Medikationskatalog: Ärzte und Apotheker sehen viele Vorteile einer engen Kooperation
Die steigenden Arzneimittelausgaben zwingen die gesetzlichen Krankenkassen zum Gegensteuern. Preisverhandlungen mit Herstellern zu neuen Medikamenten – nach der frühen Nutzenbewertung (FNB) – sowie Rabattverträge sind inzwischen Usus. Zugleich wird über Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses und bundesweit geltende bzw. regionale Verträge zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen Einfluss auf das Verordnungsverhalten der Ärzte genommen.
Kooperation Ärzte-Apotheker ist für beide Seiten vorteilhaft
So vereinbaren KBV und GKV-Spitzenverband für verordnungsstarke Anwendungsgebiete bevorzugt zu berücksichtigende Arzneimittelgruppen und Leitsubstanzen. Definiert werden u.a. Verordnungshöchstquoten, z.B. betrifft das bei Antidiabetika den Anteil der GLP-1-Analoga an der Gesamtgruppe exklusiver Insuline. Viele Regelungen sind in der Praxissoftware hinterlegt. Leistungen der Vertragsärzte müssen „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein. Halten sich die Verordner nicht daran und können sie Abweichungen im Einzelfall nicht begründen, droht der Regress.
„Ich bin froh, dass ich kein Vertragsarzt bin“, erklärte dazu Professor Dr. rer. nat. Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Für ihn ist klar: „Therapiefreiheit gibt es in der ambulanten Versorgung von GKV-Versicherten schon lange nicht mehr.“ Und eine Trendwende sei nicht erkennbar. Der Pharmazeut befürchtet sogar noch eine Verschärfung des Drucks, wenn die FNB-Ergebnisse künftig auch noch über das geplante Arzneimittel-Informationssystem Eingang in die Arztsoftware finden.
Prof. Schulz, der auch stellvertretender Vorsitzender der Bundesapothekerkammer-DDG-Kommission „Einbindung der Apotheker in die Diabetikerversorgung“ (EADV) ist, bekräftigt deshalb die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern. Bei ärztlichen Formfehlern im Rezept und bei der Beachtung von Rabattverträgen wirke der Apotheker schon heute als „Regressverhinderer und Beschützer“.
Positiv hebt der Pharmazeut den Medikationskatalog der KBV hervor, der inzwischen in den KV-Bezirken Nordrhein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern sowie in Thüringen und Sachsen (beide gehören zur Arzneimittelinitiative ARMIN) die Richtgrößenprüfung abgelöst hat. Dieser regelmäßig aktualisierte Katalog listet Standard-, Reserve- sowie nachrangig zu verordnende bzw. nicht empfohlene Wirkstoffe auf und dient den Ärzten als Empfehlung.
Zu den gelisteten Medikamenten gehören u.a. Antibiotika und Herzpräparate sowie Medikamente gegen Fettstoffwechselstörungen und Diabetes Typ 2. Weitergehende Bemerkungen z.B. zum Ergebnis der FNB erleichtern Ärzten die Entscheidung.
Die Frage sei, so Prof. Schulz, ob nicht für alle ein Medikationsmanagement mit Wirkstoffverordnung und bundesweitem Medikationskatalog anzustreben sei. Thematisiert werde dies auch in der EADV-Kommission.
Vorgaben aus Verträgen zwischen der KV Westfalen-Lippe mit der AOK bzw. der Barmer bekräftigten die Notwendigkeit eines einheitlichen Medikationskatalogs, sagt auch Dr. Martin Lederle, Diabetologe im Medizinischen Versorgungszentrum am Krankenhaus Ahaus. Es sei doch absurd, dass jede KV mit den Kassen neue Leitsubstanzen festlege.
Dies bestätigt Peggy Münch, Apothekerin aus Hamburg. Sie spricht sich zudem für die Wirkstoffverordnung aus. Diese stärke – „nach einer sicherlich harten Lernphase“ – die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker.
Auch der Medikationsplan muss eingebunden werden
Die Pharmazeutin macht deutlich, dass auch Apotheken zahlreiche Rahmenbedingungen beachten müssen – von der Prüfung der formalen Richtigkeit der Daten auf dem Rezept bis zur Berücksichtigung von Rabattverträgen, Reimportquote, Aut-idem- und Wirkstoffverordnung. Retaxationen sind bei Apotheken ebenfalls ein Problem. Sie spricht sich auch für die Einbindung des bundeseinheitlichen Medikationsplans in eine Arzt-Apotheker-Kooperation aus. Dadurch könnten arzneimittelbezogene Probleme zielgerichteter besprochen werden. Und dies nütze auch den Patienten.