praxisinhaber ersetzen. Es braucht die Figur des Inhabers, die regelmäßig in den MVZ-Standorten präsent ist, mit allen Verantwortlichen in Kontakt steht und kommuniziert sowie auch den MVZ-Managern klare Aufgaben und Ziele vorgibt. Ein Manager kann ein MVZ nicht völlig eigenständig organisieren, er braucht die Entscheidungen und Vorgaben des Inhabers bzw. dessen Vertreters im täglichen Betrieb – bis hinab auf die operative Ebene einzelner Prozesse.

Ziele, Kennzahlen und Erfolge transparent machen

Alle angestellten Ärzte sind über ihre Honorardaten, ihre Erlöse und die Kostenstellenrechnung zu informieren. Ebenso wichtig ist es, Ziele zu vereinbaren und positive Entwicklungen zu kommunizieren sowie im Team Erfolge zu feiern. Keinesfalls bedarf es stets einer variablen Vergütung, oftmals genügen Transparenz und Wertschätzung.

Zentrale Führung und die ärztliche Unabhängigkeit

Trotz aller Vorgaben für Abläufe – bis hin zum Terminkalender – bleibt die Weisungsfreiheit in medizinischen Angelegenheiten selbstverständlich gewahrt. Das spiegelt sich auch darin wider, dass jeder Anstellungsvertrag eines Arztes im MVZ (sinngemäß) eine Passage beinhaltet, dass er nur in den nicht-ärztlichen Angelegenheiten den Weisungen des Arbeitgebers unterliegt. § 2 Abs. 2 der Musterberufsordnung besagt, dass Ärzte ihr Handeln am Wohl der Patienten auszurichten haben und das Interesse Dritter nicht über das Wohl der Patienten stellen dürfen. Denn in seiner ärztlichen Verantwortung ist jeder Mediziner in Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet.

Berufs- und sozialrechtliche Vorgaben in Arbeitsverträgen

Arbeitsverträge beinhalten üblicherweise Regeln, wonach der Arzt seinen Beruf nach freiem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und Menschlichkeit sowie unter Beachtung der gesetzlichen, insbesondere berufsrechtlichen Grundsätze der korrekten Berufsausübung und seiner Fachgebiete ausübt. Dies wird ergänzt, u.a. durch das Weisungsrecht gegenüber nachgeordnetem (nicht-)ärztlichem Personal, der Möglichkeit, mit weiteren Ärzten der Einrichtung zusammenzuarbeiten und diese konsiliarisch zu Fällen hinzuziehen, sowie dem Beachten der freien Arztwahl der Patienten inner- und außerhalb des Versorgungszentrums.

Pflichten angestellter Ärzte in Diagnostik und Therapie

Der angestellte Arzt bleibt im MVZ ebenso wie in der Einzelpraxis oder in der Berufsausübungsgemeinschaft in Diagnostik und Therapie dem Gesetz verpflichtet. Die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen durch die Mitarbeiter des MVZ kann und muss das Management verlangen; bei einem Verstoß wird es aus Compliance-Gründen im Einzelfall auch handeln. Um die vertragsarztrechtlichen Vorgaben im MVZ zu gewährleisten, werden dem Ärztlichen Leiter Weisungsbefugnisse auch gegenüber den Ärzten des MVZ eingeräumt, da er für die Einhaltung in besonderer Weise haftet. 

Der angestellte Arzt hat

  • eine dem § 630c ff BGB genügende Aufklärung über standardgerechte Diagnostik und Therapien durchzuführen,
  • nach § 12 SGB V im Rahmen des ärztlich Notwendigen eine zweckmäßige, wirtschaftliche und sparsame Behandlung zu gewährleisten und die Abrechnungsbestimmungen sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten,
  • neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 Abs.1 SGB V, die zu Mehrkosten führen, mit dem Arbeitgeber zuvor abzustimmen, wenn nicht ausnahmsweise die medizinische Notwendigkeit im Einzelfall solche Maßnahmen gem. § 2 Abs.1a SGB V unabdingbar macht,
  • eine dem § 630f BGB genügende Dokumentation zu führen und die von ihm erbrachten Leistungen unter Beachtung der vertragsärztlichen und sonstigen Bestimmungen zu dokumentieren und
  • alle sonstigen (unter)gesetzlichen Regeln zu beachten, die die Behandlung determinieren (z.B. korrekte Leistungserbringung und -abrechnung nach EBM und GOÄ, Vorgaben des Bundesmantelvertrages samt Anlagen, Richtlinien des G-BA und der Bundesärztekammer, Schutzgesetze wie Hygiene- oder Strahlenschutzrecht, ärztliches Weiterbildungsrecht), ggf. inklusive der dazu ergangenen Rechtsprechung. 

Organisatorische Vorgaben durch das MVZ-Management

Das Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers in Fragen z.B. der Arbeitszeiterfassung, der Auswahl der Verwaltungsprogramme oder zu Vorgaben der IT-Anwendung dürfte unstrittig sein. Für Managementvorgaben zu Praxisabläufen, internem Arbeitsprozess, Dienstplänen und zur Terminvergabe gilt dies unter den o.g. Vorgaben grundsätzlich genauso. Dabei sind Plausibilitätszeiten zum abrechenbaren Aufwand und die Pflicht, die Sprechstunden im gesetzlichen Mindestumfang und nach Maßgabe des Zulassungsbescheids auszuführen, ebenso zu beachten wie Arbeitszeit- und Urlaubsgesetz oder vertragliche Erfüllungspflichten aus ambulanten oder stationären Kooperationsverträgen. 

Unter Beachtung des regulatorischen Korridors sind organisatorische Managementvorgaben rechtlich möglich und sollten genutzt werden, um durch effiziente Strukturen und Arbeitsweisen die Zukunft des MVZ zu sichern. Erfolg bedeutet hierbei nicht nur kostendeckender Betrieb, sondern beinhaltet auch zufriedene Patienten und Mitarbeiter.

Gastbeitrag