Gemeinsam entscheiden Wissenschaftler sehen Vorteile für die Arzt-Patienten-Kommunikation

Praxismanagement , Patientenmanagement Autor: Dr. Ingolf Dürr

Die PEF zeigt u.a. günstige psychosoziale Effekte. (Agenturfoto) Die PEF zeigt u.a. günstige psychosoziale Effekte. (Agenturfoto) © nenetus – stock.adobe.com

Führt eine gemeinsame Entscheidungsfindung von Arzt und Patient zu besseren Behandlungsergebnissen? Auf diese Frage versucht das IQWiG eine wissenschaftlich fundierte Antwort zu finden. Die Ergebnisse sind nicht eindeutig.

Das Konzept der partizipativen Entscheidungsfindung (PEF) gilt als ein Goldstandard für die Zusammenarbeit von Arzt und Patient, da sie den mündigen Patienten in den Mittelpunkt des Handelns stellt. Patient und Arzt begegnen sich in diesem Modell als gleichberechtigte Partner. PEF könne sich positiv auf die allgemeine Zufriedenheit von Patienten und ihr Vertrauen in getroffene Entscheidungen auswirken, heißt es. Kontrovers diskutiert wird jedoch, inwieweit auch patientenrelevante, krankheitsbezogene Endpunkte durch PEF positiv beeinflusst werden können.

Im Auftrag des IQWiG prüfte ein Wissenschaftsteam den Nutzen verschiedener Maßnahmen oder deren Kombination zur Unterstützung der PEF. Ausgewertet wurden sieben sys­tematische Übersichten als „Review of Reviews“, hier eine Zusammenfassung aus mehr als 250 methodisch hochwertigen Studien. In diesen zeigten sich für patientenrelevante Endpunkte wie „Gesundheitszustand“ oder „Lebensqualität“ weder für den Einsatz von Entscheidungshilfen noch für andere PEF-Maßnahmen Vor- oder Nachteile. 

Beim Vergleich von Entscheidungshilfen und Standardversorgung fanden die Wissenschaftler u.a. bei den PEF-bezogenen Endpunkten „Wissen“, „richtige Einschätzung von Risiken“, „Arzt-Patient-Kommunikation“ und „Übereinstimmung zwischen informierter Präferenz und Entscheidung“ einen Vorteil zuguns­ten der Entscheidungshilfen.

Der Bericht ist noch vorläufig und wird vom IQWiG zur Diskussion gestellt. Sein Ergebnis ähnelt jedoch früheren Untersuchungen, in denen einerseits als relevant erachtete Endpunkte durch eine PEF-Umsetzung signifikant verbessert wurden im Vergleich zu Kontrollgruppen. Andere Studien fanden jedoch keine Unterschiede zwischen Kontroll- und Interventionsgruppe.

Forschungsbedarf beim Einfluss auf die Therapietreue 

Wichtige Impulse für eine Stärkung der Patientenautonomie ergeben sich daraus, dass evidenzbasierte Therapieoptionen durch den wissenschaftlichen Fortschritt rasant zunehmen. Dadurch bestehen zunehmend Wahlmöglichkeiten bei der Behandlung, die sich hinsichtlich Ergebnis, Risiken und Nutzen stark unterscheiden können. Relevant wird dies besonders bei schwerwiegenden, potenziell lebensbedrohlichen sowie bei chronisch lebensbegleitenden Erkrankungen. Die Perspektive des Patienten, seine Vorstellungen, Werte und seine Risikobereitschaft sollten daher schon aus einer ethischen Haltung heraus Berücksichtigung finden. 

Internationale Studien belegen günstige psychosoziale Effekte der PEF. Interventionen wie Entscheidungshilfen, Ärzte- und Patiententrainings verbessern die Arzt-Patient-Kommunikation und beteiligen Patienten am medizinischen Prozess. Es kommt zu einer Wissenszunahme, einer besseren Risikowahrnehmung, zu realistischeren Erwartungen über die Behandlungsverläufe und zu geringeren Entscheidungskonflikten. Die Ängstlichkeit der Patienten steigt durch die PEF-Interventionen nicht an, die Lebensqualität wird nicht beeinflusst. 

Hinsichtlich der Inanspruchnahme von Leistungen ist die Datenlage uneinheitlich. Forschungsbedarf besteht beim Einfluss von PEF-Maßnahmen auf die Therapietreue, klinische Behandlungseffekte und gesundheitsökonomische Messgrößen. Auch Behandler profitieren von PEF, da die Arzt-Patient-Beziehung gestärkt wird, sie Verantwortung abgeben können, ihre Zufriedenheit mit dem Patientenkontakt wächst und Folgekontakte ggf. kürzer ausfallen.

Quelle: Bieber C et al. Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) ... Psychother Psych Med 2016; 66: 195–207