Teil des digitalen Ökosystems

DiGA und ePA, DiGA und DMP – die Vernetzung beginnt

Laut Bundesregierung gelingt 2025 mit der elektronischen Patienten­akte „für alle“ ein wesentlicher Fortschritt in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Die Anbindung der DiGA gehört dazu. Dr. Anne Sophie Geier, Geschäftsführerin des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung, ordnet aktuelle Entwicklungen ein. 

Der DiGA-Markt wächst. Wo liegt Ihre Schätzung für Ende 2024?

Die Verordnungszahlen steigen kontinuierlich an. Wie sie sich genau entwickeln, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zuverlässig schätzen. Konkrete Daten werden wir in unserem nächsten DiGA-Bericht veröffentlichen.

Die Zahl der verfügbaren DiGA bewegt sich allerdings wenig – auch weil Anwendungen die Erprobungsphase nicht überstehen. Zudem befinden sich beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur wenige Anträge zur Prüfung. Woran liegt das?

Das DiGA-Antragsverfahren ist äußerst anspruchsvoll. Wer eine Listung im DiGA-Verzeichnis erreichen will, muss höchste Anforderungen erfüllen, unter anderem an Qualität, Interoperabilität, Datenschutz und Evidenz. Dafür müssen Unternehmen hohe Aufwände erbringen. Das ist nicht für alle gleichermaßen leistbar. Wir sollten deshalb das gemeinsame Ziel verfolgen, das Angebot an DiGA für vielfältige Indikationen zu stärken, und nicht zusätzliche Hürden für ihren Zugang aufbauen. 

Ihr Verband ist mit dem Konzept der Gematik für die elektronische DiGA-Verordnung unzufrieden. Sie schlagen als Alternative das CardLink-Verfahren oder QR-Codes vor. Was wären die Vorteile aus Patientensicht?

Zum Thema E-Rezept sind wir mit Akteur:innen sowie der Gematik im Austausch. Das Wichtigste ist, dass Patient:innen ihre Verordnung unkompliziert einlösen können, etwa mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte und ihrem Smartphone. Manche Patient:innen benötigen eine zügige therapeutische Unterstützung und haben schon eine lange Krankengeschichte hinter sich. Der Therapiebeginn muss bei ihnen schnell gehen und einfach machbar sein. Dafür sollte die am besten geeignete Technologie genutzt werden.

2025 soll auch die elektronische Patientenakte (ePA) per Opt-out die Massen erreichen. Was ändert sich dadurch für DiGA-Nutzende?

DiGA gehören zu den ersten Anwendungen, die an die ePA angebunden werden. Das ist für Nutzer:innen sehr wertvoll: Sie können ihre Daten aus der DiGA direkt in die ePA übertragen. So stehen diese im Gespräch mit Ärzt:innen oder Therapeut:innen zur Verfügung. Das schafft mehr Transparenz für alle Beteiligten. Auf Wunsch können Patient:innen auch Daten aus der ePA in die DiGA fließen lassen. Hier zeigt sich, dass ein digitales Ökosystem in Zukunft sehr sinnvoll ist. Wir werden an der Ausgestaltung weiter mitarbeiten.

Das Digital-Gesetz erlaubt nun auch DiGA der Risikoklasse IIb sowie solche, die ergänzende Telemonitoring-Leistungen anbieten. 

Wir begrüßen es sehr, dass mit dem Digital-Gesetz auch hybride Modelle stärker ermöglicht werden, weil diese sehr sinnvolle Versorgungsansätze bieten. Telemonitoring-Leistungen können Lücken in der Versorgung gut ausgleichen. Sie sollten deshalb nun auch durch das Fast-Track-Verfahren besser in die Versorgung gelangen können. Das fehlende Erprobungsjahr für Medizinprodukte der Klasse IIb ist allerdings für die meisten Unternehmen eine enorme Herausforderung. Dies sorgt im Zweifel dafür, dass vielversprechende Ansätze nicht realisiert werden können. 

Wie sind die Chancen bei der Einbindung von DiGA in DMP?

DiGA können im Rahmen von DMP sehr wertvolle Therapiemöglichkeiten für chronisch Erkrankte bieten. Die ersten beiden DiGA wurden vom G-BA in die Richtlinien für ein kommendes DMP aufgenommen. Im Entwurf zum Gesundes-Herz-Gesetz sind Schulungen durch digitale Anwendungen und Telemedizin vorgesehen – das ist aus unserer Sicht äußerst sinnvoll. Für die Zukunft wünschen wir uns allerdings noch mehr Tempo und häufigere ­Aktualisierungen der DMP-Richt­linien, damit digitale Therapien zügiger zur Verfügung stehen.

Gemäß Digital-Gesetz führen DiGA-Hersteller ab 2026 eine „anwendungsbegleitende Erfolgsmessung“ durch. Das betrifft Dauer und Häufigkeit der Nutzung, den Gesundheitszustand aus Patientensicht sowie die Zufriedenheit mit der Qualität der DiGA. Das zu erheben, wird nicht einfach werden – und die Schlussfolgerungen daraus auch nicht. Wird hier nicht unnötig Bürokratie aufgebaut?

Wir warnen seit Langem davor, unnötig komplizierte Prozesse aufzusetzen, die hohen Aufwand verursachen, aber im Zweifel nicht den beabsichtigten Nutzen bringen. Dieses Risiko besteht auch bei der anwendungsbegleitenden Erfolgsmessung (AbEM). Zugleich kann sie eine Vorreiterrolle auf dem Weg zu einer wertebasierten Gesundheitsversorgung einnehmen. Deshalb müssen ihre Implementierung sorgfältig geplant und folgende Aspekte berücksichtigt werden: Die AbEM muss wissenschaftliche und kontextspezifische Aspekte berücksichtigen. Sie darf nicht zulasten der therapeutischen Wirksamkeit erfolgen, muss bürokratiearm sein und missbräuchliche Schlussfolgerungen sind zu vermeiden.

In Ihrem Verband sind auch Hersteller der digitalen Pflege vertreten. Beim BfArM findet man zwar ein Antragsportal, aber noch gibt es kein Verzeichnis mit einer digitalen Pflege­anwendung (DiPA). Welche Hürden bremsen?

Dass es für DiPA – im Gegensatz zu DiGA – kein Erprobungsjahr gibt, ist eine deutliche Hürde. Auch die geringe Höhe der Vergütung ist eine große Herausforderung. Zudem wurde bei der gesamten Gesetzgebung zur DiPA nicht ausreichend berücksichtigt, dass Pflege ein sehr komplexer Prozess ist, der viele Akteure und Aufgaben umfasst – nicht alle davon sind gleichermaßen messbar. Das hat zur Folge, dass sich viele digitale Lösungen zur Unterstützung der Pflege nicht in dem gesetzlichen Rahmenwerk zusammenfassen lassen. Das ist aus unserer Sicht eine nicht haltbare Situation. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass nachgebessert wird.

Vita

Dr. Anne Sophie Geier 

Die Pharmazeutin ist seit Oktober 2020 Geschäftsführerin des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung.

Interview: Michael Reischmann