Physiotherapie Heilmittel als telemedizinische Leistungen
Bis zum 31. März 2022 war eine Videobehandlung im Bereich der Physio-, Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie sowie der Ergotherapie und der Ernährungstherapie möglich. Jetzt hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entschieden, die Coronavirus-Sonderregelungen im Bereich der veranlassten Leistungen und damit auch der Physiotherapie auslaufen zu lassen und sie gleichzeitig rückwirkend ab April 2022 in die Regelversorgung aufzunehmen.
Gesetzlich geregelt ist der Anspruch der gesetzlich Versicherten auf eine telemedizinische Behandlung mit Heilmitteln im DVPMG, dem Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege. Der G-BA hat deshalb zunächst festgelegt, wie Maßnahmen der Heilmitteltherapie telemedizinisch durchgeführt werden können und die Heilmittel-Richtlinie entsprechend angepasst. Bis Ende 2021 sollte dann der GKV-Spitzenverband mit den Heilmittelverbänden über Rahmenverträge definieren, welche Leistungen telemedizinisch erbracht werden können und welche technischen Voraussetzungen dafür erforderlich sind.
Welche Leistungen der Physiotherapie aus dem zur Verfügung stehenden Katalog telemedizinisch erbracht werden sollen, entscheiden die Vertragsärztinnen und -ärzte beim Ausstellen der Heilmittelverordnung (Formular 13). Sofern die telemedizinische Leistung möglich ist, bedarf es keiner weiteren Maßnahmen auf dem Verordnungsformular, sodass der Therapeut frei entscheiden kann. Spricht aus ärztlicher Sicht hingegen ein wichtiger Grund dagegen, so muss eine Behandlung per Video mit einem entsprechenden Hinweis auf dem Verordnungsformular im Feld „ggf. Therapieziele / weitere med. Befunde und Hinweise“ ausgeschlossen werden.
Änderung des Rezepts im Nachhinein ist möglich
Ergibt sich dagegen erst im Laufe der Heilmittelbehandlung, dass diese auch per Video erfolgen kann, ist das nach Zustimmung des Versicherten und im Einvernehmen mit dem verordnenden Vertragsarzt ebenfalls möglich. Eine entsprechende Änderung der Verordnung (Formular 13) durch den Physiotherapeuten oder die Physiotherapeutin bedarf dabei keiner erneuten Unterschrift des Arztes.
Und welche Auflagen muss die Therapeutin bzw. der Therapeut erfüllen? In einer Vereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband und den Spitzenorganisationen der Physiotherapie sind die folgenden Leistungsvoraussetzungen festgelegt worden:
- Die Heilmittelbehandlung per Video muss in Echtzeit erfolgen.
- Die Entscheidung wird grundsätzlich zwischen Patient oder Patientin und Therapeut oder Therapeutin getroffen.
- Die erste Behandlung und Verlaufskontrollen erfordern einen unmittelbar persönlichen Kontakt zwischen Patient und Therapeutin / Therapeut.
- Kann im Rahmen einer Behandlung per Video das Therapieziel nicht erreicht werden oder gibt es Übertragungsprobleme, muss die Behandlung im unmittelbar persönlichen Kontakt fortgesetzt werden.
- Telemedizinische Leistungen können, sie müssen aber nicht per Video angeboten werden. Sie erfolgen ausschließlich in zugelassenen Praxisräumen und sind auf bestimmte Heilmittel begrenzt (siehe Tabelle). Zusätzlich werden die telemedizinischen Leistungen auf einen bestimmten Anteil an verordneten Behandlungseinheiten je Verordnung begrenzt.
- Die Behandlung per Video kann nur im gegenseitigen Einverständnis zwischen Therapeut / Therapeutin und der gesetzlich versicherten Person durchgeführt werden, es muss eine Aufklärung erfolgen und die Einwilligung muss schriftlich erfolgt sein.
- Die Behandlung soll grundsätzlich vom selben Therapeuten / derselben Therapeutin durchgeführt bzw. fortgeführt werden – und zwar sowohl im unmittelbar persönlichen Kontakt als auch per Video.
Telemedizinische Leistungen in der Physiotherapie | |
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Verordnungsfähiges Heilmittel | Anteil an verordneten Behandlungseinheiten |
Allgemeine Krankengymnastik (KG) – Einzelbehandlung | kann bis zur Hälfte der verordneten Behandlungseinheiten |
Allgemeine Krankengymnastik (KG) – Gruppenbehandlung | kann bis zur Hälfte der verordneten Behandlungseinheiten |
Krankengymnastik zur Behandlung schwerer Erkrankungen der Atmungsorgane (KG Muko) | kann bis zur Hälfte der verordneten Behandlungseinheiten |
KG-ZNS-Kinder nach Bobath | von den verordneten Behandlungseinheiten können bis zu 3 Behandlungseinheiten als telemedizinische Leistung erbracht werden, dies gilt insbesondere für die Anleitung der Bezugspersonen |
KG-ZNS-Erwachsene nach Bobath | von den verordneten Behandlungseinheiten können bis zu 3 Behandlungseinheiten als telemedizinische Leistung erbracht werden, dies gilt insbesondere für die Anleitung der Bezugspersonen |
Manuelle Therapie | von den verordneten Behandlungseinheiten kann bis zu 1 Behandlungseinheit als telemedizinische Leistung erbracht werden |
Anfang April hat der GKV-Spitzenverband jedoch mitgeteilt, dass in den Bereichen der Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie sowie der Ergotherapie bisher keine Einigung erzielt werden konnte und dass die Schiedsstelle angerufen wurde. Bis zur deren Entscheidung können diese Therapien deshalb nicht per Video erbracht und mit den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. Bei der Ernährungstherapie können per Video die Anamnese und die Intervention durchgeführt werden, allerdings nur bei nicht mehr als 50 % der verordneten Zeitkontingente, wovon bis zu 30 Minuten auch als telefonische Beratung berechnungsfähig sind.
Aber Achtung: Diese Regelungen sind für die Praxen zweischneidig. Die in der Tabelle zusammengefassten Leistungen (nicht vollständig) können per Video bzw. in der Ernährungsberatung auch telefonisch erbracht werden. Während die telefonische Behandlungsmöglichkeit aktuell durch Streichen der Nr. 01434 EBM eliminiert wurde und eine rein vertragsärztliche Behandlung per Video nur mit einem Abschlag von 30 % vergütet wird, werden Physiotherapeuten Telefonate und Videobehandlung genauso bezahlt wie eine „Präsenzbehandlung“. Das ermöglicht betriebswirtschaftlich gesehen eine erhebliche Leistungsausweitung.
Weniger Hausbesuche wären im Interesse der Kassen
Findet der Patient eine solche Behandlung ebenfalls gut, haben Vertragsärztinnen und -ärzte den „Schwarzen Peter“. Nur wenn sie eine solche Behandlung aktiv ausschließen, muss sie vor Ort erfolgen. Bei Pflegepatienten kommt dabei ggf. sogar der Druck der Kassen dazu. Um die dort notwendige zusätzliche Abrechnung von Hausbesuchen durch Physiotherapeuten zu reduzieren, könnte die Kasse eine solche Beanstandung sogar als Anlass zu Regressforderungen nehmen.
Medical-Tribune-Bericht