Anorexia nervosa: Schnellere Erholung durch frühzeitige hohe Kalorienzufuhr
In der Regel werden stationär behandelte Patienten mit Anorexia nervosa langsam wieder an höhere Kalorienmengen gewöhnt. Grund dafür ist die Angst vor einem sog. Refeeding-Syndrom: Bei einer zu schnellen Zufuhr drohen metabolische Entgleisungen, die schlimmstenfalls in einem Delir oder einem Herzstillstand enden können. Diese Sorge sei jedoch unbegründet, berichtet Professor Dr. Andrea Garber von der University of California in San Francisco.
Gemeinsam mit Kollegen hatte die Pädiaterin 111 kritisch unterernährte, mehrheitlich weibliche Anorexia-nervosa-Patienten im Alter zwischen 12 und 24 Jahren behandelt. Dabei ordneten die Ärzte die Teilnehmer randomisiert zwei Gruppen zu: 51 von ihnen erhielten am ersten Tag 1400 kcal und danach 200 kcal pro Tag mehr. Die übrigen 60 Patienten starteten mit 2000 kcal.
Klinisch stabilisierten sich die Patienten unter der aggressiveren Ernährungsstrategie deutlich schneller (Hazard Ratio 1,67). Als Maß hatten die Kollegen sechs Indizes gewählt, darunter Herzfrequenz, Körpertemperatur, Veränderung des systolischen Blutdrucks bei Orthostase und Erhöhung des BMI. Die hochkalorisch ernährten Teilnehmer konnten ihren Klinikaufenthalt im Schnitt vier Tage früher beenden – was einer Kostenersparnis von etwa 19 000 US-Dollar pro Patient entspricht. Elektrolytverschiebungen und andere Komplikationen traten in beiden Armen ähnlich häufig auf.
Zumindest kurzfristig sicher und wirksam
Die Ergebnisse belegen die kurzfristige Sicherheit und Effektivität des schnellen Nahrungsaufbaus bei kritisch mangelernährten Patienten mit typischer oder atypischer Anorexia nervosa, so das Fazit der Autoren. Als atypisch werden Betroffene klassifiziert, die zwar dieselbe Psychopathologie und einen deutlichen Gewichtsverlust aufweisen, aber normgewichtig sind.
Quelle: Garber AK et al. JAMA Pediatr 2020: e203359; DOI: 10.1001/jamapediatrics.2020.3359